Versäumnis eines Termins bei der Agentur für Arbeit führt nicht zum Wegfall des Kindergeldes

Mit (rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind, das keine Leistungen von der Agentur für Arbeit bezieht und lediglich seiner allgemeinen Meldepflicht nicht nachkommt, keine Pflichtverletzung begeht, die zum Wegfall des Kindergeldes führt.

Der Kläger erhielt für seine Tochter Kindergeld, die zum 1. Mai 2016 eine Ausbildung zur Altenpflegerin aufgenommen hatte. Bereits im November 2016 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis wegen einer problematischen Schwangerschaft und meldete sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend. Ende Dezember 2016 meldete die Agentur für Arbeit die Tochter aus der Arbeitsvermittlung ab, weil sie ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Termin erschienen und daher nicht verfügbar gewesen sei. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung wurde der Tochter des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt keine Leistungen von der Arbeitsagentur erhielt, nicht bekanntgegeben. In der Zeit von Januar 2017 bis Juni 2017 befand sich die Tochter des Klägers wegen Komplikationen in der Schwangerschaft und wegen einer Darmerkrankung mehrfach in stationärer Behandlung. Ihr Sohn kam im April 2017 als Frühgeburt zur Welt.

Im Januar 2020 erfuhr die beklagte Familienkasse vom Abbruch der Ausbildung im November 2016. Sie forderte das für die Zeit ab Januar 2017 gezahlte Kindergeld vom Kläger zurück, weil seine Tochter die Berufsausbildung abgebrochen habe und bei der Arbeitsvermittlung nicht bzw. nicht mehr als arbeitsuchendes Kind geführt worden sei.

Dagegen legte der Kläger erfolglos Einspruch ein und erhob dann Klage beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG).

Das FG gab der Klage für die Monate Januar 2017 bis Juni 2017 statt, weil der Kläger für diese Monate einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter als arbeitsuchend gemeldetes Kind habe. Die Tochter sei zwar durch die Agentur für Arbeit zum 29. Dezember 2016 aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden, weil sie ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Termin erschienen und daher nicht verfügbar gewesen sei. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung sei der Tochter des Klägers allerdings nicht bekanntgegeben worden. Daher sei die Arbeitsagentur nur dann zur Einstellung der Vermittlung berechtigt gewesen, wenn das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hätte. Denn die Pflicht der Arbeitsagentur zur Vermittlung des Arbeitsuchenden bestehe grundsätzlich unbefristet. Bei einem Arbeitssuchenden, der – wie die Tochter des Klägers – keine Leistungen beziehe, dürfe die Arbeitsagentur die Vermittlung erst dann einstellen, wenn die dem Arbeitssuchenden z. B. in einer Eingliederungsvereinbarung oder in einem förmlichen Bescheid auferlegten Pflichten ohne wichtigen Grund nicht erfüllt worden seien. Eine solche Pflichtverletzung liege hier jedoch nicht vor, weil die Tochter des Klägers lediglich ihrer allgemeinen Meldepflicht i. S. v. § 309 Sozialgesetzbuch (SGB) III nicht nachgekommen sei.

Für die Monate ab Juli 2017 wurde die Klage abgewiesen, weil die Tochter des Klägers im Juni 2017 ihr 21. Lebensjahr vollendet hatte und ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind kraft Gesetzes nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres berücksichtigt werden kann.

FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 13.07.2022 zum Urteil 2 K 2067/20 vom 16.05.2022 (rkr)

Auflösung einer GmbH wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der 10. Senat des FG Düsseldorf hatte sich mit dem Zeitpunkt der Verlustrealisierung beim Anteilsverkauf auseinanderzusetzen:

Die Klägerin erwarb im Frühjahr 2014 Geschäftsanteile an einer GmbH zum symbolischen Kaufpreis von 1 Euro. Daneben gewährte sie der GmbH ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 320.000 Euro, um deren drohende Insolvenz abzuwenden. Das Darlehen war mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten ordentlich, daneben bei einem Insolvenzeröffnungsantrag gegenüber der GmbH auch mit sofortiger Wirkung außerordentlich kündbar. Als Sicherheit übereignete die GmbH der Klägerin Fahrzeuge im Gesamtwert von (max.) 38.000 Euro sowie ein Ersatzteillager im Wert von 40.000 Euro.

