Zeitpunkt für die Währungsumrechnung von ausländischen Familienleistungen

Die Klägerin und ihr Ehemann haben im Streitzeitraum 2012 bis 2014 in der Schweiz gearbeitet. Sie haben zwei Kinder. Der Ehemann erhielt zwei Kinderzulagen von jeweils 200 Schweizer Franken (CHF), also insgesamt 400 CHF monatlich. Die Klägerin beantragte Kindergeld im Inland. Sie hat dem Grunde nach einen Anspruch auf sog. Differenzkindergeld, d. h. auf die Differenz zwischen dem inländischen Kindergeld und der Schweizer Kinderzulage. Streitig war dessen Höhe.

Die beklagte Familienkasse zahlte kein Differenzkindergeld aus. Ihrer Ansicht nach erreichten die ausländischen Familienleistungen wechselkursbedingt die Höhe des deutschen Kindergelds. Die Klägerin legte andere Stichtage für die Währungsumrechnung zugrunde und machte einen Anspruch auf Differenzkindergeld in Höhe von insgesamt 1.303,22 Euro geltend.

Der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg legte zunächst mit Beschluss vom 17. Mai 2018 (Az. 3 K 3144/15) die für den Streitfall erheblichen Rechtsfragen zur Währungsumrechnung nach Unionsrecht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Dieser entschied mit Urteil vom 4. September 2019 C-473/18.

Nach Maßgabe des EuGH-Urteils entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, nun mit Urteil vom 5. Dezember 2019 (Az. 3 K 2234/19) zugunsten der Klägerin. Deren einzelfallbezogene Berechnung des von Monat zu Monat variierenden Differenzkindergelds entspreche den Vorgaben des EuGH-Urteils. Anwendbar für die Umrechnung von Währungen sei die Nr. 2 des Beschlusses Nr. H3 vom 15. Oktober 2009. Maßgeblich für die Währungsumrechnung sei danach der jeweilige Tag, an dem der zuständige Träger des Beschäftigungsstaats die Zahlung der fraglichen Familienleistungen vorgenommen habe. Die Verwaltungsanweisung der beklagten Familienkasse stehe im Widerspruch zu der durch den EuGH geklärten unionsrechtlichen Auslegung des Beschlusses Nr. H3.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 17.02.2020 zu Urteil vom 05.12.2019 – 3 K 2234/19)

Rollstuhlgerechte Umbaumaßnahmen im Garten führen nicht zur außergewöhnlichen Belastungen

Der 7. Senat des Finanzgericht Münster hat entschieden, dass Aufwendungen für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten eines Einfamilienhauses nicht zwangsläufig sind, wenn sich auf der anderen Seite des Hauses eine Terrasse befindet, die mit dem Rollstuhl erreichbar ist.

Die Kläger sind Eheleute, die ein in ihrem Eigentum stehendes Einfamilienhaus mit Garten bewohnen. Die Klägerin leidet an einem Post-Polio-Syndrom, weswegen für sie ein Grad der Behinderung von 70 mit den Merkzeichen G und aG festgestellt wurde. Auf der Rückseite des Einfamilienhauses befindet sich eine Terrasse, die mit einem Rollstuhl erreicht werden kann. Auf der Vorderseite befanden sich ursprünglich Beete, auf denen die Klägerin Beerensträucher und Kräuter angebaut hatte und die lediglich durch einen schmalen Fußweg zu erreichen waren. Diesen Weg ließen die Klägerin in eine gepflasterte Fläche umbauen und legten dort Hochbeete an. Die Kosten in Höhe von ca. 6.000 Euro machten sie als außergewöhnliche Belastungen geltend, weil die Maßnahme medizinisch notwendig gewesen sei und auch der Garten zum existenznotwendigen Wohnbedarf gehöre. Das Finanzamt versagte den Abzug unter Hinweis darauf, dass Aufwendungen für den Umbau eines Gartens nicht berücksichtigt werden könnten, weil dies den durchschnittlichen Wohnkomfort übersteige. Im Klageverfahren beantragten die Kläger hilfsweise, den in der Rechnung enthaltenen Lohnanteil nach § 35a EStG zu berücksichtigen.

