Unzureichende Sachverhaltsaufklärung als Ermessensfehler bei der Ablehnung einer Stundung

Die Ablehnung einer Stundung ist ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde den ihrer Ermessensentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn entscheidungserhebliche Akten nicht beigezogen und ausgewertet wurden.

Die Klägerin musste aufgrund eines bestandskräftigen Bescheids Kindergeld in Höhe von 3.680 Euro zurückzahlen. Unter Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragte sie beim Inkasso-Service der Agentur für Arbeit (Beklagte) die Stundung der Forderung. Die Beklagte bat daraufhin die Familienkasse um konkrete Angaben zur Entstehung der Rückforderung. Diese übersandte den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung und teilte mit, die Rückforderung sei durch die fehlende Mitwirkung der Klägerin entstanden, die trotz Aufforderung keine Nachweise vorgelegt habe. Auf dieser Tatsachengrundlage lehnte die Beklagte den Stundungsantrag ab. Es läge keine Stundungswürdigkeit vor, da die Rückforderung aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin entstanden sei. Auf die Stundungsbedürftigkeit der Klägerin müsse daher nicht weiter eingegangen werden.

Das Finanzgericht hob die Ablehnungsentscheidung auf und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die angefochtene Ablehnung der Stundung sei ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.

1. Die Entscheidung über die Gewährung einer Stundung (§ 222 Abgabenordnung – AO -) sei eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht lediglich daraufhin überprüft werden könne, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -).

Das Gericht dürfe bzw. müsse auch die Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung der Behörde überprüfen; denn die Rechtsverletzung könne auch in einer unzureichenden Feststellung oder Würdigung der bedeutsamen Tatsachen liegen. Eine fehlerfreie Ermessensausübung setze voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt habe. Zu einer diesbezüglich erforderlichen vollständigen Ermittlung des Sachverhalts gehöre zumindest die Auswertung des gesamten Akteninhalts, ggf. einschließlich beigezogener oder beizuziehender Akten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung durch das Gericht sei grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.

2. Nach diesen Grundsätzen habe die Beklagte den ihrer Ermessensentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt. Sie habe die Akten der für die Kindergeldfestsetzung zuständigen Familienkasse erst im Klageverfahren angefordert. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Stundungsantrag und auch später bei Erlass der Einspruchsentscheidung sei ihr der Sachverhalt daher nur partiell bekannt gewesen. Die Beklagte hätte sich nicht auf die äußerst knapp gehaltene Auskunft der Familienkasse verlassen dürfen. Sie hätte sich vor ihrer Entscheidung anhand der vollständigen Kindergeldakte aus dem Festsetzungsverfahren selbst ein Bild über den genauen Ablauf des Verfahrens machen müssen, der zur Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes geführt habe. In diesem Fall hätte die Beklagte feststellen können, dass es zumindest zweifelhaft sei, ob in dem Verhalten der Klägerin tatsächlich eine so grobe Pflichtverletzung liege, die zu einer Ablehnung ihrer Stundungswürdigkeit berechtige.

Auch nach einem in Kürze zur Veröffentlichung anstehenden Urteil des 12. Senats vom 18. September 2019 (Az. 12 K 234/19) hat das Finanzgericht die Ablehnung einer Stundung als ermessensfehlerhaft angesehen und die Beklagte verpflichtet, hierüber neu zu entscheiden, weil die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung von fehlerhaften Tatsachen ausgegangen war.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 13.11.2019 zu Urteil vom 04.06.2019 – 5 K 3830/16)

Zustellung von Einkommensteuerbescheiden in der Schweiz seit 2017 möglich

Die Beteiligten stritten darüber, ob das beklagte Finanzamt Einkommensteuerbescheide öffentlich zustellen durfte.

Der Kläger lebt seit dem Jahr 2013 in der Schweiz. Der Aufforderung des Beklagten, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, kam er nicht nach. Stattdessen bat der Kläger den Beklagten, ihm sämtliche Schreiben an seine Wohnanschrift in der Schweiz zu schicken.

Im April 2017 erließ der Beklagte geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013. Er ordnete die öffentliche Zustellung der Bescheide an und informierte den Kläger darüber. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass eine Zustellung der Bescheide in der Schweiz nicht zulässig sei. Da der Kläger keinen Empfangsbevollmächtigten benannt habe, könne eine Zustellung nur im Wege der öffentlichen Zustellung erfolgen.

Dagegen hat sich der Kläger erfolgreich gewehrt. Das Finanzgericht hat seiner Klage mit Urteil vom 08.10.2019 (Az. 10 K 963/18 E) stattgegeben und festgestellt, dass die Einkommensteuerbescheide mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht wirksam geworden seien.