Im September 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, womit die GmbH qua Gesetz aufgelöst wurde; zugleich wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt. Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters ging hervor, dass die Klägerin im Mai 2014 eine Rückzahlung auf das von ihr gewährte Darlehen in Höhe von 16.000 Euro erhalten und im Übrigen die zu ihren Gunsten besicherten Fahrzeuge teilweise veräußert habe. Schlussendlich seien noch Vermögenswerte in Höhe von 44.000 Euro für die Insolvenzmasse frei.

Im Verfahren begehrte die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2014 die Berücksichtigung eines Verlustes aus § 17 EStG in Höhe von 320.001 Euro. Infolge der Insolvenzeröffnung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit einer Rückzahlung des der GmbH gewährten Darlehens zu rechnen gewesen. Der Ausfall der Darlehensforderung sei zu diesem Zeitpunkt endgültig gewesen und habe zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung geführt.

Der Beklagte lehnte eine Verlustberücksichtigung im Veranlagungszeitraum 2014 ab, weil in diesem Jahr noch nicht ersichtlich gewesen sei, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen würden. Das von der Klägerin gewährte Darlehen hätte bereits keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt.

Mit Urteil vom 12.04.2022 hat der 10. Senat die Klage abgewiesen. Im Streitjahr sei kein Auflösungsverlust zu berücksichtigen. Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters sei ersichtlich, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses, also dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, nicht vermögenslos gewesen sei. Zudem habe der gemeine Wert des der Klägerin zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens im Streitjahr nicht festgestanden, denn aus der gebotenen ex-ante Perspektive sei nicht bekannt, ob die Rückzahlung von 16.000 Euro vom Insolvenzverwalter angefochten werde und ob etwaige Erlöse aus der Verwertung der besicherten Fahrzeuge der Insolvenzanfechtung unterlägen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

FG Düsseldorf, Mitteilung vom 14.07.2022 zum Urteil 10 K 1175/19 E vom 12.04.2022 (rkr)

Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim

Ein Erbe verliert nicht die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim, wenn ihm die eigene Nutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Die Klägerin hatte das von ihrem Vater ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Die Klägerin machte gegenüber dem Finanzamt und dem Finanzgericht (FG) erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Das FG war der Ansicht, das sei kein zwingender Grund für den Auszug, da sich die Klägerin fremder Hilfe hätte bedienen können.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügten zwar nicht. Anders liege es, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedürfe, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung zu sprechen sei. Das FG hat deshalb unter Mitwirkung der Klägerin das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu prüfen.

BFH, Pressemitteilung vom 7.7.2022 zu Urteil vom 1.12.2021, II R 18/20

Solidaritätszuschlag: Festsetzung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 weiterhin verfassungsgemäß?

Ja – so entschied das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg. Das FG Baden-Württemberg wies die zulässige Klage der Kläger als unbegründet ab. Die eingelegte Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 9/22 anhängig.

Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts sei die Klage zulässig, obwohl hinsichtlich der Frage, ob der Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß sei, die Festsetzung vorläufig ergangen sei. Die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren (Az. 2 BvR 1505/20, 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19) könnten nach Auffassung des FG Baden-Württemberg unzulässig sein bzw. unterschieden sich vom Streitfall. Das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 1505/20 richte sich unmittelbar gegen die gesetzliche Neuregelung des Solidaritätszuschlags. Der Rechtsweg sei im Gegensatz zum Streitfall nicht ausgeschöpft worden. Die Verfahren 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19 beträfen weder Veranlagungszeiträume nach dem Auslaufen des Solidarpakts II noch die streitgegenständliche Gesetzesfassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags (RückfSolZG) ab Veranlagungszeitraum 2021. Diese eröffne im Vergleich zu den vorherigen Gesetzesfassungen neue Streitfragen.

