Was ist die vollständige Anschrift in einer Rechnung?

Ausweislich der Regelungen zum Umsatzsteuerrecht kann der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung nur vorgenommen werden, wenn diese ordnungsgemäß ist. Dazu gehört unter anderem, dass die ausgestellte Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Leistungsempfängers enthalten muss. Konkreter werden die gesetzlichen Regelungen in diesem Punkt allerdings leider nicht.

Seit einiger Zeit ist in der Praxis in diesem Zusammenhang fraglich, was denn unter der vollständigen Anschrift ganz konkret zu verstehen ist. Was eigentlich klar scheint, kann tatsächlich nämlich sehr wohl vollkommen unterschiedlich interpretiert werden. So könnte man einmal zu Gunsten des Steuerpflichtigen davon ausgehen, dass es sich dabei lediglich um eine Anschrift handelt, unter der der Unternehmer zu erreichen ist. Ob tatsächlich unter dieser Anschrift auch gearbeitet wird, soll dabei hingegen völlig irrelevant sein.

Vereinzelt wird jedoch auch aus fiskalischer Sicht davon ausgegangen, dass dies allein nicht ausreicht. So kursiert auch die Auffassung, dass die vollständige Anschrift diejenige Anschrift sein muss, unter der der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit entfaltet.

Für die praktische Arbeit ist die Frage, was denn nun konkret unter einer vollständigen Anschrift zu verstehen ist, von enormer Bedeutung. Dies ist auch der Grund, weshalb sich direkt zwei verschiedene Senate des Bundesfinanzhofs in München in zwei Beschlüssen vom 6. April 2016 unter den Aktenzeichen V R 25/15 und XI R 20/14 mit Vorlagebeschlüssen an den Europäischen Gerichtshof wenden. Darin werden die Fragen aufgeworfen, ob eine zur Ausbildung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung die vollständige Anschrift enthält, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er derzeit postalisch zu erreichen ist, wo er jedoch keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Insoweit ist es besonders relevant, welche Anschrift von einem Steuerpflichtigen in der Rechnung angegeben werden muss, wenn er ein Unternehmen betreibt, insoweit aber über kein Geschäftslokal verfügt, wie beispielsweise beim Internethandel.

Das Ergebnis der Anfragen an den Europäischen Gerichtshof ist daher mit Spannung zu erwarten, da insbesondere das Festhalten an einer vollständigen Anschrift, unter der der Unternehmer auch tatsächlich unternehmerisch tätig sein muss, in der Praxis in zahlreichen Fällen zu erheblichen Problemen führen dürfte.

Keine Ein-Prozent-Regelung für sogenannte Werkstattwagen

Bevor wir hier die frohe Botschaft von einer positiven Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit Ross und Reiter benennen, gilt es zunächst zu klären, was denn ein Werkstattwagen ist. Darunter versteht man die typischen Handwerkerwagen, die mehr Laderaum als Sitze haben und nach ihrer ganzen Ausstattung mehr dazu geeignet sind, Güter und Werkzeug zu transportieren, als dass eine Privatnutzung sinnvoll erschiene. Ein Opel Combo oder andere Kastenwagen wie ein VW-Transporter T4 mit Ladefläche sind hier typische Beispiele, um nur zwei zu nennen. Gerne würde der Fiskus für solche Werkstattwagen einen Privatanteil ansetzen – er ist nun jedoch zum wiederholten Male vom Bundesfinanzhof ausgebremst worden.

So führten die Richter in ihrer Entscheidung vom 17.02.2016 unter dem Aktenzeichen X R 32/11 wie folgt aus: Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit einem Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen, wenn nicht nach Satz 3 der oben genannten einkommensteuerlichen Vorschrift ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliegt.

Soweit der Grundsatz, wovon es jedoch Ausnahmen gibt, die der Fiskus gerne übersieht.

Ausgenommen sind nämlich Kraftfahrzeuge, für die der Erfahrungssatz, sie würden typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden, nicht gilt. Mit anderen Worten, wenn man annehmen kann, dass der Wagen privat nicht genutzt wird, kann die Ein-Prozent-Regelung außen vor bleiben. Das betrifft namentlich Lastkraftwagen und Zugmaschinen, wobei allerdings nicht die Klassifizierung des Kfz-Steuerrechts und des Straßenverkehrsrechts maßgebend ist. Maßgebend ist, ob das betreffende Fahrzeug aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, da derartige Fahrzeuge allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt werden. Da der typische Werkstattwagen darunter fällt, muss ohne den konkreten Gegenbeweis einer privaten Nutzung auch ohne Fahrtenbuch keine Ein-Prozent-Methode durchgeführt werden.