Der Senat hat die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen. Er hat ausgeführt, dass grundsätzlich zwar auch das Hausgrundstück mit Garten zum existenziell notwendigen Wohnbereich gehöre. Abzugsfähig seien allerdings nur solche Aufwendungen, die den Zugang zum Garten und damit die Nutzung des Gartens dem Grunde nach ermöglichen. Diese Möglichkeit bestehe im Streitfall aufgrund der vorhandenen Terrasse auf der Rückseite des Einfamilienhauses. Demgegenüber diene die Verbreiterung des Weges auf der Vorderseite zum Anbau von Pflanzen lediglich einer Freizeitaktivität, die nicht den existenznotwendigen Wohnbedarf betreffe.

Dem Hilfsantrag, für 20 % der Lohnkosten die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG zu gewähren, hat der Senat stattgegeben. Er hat ferner die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2020 zu Urteil vom 15.01.2020 – 7 K 2740/18)

Steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Vermietung eines Blockheizkraftwerks (BKHW)

Der Kläger erwarb im Jahr 2002 ein BHKW. Dabei wusste er, dass das BHKW nicht funktionsfähig war und der Voreigentümer deswegen Schadensersatzprozesse führte, die noch nicht abgeschlossen waren. Etwaige Schadensersatzansprüche wurden vom Kläger miterworben.

Im Streitjahr 2009 kam ein von der Mieterin des BHKW beauftragter Gutachter zu dem Ergebnis, dass das BHKW nicht mehr in Gang gesetzt werden könne. In seiner Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger einen Verlust aus der Vermietung des BHKWs geltend, der insbesondere auf Abschreibungen beruhte.

Das beklagte Finanzamt erkannte den Vermietungsverlust nicht an. Es vertrat die Ansicht, dass die Abschreibungsbeträge in einem früheren Veranlagungszeitraum hätten geltend gemacht werden müssen. Der Kläger habe bei Erwerb des BHKW von der Funktionsunfähigkeit Kenntnis gehabt. Er habe in der Folgezeit, noch vor dem Jahr 2009, von der fehlenden Möglichkeit der Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft erfahren.

Im Klageverfahren trug der Kläger vor, dass es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handele. Im Erwerbszeitpunkt sei er davon ausgegangen, das BHKW nach dem erfolgreichen Ausgang der Schadensersatzprozesse wirtschaftlich betreiben zu können.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Die Vermietungsverluste des Klägers seien mangels Einkunftserzielungsabsicht steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Das Gericht qualifizierte die Einkünfte des Klägers als solche aus Vermietung und Verpachtung. Es liege eine Überlassung einer Sachgesamtheit vor. Die Einordnung als gewerbliche Einkünfte lehnte das Gericht ab, weil es sich um eine bloße Gebrauchsüberlassung ohne Zusatzleistungen (z. B. Vermarktung von selbst produziertem Strom) gehandelt habe.

Der Kläger habe seine Einkunftserzielungsabsicht, die anders als bei der Vermietung von bebautem Grundbesitz nicht typisiert werde, nicht nachgewiesen. Es sei bereits aufgrund der hohen Abschreibungsbeträge nicht erkennbar, dass der Kläger über die Nutzungsdauer einen Totalüberschuss habe erzielen können. Etwaige Schadensersatzzahlungen könnten in die Prognoserechnung nicht einbezogen werden, weil daraus resultierende Einnahmen nicht objektiv erkennbar angelegt gewesen seien.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen an das Finanzgericht zurückverwiesen (Az. X B 70/19).

(FG Düsseldorf, Mitteilung vom 12.02.2020 zu Urteil vom 26.02.2019 – 13 K 3082/17; nrkr)

Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als Unternehmer tätig. Dies hat der Bundesfinanzhof entgegen bisheriger Rechtsprechung entschieden.