Der 10. Senat des FG Baden-Württemberg war nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags überzeugt und wies die Klage als unbegründet ab. Er berücksichtigte die Gesetzesbegründung zur Einführung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe (Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten), die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (verfassungsgemäße Festsetzung des Solidaritätszuschlags aufgrund der fiskalischen Ausnahmensituation infolge der Wiedervereinigung), das Auslaufen des Solidarpakts II mit Auswirkungen auf den Finanzausgleich seit 2020 sowie den Sinn und Zweck einer Ergänzungsabgabe (subsidiäres Finanzmittel zur Finanzierung eines aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes), deren Aufkommen ausschließlich dem Bund zustehe. Die Ergänzungsabgabe beschränke sich auf Mehrbelastungen des Bundes. Die Gestaltungsfreiheit ermögliche die Wahl zwischen einer Ergänzungsabgabe und einer Steuererhöhung, solange die dem Bund und den Ländern zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt werden. Die kassenmäßigen Steuereinnahmen sowie die Höhe des Solidaritätszuschlags belegten jedoch ein angemessenes Verhältnis.

Entgegen den Ausführungen der Kläger müsse eine Ergänzungsabgabe weder befristet noch nur für einen kurzen Zeitraum erhoben werden. Dies gelte im Streitfall auch, obwohl eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden könne, wenn sich die für die Einführung maßgebenden Verhältnisse grundlegend änderten. Denn der wiedervereinigungsbedingte zusätzliche Finanzierungsbedarf des Bundes, z. B. im Bereich der Rentenversicherung, bestehe fort. Außerdem habe der Gesetzgeber „die konkrete fiskalische Ausnahmelage hinreichend deutlich erkennbar“ gemacht. Eine genaue Bezeichnung der zu finanzierenden Aufgaben in der Gesetzesbegründung, d. h. die Angabe einer detaillierten Zweckbestimmung, sei nicht erforderlich. Neue Aufgaben könnten hinzukommen, so z. B. die Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der Ausnahmesituation infolge des Ukraine-Konflikts. Dieser besondere Finanzbedarf könne zu berücksichtigen sein. Im Haushaltsplan könnte eine entsprechende Feststellung erfolgen.

Auch die konkrete Ausgestaltung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags ab Veranlagungszeitraum 2021 sei verfassungsgemäß. Freigrenzen und eine sog. Milderungszone seien unter Beachtung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und der zulässigen Verfolgung von Förderungs- und Lenkungszwecken aus sozialen Gründen zulässig. Diese Maßnahmen mit stärkerer Besteuerung höherer Einkommen entsprächen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Sie stellten nach der Gesetzesbegründung „zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigeren Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d. h. sie seien typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben“. Im Übrigen sei bereits der Spitzensteuersatz gesenkt und ein Ausgleich geschaffen worden. In Bezug auf die Besteuerung von Kapitalerträgen gebe es eine sog. Günstigerprüfung, sodass diese Einkünfte entweder mit dem Abgeltungssteuersatz mit Festsetzung eines Solidaritätszuschlags in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer oder mit dem niedrigeren individuellen Steuersatz berechnet werden können. Außerdem sei die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die geplante Abschmelzung des Solidaritätszuschlags infolge der völlig anderen Tarifstruktur zuläss

Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei Umzug ins Ausland

Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei Umzug ins Ausland

Fasst der Steuerpflichtige den Entschluss, seine Wohnung im Inland aufzugeben und dauerhaft ins Ausland umzuziehen, wird der inländische Wohnsitz bis zum tatsächlichen Verlassen der Wohnung am Umzugstag beibehalten. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland endet in diesem Fall in dem Moment, in dem der Steuerpflichtige am Umzugstag das Inland verlässt. Der Tag des Umzugs ins Ausland zählt noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht. Bei einer Nettolohnvereinbarung fließt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung eines sonstigen Bezuges grundsätzlich auch der Lohn in Form der vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer zu.