Insoweit beruft sich der aktuell erkennende 10. Senat des obersten deutschen Finanzgerichts auf eine schon ältere Entscheidung aus dem Jahr 2008. Seinerzeit hatte nämlich bereits der 6. Senat mit Urteil vom 18.12.2008 unter dem Aktenzeichen VI R 34/07 klargestellt, dass ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, nicht der Ein-Prozent-Regelung unterliegt. Damit meinte das Gericht auch den sogenannten Werkstattwagen.

Folglich gilt bei dem typischen Werkstattwagen ein anderer Grundsatz. Nämlich der, dass hier im Normalfall eben keine Ein-Prozent-Regelung anzusetzen ist, auch wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch für den Werkstattwagen nicht gegeben ist.

Aber Vorsicht: Eine generelle Befreiung von der Ein-Prozent-Regelung ist damit nicht gegeben. Wenn der Fiskus die Privatnutzung des Werkstattwagens nachweisen kann, dann muss auch hier ein Privatanteil versteuert werden. Dies kann dann über das Fahrtenbuch funktionieren oder in Ermangelung eines solchen mittels Ein-Prozent-Regelung. Insoweit sind die Feststellungen im individuellen Einzelfall maßgebend. In diesem Zusammenhang haben die Richter des Bundesfinanzhofs aber auch bereits in 2008 klargestellt, dass die Feststellungslast, ob der Werkstattwagen auch privat genutzt wird, beim Finanzamt liegt. Dieses kann sich nicht auf den sogenannten Beweis des ersten Anscheins berufen, sondern muss Konkretes für den Beweis der Privatnutzung liefern. Insbesondere darf es grundsätzlich nicht verlangen, dass die rein betriebliche Nutzung des Werkstattwagens vom Unternehmer nachzuweisen ist.

Wer bestimmt, ob das Arbeitszimmer erforderlich ist?

Wenn kein anderer Arbeitsplatz für eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit vorhanden ist und diese dann im häuslichen Arbeitszimmer erledigt wird, können die Aufwendungen des Arbeitszimmers grundsätzlich bis zum Höchstbetrag von 1.250 Euro im Kalenderjahr steuermindernd abgezogen werden. Soweit zumindest der Grundsatz der Arbeitszimmerregelung im Einkommensteuergesetz.

Aktuell stellt jedoch das Finanzgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2015 unter dem Aktenzeichen 5 K 1251/12 klar, dass ein Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nicht in Betracht kommt, wenn das Arbeitszimmer für die Tätigkeit des Klägers nicht erforderlich ist. Das Gericht stellt bei seiner Entscheidung überhaupt nicht darauf ab, ob für diese Tätigkeit überhaupt ein weiterer Arbeitsplatz vorhanden ist oder nicht.

Nach Aussage des Gerichtes können die Kosten für den heimischen Arbeitsplatz auch dann schon nicht steuermindernd berücksichtigt werden, wenn zwar tatsächlich kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, das Arbeitszimmer jedoch nicht unbedingt für die Tätigkeit notwendig ist.

So führt das Gericht wortwörtlich in seiner Begründung aus: „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können nur berücksichtigt werden, wenn dieses für die Tätigkeit erforderlich ist. Dieses Kriterium ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung zur Abzugsfähigkeit von Arbeitslohn ist zu folgern, dass der Aufteilungsabzug nur dann erfolgen darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich erforderlich für die Einkünfteerzielung ist.“

Das Gericht begründet diese nicht dem Gesetz zu entnehmende Auffassung damit, dass bei den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer wegen dessen Belegenheit im Privatbereich des Steuerpflichtigen Berührungen mit der privaten Lebensführung sehr stark gegeben sind. Insoweit empfindet es das erstinstanzliche Gericht als sachgerecht, wenn weiterhin auf die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers abgestellt wird.