Eine öffentliche Zustellung habe nicht erfolgen dürfen, weil eine Zustellung in der Schweiz möglich gewesen sei. Der Beklagte hätte die Bescheide dem Kläger in der Schweiz persönlich zustellen können.

Das Gericht stützte sich in seiner Begründung auf eine überarbeitete Fassung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Übereinkommen gelte in der Schweiz seit dem Jahresbeginn 2017 und erlaube die Zustellung von Einkommensteuerbescheiden in der Schweiz per Einschreiben mit Rückschein. Das Gericht führte aus, dass diese Möglichkeit – entgegen der Ansicht der deutschen Finanzbehörden – nicht nur für Einkommensteuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2018, sondern für sämtliche Einkommensteuerbescheide bestehe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

(FG Düsseldorf, Mitteilung vom 12.11.2019 zu Urteil vom 08.10.2019 – 10 K 963/18

Vorsteuerabzug und Zuordnungsentscheidung bei Errichtung einer Photovoltaikanlage

Der Vorsteuerabzug aus der Errichtung einer sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch genutzten Photovoltaikanlage setzt eine Zuordnungsentscheidung voraus, die spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt (FA) zu dokumentieren ist.

Der Kläger hatte im Jahr 2014 eine Photovoltaikanlage erworben. Den erzeugten Strom nutzte er zum Teil selbst, zum Teil speiste er ihn bei einem Energieversorger ein. Am 29. Februar 2016 gab der Kläger die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2014 ab und machte Vorsteuerbeträge i. H. von 1496 Euro geltend. Vor der Abgabe seiner Umsatzsteuererklärung hatte der Kläger gegenüber dem FA keine Angaben zu der Photovoltaikanlage gemacht. Das FA versagte den Vorsteuerabzug aus der Rechnung über die Lieferung der Photovoltaikanlage, weil der Kläger die Zuordnungsentscheidung nicht rechtzeitig getroffen habe.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Da die Lieferung der Photovoltaikanlage sowohl für den unternehmerischen Bereich als auch für den nichtunternehmerischen Bereich des Klägers vorgesehen war (sog. gemischte Nutzung), hätte der Kläger seine Zuordnungsentscheidung zum Unternehmensvermögen spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung treffen und gegenüber dem FA dokumentieren müssen. Die Frist zur Dokumentation der Zuordnungsentscheidung werde durch Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärung nicht verlängert.

Die bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage eines Gegenstandes zu treffende Zuordnungsentscheidung sei eine materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Das Erfordernis einer zeitnahen Dokumentation mache die Zuordnungsentscheidung nicht zu einer formellen Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Das Fehlen einer rechtzeitig dokumentierten Zuordnungsentscheidung führe zwingend dazu, dass der Gegenstand voll dem Privatvermögen zugeordnet werde und deshalb kein Vorsteuerabzug möglich sei. Das Gesetz stelle keinen Maßstab zur Verfügung, mit welchen Anteilen ein gemischtgenutzter Gegenstand dem Unternehmensvermögen einerseits und dem Privatvermögen andererseits zugeordnet werde könne, wenn der Steuerpflichtige selbst keine Zuordnung getroffen habe Bei der Zuordnung handele es sich um ein Wahlrecht, das nur der Steuerpflichtige selbst ausüben könne. Der Kläger habe gegenüber dem FA die Zuordnungsentscheidung erst mit der Abgabe seiner Steuererklärungen am 29. Februar 2016, also neun Monate nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist am 31. Mai 2015, dokumentiert.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 13.11.2019 zu Urteil vom 12.09.2018 – 14 K 1538/17)

Recherche für eine Biografie keine steuerlich anzuerkennende schriftstellerische Tätigkeit

Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der an einer Biografie über das Leben und Wirken seines Vaters arbeitet, aber sonst nicht weiter schriftstellerisch tätig ist bzw. werden möchte, keine Gewinnerzielungsabsicht hat und die Kosten seiner Recherchen daher nicht steuerlich absetzen kann.

Der Vater des Klägers war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg u. a. als Schauspieler, Regisseur und Filmeditor tätig. Der Kläger arbeitete an seiner Biografie und machte den ihm ab dem Jahr 2011 für Recherchearbeiten entstandenen Aufwand (bis 2016 waren dies rund 20.500 Euro) als Verluste steuerlich geltend. Der Ermittlungsbeamte des Finanzamtes nahm Einblick in das vom Kläger gesammelte Material und gewann den Eindruck, der Kläger sei zwar von der Idee begeistert, ein Buch über seinen Vater bzw. über die Recherchen dazu zu schreiben, besitze jedoch weder ein schlüssiges Konzept noch eine Vorstellung zu eventuell zu erzielenden Honoraren.