Dieser Entscheidung des FG Hamburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Streitig war die Haftung des Klägers für eine seinem Arbeitnehmer A gewährte Abfindungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die in drei Tranchen zu begleichen war, und zwar die erste bei Auflösung des (befristeten) Arbeitsvertrages und die weiteren in den beiden Folgejahren. Im Februar 2003 wurde der Auflösungsvertrag zum Ablauf dieses Monats geschlossen. Nachdem A sich am 08.02.2003 bei seinem künftigen Arbeitgeber in China vorgestellt, einen Anstellungsvertrag unterschrieben und ein Haus ausgesucht hatte, kehrte er zunächst nach Hamburg zurück und flog am 20.02.2003 mit seiner Ehefrau und seinen Haustieren um 14.35 h von Hamburg über Frankfurt (Abflug 17.40 h) nach China und nahm dort seine Tätigkeit auf. Die streitige erste Abfindungsrate wurde seinem Konto am 20.02.2003 um 15.00 h gutgeschrieben.

Das Finanzamt nahm den Kläger für die auf diese Zahlung entfallende Lohnsteuer in Haftung, weil A am 20.02.2003 seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthaltsort noch im Inland gehabt habe. Dem ist das Gericht gefolgt. A habe mit dem Verlassen seiner Wohnung am Morgen dieses Tages seinen Wohnsitz nicht aufgegeben, sondern erst mit Ablauf dieses Tages; der Tag des Umzugs in das Ausland zähle noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht. Jedenfalls habe A zum Zeitpunkt des Zuflusses der Zahlung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland noch nicht aufgegeben, weil er sich zu diesem Zeitpunkt noch körperlich im Inland aufgehalten habe.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

FG Hamburg, Mitteilung vom 01.07.2022 zum Urteil 5 K 141/18 vom 12.05.2022 (nrkr)

FG Hamburg zur vorläufigen Festsetzung von Erstattungszinsen

Die vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen für Zeiträume ab 2019 kann nicht ermessensfehlerfrei aufgehoben und die Entscheidung über die Zinsfestsetzung ausgesetzt werden nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i. V. m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO.

Eine auf Aufhebung eines Vorläufigkeitsvermerks zur Festsetzung von Erstattungszinsen gerichtete Klage ist nicht deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig, weil eine Änderung des Zinsbescheides zuungunsten der Kläger ohnehin nicht erfolgen kann (so aber FG Münster, Urteil vom 14. September 2006, 3 K 4376/04 Erb, EFG 2007, 83), denn der Kläger ist bereits durch die sich aus der Vorläufigkeit ergebende Rechtsunsicherheit beschwert.

Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied.

Dieser Entscheidung des FG Hamburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2017 vom 20.09.2019 waren Erstattungszinsen festgesetzt worden, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk bzgl. der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat versehen waren. Gegen diesen Vorläufigkeitsvermerk richtete sich die Klage. Während des Klageverfahren erging am 18.07.2021 der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der Zinssatz nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 2014 für verfassungswidrig, aber erst ab 2019 eine Neuregelung eingefordert wurde mit Frist bis 31.07.2022. Daraufhin änderte der Beklagte den angegriffenen Zinsbescheid in der Weise, dass er die Zinsfestsetzung aufhob und „teilweise“ für Verzinsungszeiträume ab 2019 nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO aussetzte; ausgenommen waren vor der Veröffentlichung der Entscheidung festgesetzte Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.

Das Gericht hat die Klage trotz der Aussetzung des Zinsbescheides als zulässig angesehen, weil sich dadurch das klägerische Begehren nicht erledigt, sondern sogar verschlechtert habe. Statt einer vorläufigen Zinsfestsetzung in bezifferter Höhe, die eine Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe auslösen können, würden die Kläger nun ohne jegliche Zinsfestsetzung auf eine künftige Neuregelung verwiesen. Auch in der Sache haben die Kläger in voller Linie Recht bekommen. Mit der Aufhebung des Zinsbescheides und der Aussetzung der Zinsfestsetzung habe der Beklagte seine Ermessengrenzen überschritten und die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 17.09.2021 zum Umgang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts missachtet.