Tatsächlich kann man dies jedoch nicht im Gesetz lesen. Daher ist unseres Erachtens diese Auffassung abzulehnen. Grundsätzlich ist es so, dass Werbungskosten und/ oder Betriebsausgaben dann abzugsfähig sind, wenn ein Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung besteht. Die Frage, ob die einzelne Betriebsausgabe auch tatsächlich objektiv notwendig oder erforderlich ist, ist dabei regelmäßig irrelevant. Ansonsten könnte das Finanzamt beispielsweise schon für die Anschaffung des großen Aktenvernichters den Betriebsausgabenabzug verwehren, wenn nach objektiven Kriterien auch eine kleinere und günstigere Version für das Unternehmen ausgereicht hätte.

Insoweit kann auch die Argumentation nicht nachvollzogen werden, dass sich beim häuslichen Arbeitszimmer das Kriterium der Erforderlichkeit daraus ergibt, dass es im Privatbereich des Steuerpflichtigen liegt und es dementsprechend zu einer Berührung mit der privaten Lebensführung kommt.

Denn auch beim Pkw eines Unternehmers, der privat mitbenutzt wird, ist eine deutliche Berührung der privaten Lebensführung gegeben. Hier entscheidet das Finanzamt jedoch nicht mit. So kann der Fiskus (zu Recht) nicht behaupten, dass lediglich die Kosten für einen Kleinwagen nach objektiven Kriterien abgezogen werden können, weil die Anschaffung der Großraumlimousine bzw. des Sportwagens allein auf subjektiven Erwägungen des Unternehmers beruht und eine objektiven Erforderlichkeit insoweit nicht gegeben ist.

Leider ist das erstinstanzliche Finanzgericht Nürnberg mit seiner Meinung jedoch nicht alleine. So hat schon das Hessische Finanzgericht in einer Entscheidung vom 20. November 2000 unter dem Aktenzeichen 13 K 1005/00 klargestellt, dass Aufwendungen für ein heimisches Arbeitszimmer nur dann im Rahmen der Einkünfteermittlung berücksichtigungsfähig sind, wenn das Arbeitszimmer für die berufliche Tätigkeit erforderlich ist. Im damals abgeurteilten Fall ging es um die Verwaltung von zwei Eigentumswohnungen. Der Kläger hatte argumentiert, dass das Arbeitszimmer sehr wohl erforderlich sei, weil bei der Anschaffung einer Eigentumswohnung ein extrem erhöhter Verwaltungsaufwand gegeben sei. Dennoch hielt das Gericht die Unterhaltung eines heimischen Arbeitsplatzes nur für diese Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht für erforderlich und strich die steuermindernde Berücksichtigung der heimischen Arbeitsplatzkosten.

In ein ähnliches Horn stieß auch zwei Jahre später das Finanzgericht Nürnberg in einer Entscheidung vom 19. März 2012 unter dem Aktenzeichen 3 K 308/11. In diesem Fall ging es darum, dass das Finanzamt der Meinung war, dass ein häusliches Arbeitszimmer allein für die Verwaltung einer Fotovoltaikanlage nicht erforderlich sei, weil die zeitliche Inanspruchnahme des Raumes insoweit von untergeordneter Bedeutung sei.

Beide Entscheidungen sind rechtskräftig geworden, weshalb aktuell das Finanzgericht Nürnberg auch keine Gründe für die Zulassung einer Revision in der Sache sieht. Dagegen wurde jedoch seitens der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, welche mittlerweile vom Bundesfinanzhof angenommen wurde. Unter dem Aktenzeichen IX R 52/14 müssen sich die obersten Finanzrichter daher unter anderem ganz konkret mit der Frage beschäftigen, ob es zum Abzug von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer unabdingbare Voraussetzung ist, dass das Arbeitszimmer nach objektiven Kriterien erforderlich ist.

Tipp: Betroffene sollten in allen noch offenen Fällen Einspruch einlegen und auf das anhängige Verfahren beim Bundesfinanzhof in München verweisen.

 

Exkurs: Betrachtet man die Sache nüchtern, ist es vielleicht sogar sinnvoll, dass nicht für irgendwelche untergeordneten Einkünfte direkt ein häusliches Arbeitszimmer beansprucht werden kann. Fakt ist aber auch, dass dies dem Einkommensteuergesetz so nicht zu entnehmen ist.