Da das Finanzamt die erklärten Verluste nicht anerkannte, erhob der Kläger beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz Klage, die allerdings ebenfalls erfolglos blieb. Bei Schriftstellern – so das Gericht – sei zwar zu berücksichtigen, dass sich ähnlich wie bei Künstlern positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen ließen. Anlaufverluste seien jedoch dann steuerrechtlich nicht anzuerkennen, wenn eindeutig feststehe, dass der Steuerpflichtige von vornherein nicht willens oder in der Lage sei, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Letzteres sei hier der Fall. Es bestünden zwar keine Zweifel daran, dass der Kläger seit 1993 das Leben und berufliche Wirken seines Vaters erforsche. Die Recherchen würden allerdings offensichtlich nicht in ein wirtschaftlich verwertbares Buch münden. In der Zeit von 1993 bis 2019 (= 25 Jahre) habe der Kläger lediglich einen erweiterten Lebenslauf und eine Auflistung der beruflichen Tätigkeiten seines Vaters erstellt. Außerdem sei völlig unklar, wie er ein etwaiges Manuskript vermarkten wolle. Inzwischen beabsichtige er zwar eine – wohl dokumentarische – Verfilmung des Lebens seines Vaters und wolle dessen Nachlass wirtschaftlich verwerten. Es sei allerdings bereits fraglich, ob diese Tätigkeiten auch tatsächlich erfolgversprechend seien. Unabhängig davon habe der Kläger nicht dargelegt, dass er diese Tätigkeiten auch schon in den Streitjahren beabsichtigt habe und ein Zusammenhang mit den streitigen Aufwendungen bestehe. Nach Würdigung aller Umstände komme das Gericht daher zu dem Ergebnis, dass der Kläger vor allem aus persönlichen Gründen und Neigungen bzw. aus eigenem Interesse am Leben seines Vaters recherchiert habe.

Das FG ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu.

(FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 13.11.2019 zu Urteil vom 18.09.2019 – 3 K 2083/18)

Vorsteueranspruch des Insolvenzverwalters für eine vom Gläubigerausschuss beauftragte Kassenprüfung

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Insolvenzverwalter der umsatzsteuerliche Leistungsempfänger einer durch den Gläubigerausschuss beauftragten Kassenprüfung ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer AG. Der nach den Vorschriften der Insolvenzordnung eingerichtete Gläubigerausschuss beauftragte einen externen Kassenprüfer. Der Insolvenzverwalter machte einen Vorsteuerabzug aus der von dem Kassenprüfer ausgestellten Rechnung geltend.

Dies lehnte das beklagte Finanzamt ab. Der Kassenprüfer habe seine Leistung nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber den Mitgliedern des Gläubigerausschusses erbracht. Die einzelnen Ausschussmitglieder müssten die Kosten der Kassenprüfung selbst entrichten und könnten ihre Aufwendungen als Auslagen aus der Insolvenzmasse ersetzt bekommen. Ein Vorsteueranspruch stehe daher allenfalls den einzelnen Mitgliedern des Gläubigerausschusses zu.

Dieser Argumentation ist das Finanzgericht Düsseldorf nicht gefolgt. Das Finanzgericht hat entschieden, dass dem klagenden Insolvenzverwalter der geltend gemachte Vorsteueranspruch zusteht. Weder der Gläubigerausschuss noch dessen Mitglieder seien umsatzsteuerrechtlich Empfänger der Leistungen des Kassenprüfers. An dem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch seien nur der Kassenprüfer und die Insolvenzmasse beteiligt. Die Rolle des Gläubigerausschusses beschränke sich darauf, den Kassenprüfer zu beauftragen. Die daraus resultierenden Kosten seien Masseverbindlichkeiten.

(FG Düsseldorf, Mitteilung vom 12.11.2019 zu Urteil vom 19.07.2017 – 5 K 1959/15; BFH-Az.: V R 18/19)

Berücksichtigung des Forderungsverzichts eines Gesellschafters nach Einführung der Abgeltungsteuer

Der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft kann nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 und Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden.