Darüber hinaus durfte die Festsetzung der Zinsen nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden. Der diesbezügliche Klageantrag sei – entgegen der abweichenden Annahme des FG Münster (Urteil vom 14.09.2006, 3 K 4376/04 Erb) – zulässig, weil von dem Vorläufigkeitsvermerk eine beschwerende Rechtsunsicherheit ausgehe, und habe auch in der Sache Erfolg. Bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung habe festgestanden, dass eine spätere Änderung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausgeschieden sei.

Die Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Revision eingelegt, Az. des BFH VIII R 12/22).

FG Hamburg, Mitteilung vom 01.07.2022 zum Urteil 1 K 126/20 vom 14.04.2022 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 12/22)

Unselbstständige Stiftungen können kein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsempfänger sein

Unselbstständige Stiftungen können im Hinblick auf von ihrem Träger an sie erbrachte Verwaltungsleistungen nicht Leistungsempfängerinnen im umsatzsteuerlichen Sinn sein. Dies hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein und u.a. Träger von knapp 20 unselbstständigen (nichtrechtsfähigen) Stiftungen, die er teils aus überwiegend eigenem Vermögen selbst geschaffen und teils durch Stiftungsgeschäft mit dritten Stiftern gegründet hat. Soweit die Stiftungen mit dritten Stiftern begründet wurden, erfolgte die Gründung in Form von Schenkungen unter Auflagen. Bei Auflösung der nichtrechtsfähigen Stiftungen sollte das Vermögen nicht auf den jeweiligen Stifter (zurück) übertragen werden, sondern vom Kläger für gemeinnützige Zwecke verbraucht werden. Zivilrechtlich unterscheidet sich eine nichtselbstständige Stiftung dadurch von einer rechtsfähigen Stiftung, dass erstere keine juristische Person ist, sondern es sich um die Zuwendung von Vermögen durch einen Stifter an einen rechtsfähigen Stiftungsträger mit der Maßgabe, das übertragene Vermögen wirtschaftlich getrennt von seinem Eigenvermögen als Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung von Zwecken zu nutzen, die der Stifter festgelegt hat, handelt. Der Stiftungsträger wird so zivilrechtlich Eigentümer des ihm zugewandten Vermögens. Die Errichtung beruht entweder, wie im Streitfall, auf einer Schenkung unter Auflagen oder auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag.

Die selbstgeschaffenen unselbstständigen Stiftungen des Streitfalles waren operativ im Rahmen ihrer gemeinnützigen Zwecke tätig. Das Personal war allerdings bei dem Kläger mit dem Zusatz des Einsatzes für die jeweilige unselbstständige Stiftung angestellt. Der Lohnaufwand wurde vom Kläger der jeweils verursachenden nichtrechtsfähigen Stiftung belastet. Der Kläger war außerdem aufgrund einer „Beitragsordnung“ berechtigt, aus den jeweiligen Stiftungsvermögen einen jährlichen „Kostenbeitrag“ für den entstandenen Verwaltungsaufwand und die eigene gemeinnützige Tätigkeit zu entnehmen.

Das Finanzamt nahm sowohl hinsichtlich der Personalüberlassung gegen Entgelt als auch hinsichtlich der Beiträge für die Verwaltung des Stiftungsvermögens einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und den unselbstständigen Stiftungen an.

Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat der hiergegen erhobenen Klage in vollem Umfang stattgegeben. Sowohl im Hinblick auf den Personalkostenersatz als auch im Hinblick auf die Beiträge fehle es an einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis. Ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch beruhe in der Regel auf einem zivilrechtlichen Vertrag und setze grundsätzlich (mindestens) zwei Personen voraus. Eine nichtselbstständige Stiftung sei aber kein tauglicher Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis. Sie sei zivilrechtlich nicht fähig Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein und könne daher nicht Partei eines zivilrechtlichen Vertrages für einen Leistungsaustausch sein. Zudem gehöre das Stiftungsvermögen zum zivilrechtlichen und auch vollstreckungsrechtlichen Vermögen des Klägers als Stiftungsträger. Hinsichtlich der Beiträge liege auch kein Leistungsaustausch zwischen dem jeweiligen Stifter und dem Kläger als Stiftungsträger vor. Aufgrund der im Streitfall vorliegenden Gestaltung als Schenkung und Auflage sei das Stiftungsvermögen bei Gründung endgültig in das Vermögen des Klägers als Stiftungsträger übergegangen, der dieses letztlich als eigenes Vermögen im eigenen Interesse und nicht „im entgeltlichen Auftrag“ für den Schenker bzw. Stifter verwalte.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Pressemitteilung vom 01.07.2022 zum Urteil 5 K 1753/20 vom 05.05.2022

Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei steuerfreier Veräußerung eines mit Option zur Umsatzsteuer erworbenen Grundstücks

Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat erkannt, dass die (Weiter-)Veräußerung eines baureif gemachten Grundstücks nebst dazugehöriger Planungsleistungen für den Bau von Vermietungsobjekten auch dann eine nur einmalige Verwendung des Grundstücks zur Ausführung eines Umsatzes ist, wenn der Grundstückseigentümer in der Planungsphase Hilfsumsätze aus der übergangsweisen Genehmigung der Aufstellung von Werbemedien auf dem Grundstück erzielt, und dass die berichtigungsneutrale Geschäftsveräußerung eines im Aufbau befindlichen Vermietungsunternehmens voraussetzt, dass dieses bereits eine gewisse objektive Verfestigung erfahren hat.

Die Herstellung der Baureife und der Abschluss von Gewerberaummietverträgen für ein noch zu erstellendes Objekt reiche dafür jedenfalls dann nicht aus, wenn das objektiv zutage getretene Geschäftsmodell dem eines Bauträgers/Grundstücksentwicklers entspreche.

Die Klägerin hatte im Jahr 2005 ein unbebautes innerstädtisches Grundstück erworben, auf welchem sie ein Stadtquartier projektierte. Nach langjährigen Planungen und Verhandlungen gelang ihr für das Projekt der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit näher definierten Vorgaben für die Erteilung der Baugenehmigungen. Noch vor dem Beginn der Bauarbeiten veräußerte die Klägerin das Grundstück nebst Planungsleistungen und bereits vorab geschlossener Gewerberaummietverträge für einen Supermarkt und einen Drogeriemarkt. Die Veräußerung erfolgte mit insgesamt drei Verträgen, die aufgrund ihrer Verknüpfung mit der Erteilung der Baugenehmigung erst in 2016 wirksam wurden. Bei Grundstückserwerb hatte die Klägerin zur Umsatzsteuer optiert und Vorsteuern in entsprechender Höhe gezogen. Sie machte geltend, das Grundstück nach dessen Bebauung für Zwecke einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung nutzen zu wollen. Entgegen dieser Absicht veräußerte die Klägerin das baureife Grundstück in 2016 nebst Planungsleistungen und mit den beiden vorgenannten Mietverträgen in unbebautem Zustand und umsatzsteuerfrei an eine KG.

Das Finanzamt ging mit Blick auf die von der ursprünglichen Absicht abweichende Verwendung des Grundstücks von einer Verpflichtung zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a Abs. 2 UStG aus. Dem trat die Klägerin mit der Erwägung entgegen, sie habe lediglich eine steuerfreie und berichtigungsneutrale Geschäftsveräußerung im Ganzen realisiert. Die ursprüngliche Absicht der Bebauung und steuerpflichtigen Vermietung des Grundstücks für eigene Rechnung habe nicht realisiert werden können, weil ihr Alleingesellschafter infolge seiner Inhaftierung in 2006 und der damit verbundenen Rufschädigung seine Kreditfähigkeit verloren habe. Die Klägerin habe sich deshalb und aufgrund eines günstigen Kaufangebots entschieden, ihr bereits im Aufbau befindliches Vermietungsunternehmen im Ganzen an die KG zu veräußern. Unabhängig davon bestehe auch deshalb keine Berichtigungspflicht, weil der 10-jährige Berichtigungszeitraum gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG in 2016 bereits abgelaufen gewesen sei und die sachlichen Voraussetzungen einer Berichtigung gemäß § 15a Abs. 2 UStG nicht vorlägen. Das Grundstück sei kein Handelsobjekt. Es sei als Anlagevermögen bilanziert worden und auch bereits während der Planungsphase zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze, nämlich aus der entgeltlichen Gestattung zur Aufstellung von Werbemedien, genutzt worden.

Der 4. Senat hat die Klage abgewiesen, er ging von einer Verpflichtung zur Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 2 UStG aus. Dabei bewertete er die Grundstücksveräußerung als ersten Verwendungsumsatz des Wirtschaftsguts Grundstück. Die aus der Zwischennutzung des Grundstücks als Aufstellfläche für Werbemedien erzielten Umsätze ordnete das Gericht als für die Abgrenzung der Berichtigungstatbestände gemäß § 15a Abs. 1 und Abs. 2 UStG unmaßgebliche Hilfsumsätze ein. Da für § 15a Abs. 2 UStG kein Berichtigungszeitraum und keine Korrektur pro rata temporis gelte, sei die Vorsteuerberichtigung im Jahr der Grundstücksveräußerung in voller Höhe vorzunehmen. Den Einwand einer berichtigungsneutralen Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG wies das Gericht zurück. Dabei stellte es in Abgrenzung zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH maßgeblich darauf ab, dass die Klägerin nach den objektiv zutage getretenen Verhältnissen wie ein Grundstückshändler, Grundstücksentwickler bzw. Bauträger aufgetreten sei. Einen auf nachhaltige Vermietung gerichteten unternehmerischen Nutzungszusammenhang habe sie im Veräußerungszeitpunkt noch nicht geschaffen, sodass der Veräußerungsgegenstand nicht als von der Erwerberin fortgeführtes Vermietungsunternehmen zu qualifizieren sei.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.06.2022 zum Urteil 4 K 38/19 vom 02.03.2021 (nrkr – BFH-Az.: XI R 10/22)

Umsatzbesteuerung der Beherbergung und Verköstigung von Kindern und Jugendlichen auf Reiterhöfen

Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat sich mit der Frage der Umsatzbesteuerung der Beherbergung und Verköstigung von Kindern und Jugendlichen auf Reiterhöfen befasst.