Im Streitfall war der Kläger zu mehr als 10 % an einer GmbH beteiligt. Er hatte Forderungen gegen die GmbH im Nennwert von 801.768,78 Euro für einen Kaufpreis von 364.154,60 Euro erworben. Der Kläger verzichtete gegenüber der GmbH auf einen Teilbetrag seiner Darlehensforderung i.H.v. 275.000 Euro. Im Hinblick auf einen teilentgeltlichen Erwerb zu 43,5 % ging er davon aus, dass er einen Veräußerungsverlust i.H.v. 119.625 Euro erlitten habe. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht (FG) nicht.

Demgegenüber steht nach dem Urteil des BFH der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall. Es liegt insoweit auch keine Einlage vor. Ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf einen Teil der ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehende Darlehensforderung führt nur insoweit zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG , als der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet. Die Einlage setzt dabei voraus, dass der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt somit kein Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 EStG an.

Gleichwohl erwies sich die Klageabweisung durch das FG im Ergebnis als zutreffend. Denn steuerliche Auswirkungen hätte der Forderungsverzicht nur gehabt, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hätte. Hieran fehlte es im Streitfall. Der Kläger hatte die Forderung im Nennwert von 801.768 Euro zum Kaufpreis von 364.154 Euro erworben. Der Kaufpreis wurde bei wirtschaftlicher Betrachtung für den werthaltigen Teil der Forderung aufgewandt. Der Verzicht in Höhe von 275.000 Euro bezog sich somit auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung, für den dem Kläger keine Anschaffungskosten entstanden waren. Seine Leistungsfähigkeit wurde durch den Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung folglich nicht gemindert.

Mit seinem Urteil setzt der VIII. Senat des BFH seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt (vgl. Urteil vom 24.10 2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535 zum insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung).

(BFH, Pressemitteilung Nr. 74 vom 14.11.2019 zu Urteil vom 6.8.2019 – VIII R 18/16)

Bundesrat stimmt Jahressteuergesetz zu

Der Bundesrat hat am 29. November 2019 zahlreichen Änderungen im Steuerrecht zugestimmt, die der Bundestag am 7. November verabschiedet hatte. Sie dienen der Anpassung an EU-Recht, der Digitalisierung und Verfahrensvereinfachung. Das Gesetz kann nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zugeleitet und nach dessen Unterzeichnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Wesentliche Maßnahmen sollen am Tag nach der Verkündung bzw. am 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Schwerpunkt: E-Mobilität

Einen Schwerpunkt bilden Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität, zur verstärkten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie des Fahrradverkehrs. Bundesregierung und Bundestag versprechen sich davon einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Umweltverträglichkeit des Personen- und Güterverkehrs sowie zur Reduzierung der CO2-Emissionen.

Förderung von E-Dienstwagen und Jobtickets

Neben einer Sonderabschreibung für rein elektrische Lieferfahrzeuge sieht das Gesetz vor, die Dienstwagenbesteuerung für Elektro- oder Hybridfahrzeuge weiterhin nur mit 0,5 Prozent des Listenpreises zu bewerten. Das kostenfreie Aufladen eines Elektromobils beim Arbeitgeber bleibt bis 2030 steuerfrei, ebenso die private Nutzung von betrieblichen Fahrrädern. Für Pendler relevant: das Jobticket wird künftig pauschal mit 25 Prozent besteuert und nicht mehr auf die Entfernungspauschale angerechnet.

E-Books und Tampons künftig günstiger

Für E-Books, E-Paper und Monats-Hygieneartikel gilt künftig ein ermäßigter Umsatzsteuersatz. Die steuerfreien Verpflegungspauschalen bei Dienstreisen und Weiterbildungen steigen, ebenso der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer. Die Bagatellgrenze für die Umsatzsteuerbefreiung bei Ausfuhr z.B. in die Schweiz wird auf 50 Euro festgesetzt. Die Wohnungsbauprämie steigt von derzeit 512 auf 700 Euro für Alleinstehende und 1.400 Euro für Verheiratete.

Einige Forderungen des Bundesrates umgesetzt

Der Bundesrat hatte im September 2019 sehr umfangreich Stellung genommen. Einige Forderungen hat der Bundestag in seinem Beschluss vom 7. November 2019 aufgegriffen.

Mehr Unterstützung für das Ehrenamt

In einer begleitenden Entschließung schlägt der Bundesrat weitere Maßnahmen vor, die unter anderem steuerliche Verbesserungen für ehrenamtliches Engagement und das Konzept „Wohnen für Hilfe“ vorsehen. Die Entschließung geht nun weiter an die Bundesregierung. Sie entscheidet, ob sie das Anliegen der Länder aufgreift. Feste Fristen gibt es dafür nicht.

(Bundesrat, Mitteilung vom 29.11.2019)