Die Klägerin erzielte Umsätze aus der Durchführung von Reitkursen für Kinder und Jugendliche sowie aus der Beherbergung und Verköstigung der auf dem Reiterhof aufgenommenen Kinder und Jugendlichen (u. a. Schulklassen im Rahmen von Klassenfahrten). Die Zielausrichtung der in diesem Rahmen angebotenen Kurse waren je nach Altersklasse unterschiedlich. Die Kurse der älteren Kursteilnehmer waren auf das Ablegen von Leistungsabzeichen ausgerichtet, die Kurse der jüngeren Kursteilnehmer und der Klassenfahrten u. a. auf das altersgerechte Erlenen des Umgangs mit Ponys. Die Leistungsabzeichen bildeten in den Streitjahren die Voraussetzung für den Einstieg in den Turniersport. Das Tagesprogramm im Rahmen der Klassenfahrten wurde ausschließlich vom Personal der Klägerin gestaltet, welches auch die Aufsicht über die Kinder ausübte. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur bescheinigte der Klägerin für den Streitzeitraum, dass sie durch Reitunterricht an Klassen öffentlicher Schulen anlässlich von Klassenfahrten, Ponykursen, Lehrgängen für Reiterabzeichen […] Leistungen erbringt, die gemäß § 4 Nr. 21 UStG ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung vorbereiten.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die von ihr mit den Reitkursen und der Beherbergung sowie Verköstigung erzielten Umsätze nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa und Nr. 23 UStG sowie gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie von der Umsatzsteuer befreit seien. Bei dem Reiterhof handele es sich um eine berufsbildende Einrichtung i. S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, da der Reitunterricht auf die Vorbereitung einer späteren Berufsausrichtung ausgerichtet gewesen sei und damit der Berufsausbildung gedient habe. Die Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen seien als steuerfreie Nebenleistung anzusehen, da sie als Mittel dafür erbracht worden seien, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Ferner handele es sich bei dem Reitunterricht um Schulunterricht – jedenfalls soweit dieser im Rahmen von Klassenfahrten erteilt worden sei. Die Erteilung des Reitunterrichts sei zudem als Erziehung von Kindern und Jugendlichen i. S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL anzusehen. Ferner seien Jugendliche für die Erteilung von Reitsportunterricht in Theorie und Praxis zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken aufgenommen worden und damit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG erfüllt. Der Beklagte trat dieser Auffassung entgegen.

Der 4. Senat hat hierzu zunächst erkannt, dass Reitkurse für Jugendliche und Kinder sowie deren Beherbergung und Verköstigung auf Reiterhöfen jeweils eigene, selbstständige Leistungen darstellten, die für die Frage einer etwaigen Befreiung von der Umsatzsteuer jeweils einzeln zu betrachten seien. Dabei könnten die auf die Reitkurse entfallenden Umsätze gem. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn die Kurse darauf ausgerichtet seien, den Kursteilnehmern den unmittelbaren Berufseinstieg in den Turniersport zu ermöglichen. In diesen Fällen erfolge die Aufnahme von Jugendlichen zu Ausbildungszwecken im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG a. F., sodass auch die auf die Beherbergung und Verköstigung entfallenden Umsätze nach § 4 Nr. 23 UStG a. F. von der Umsatzsteuer befreit sein könnten. Demgegenüber erfolge die Aufnahme von Jugendlichen zu Erziehungszwecken im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG a. F., wenn durch die Vermittlung des richtigen Umgangs mit Pferden und durch einen strukturierten Tagesablauf erzieherisch auf die Jugendlichen eingewirkt werde und der Erziehungszweck während der Aufenthaltsdauer erreicht werden könne.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.06.2022 zum Urteil 4 K 114/17 vom 02.03.2022 (nrkr – BFH-Az.: XI R 9/22)

Kindergeld: Weiterbildung zum Facharzt ist kein Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung

Bei einer im Anschluss an das Medizinstudium absolvierten Facharztweiterbildung handelt es sich lediglich um eine Zweitausbildung (Weiterbildung). Die Erstausbildung des Kindes endet mit Abschluss des Medizinstudiums durch Ablegung der ärztlichen Prüfung.

Das geht aus einem aktuell veröffentlichten Urteil des FG Niedersachsen hervor.

Das Gericht erklärte, das Berufsziel des Kindes sei nicht das alleinige Entscheidungskriterium dafür, ob es sich noch um eine Erstausbildung handelt

Die Ausbildung im Rahmen der Facharztweiterbildung trete hinter die Berufstätigkeit des Kindes zurück. Die Facharztweiterbildung stelle keinen Teil einer einheitlichen Berufsausbildung des Kindes dar, da die Weiterbildung nur Nebensache ist.

Bei der Weiterbildung zum Facharzt handle es sich nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis, da das Kind seine Vergütung für die Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung vorwiegend für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhalte und nicht als Vergütung für die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig,

Niedersächsisches FG, Mitteilung vom 21.62022 zu Urteil vom 17.11.2021, Az. 9 K 114/21; BFH-Az.: III R 40/21