Der Kläger war leitender Angestellter der S-AG und zugleich Aufsichtsratsmitglied der E-AG, deren Alleingesellschafter die S-AG war. Nach der Satzung der E-AG erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 € oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon. Der Kläger wandte sich gegen die Annahme, dass er als Mitglied des Aufsichtsrats Unternehmer sei und in dieser Eigenschaft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringe. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg.

Demgegenüber gab der BFH der Klage statt. Er begründete dies mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung übe das Mitglied eines Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen keine selbständige Tätigkeit aus. Maßgeblich ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliche Risiko trägt. Letzteres ergab sich in dem vom EuGH entschiedenen Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzung noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.

Dem hat sich der BFH in seinem neuen Urteil unter Aufgabe bisheriger Rechtsprechung für den Fall angeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 6 vom 6.2.2020 zu Urteil vom 27.11.2019 – V R 23/19)

Studienkosten trotz Stipendium abziehbar

Zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts erhaltene Stipendiumszahlungen mindern nicht die Werbungskosten für eine Zweitausbildung. Dies hat der 1. Senat des FG Köln entschieden.

Der Kläger erhielt für seine Zweitausbildung monatlich 750 Euro Aufstiegsstipendium aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Den Jahresbetrag zog das Finanzamt von den erklärten Studienkosten ab, die der Kläger als „vorweggenommene“ Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend gemacht hatte.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hatte der Kläger überwiegend Erfolg. Der 1. Senat des FG Köln reduzierte die Anrechnung des Stipendiums um 70 %. Die Stipendiumsleistungen würden nämlich sowohl für die Kosten der allgemeinen Lebensführung als auch zur Bestreitung von Bildungsaufwendungen gezahlt. Nur soweit Bildungsaufwendungen ausgeglichen würden, lägen keine Werbungskosten vor. Der Senat ermittelte die nicht anzurechnenden Beträge anhand der allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten.
Das Urteil ist rechtskräftig. Die Beteiligten haben die vom Senat zugelassene Revision zum Bundesfinanzhof in München nicht eingelegt.
(FG Köln, Pressemitteilung vom 01.03.2019 zu Urteil vom 15.11.2018 – 1 K 1246/16)

Negativzinsen weiter nicht abzugsfähig

Die FDP-Fraktion hat sich im Finanzausschuss nicht mit ihrer Forderung durchsetzen können, Negativzinsen im Steuerrecht zu berücksichtigen. Das Gremium lehnte einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion (19/15771) ab.

Damit sollten von den Banken erhobene negative Einlagezinsen für die Überlassung von Kapital für die belasteten Steuerpflichtigen als negative Erträge angesehen und damit im Rahmen der Verlustverrechnung innerhalb der Kapitaleinkünfte verrechnet werden können. Gegen den Antrag stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. AfD- und FDP-Fraktion stimmten dafür, die Linksfraktion enthielt sich.

In der Begründung des Antrages heißt es, Sparer dürften durch negative Zinsen nicht doppelt belastet werden. Das wäre jedoch die Folge, wenn sie einerseits negative Zinsen für Guthaben an die Bank entrichten müssten, aber andererseits diese nicht steuerlich geltend machen könnten. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld zwinge immer mehr Banken, die Belastungen, die durch die negativen Einlagezinsen hervorgerufen würden, an die Kunden weiterzugeben. Dass die Sparer diese Negativzinsen nicht mit positiven Einkünften bei der Steuer verrechnen könnten, sei unsystematisch und belaste die Sparer.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach von einem komplexen Thema. So einfach, wie die FDP es sich mache, sei die Sache nicht. Die SPD-Fraktion erinnerte, dass es negative Realzinsen bereits während der Zeit mit FDP-Regierungsbeteiligung gegeben habe, ohne dass es zu einer Abzugsfähigkeit gekommen sei. Anleger hätten außerdem die Möglichkeit, zu Banken zu wechseln, die keine Negativzinsen erheben würden. Die AfD-Fraktion nannte die Begründung der SPD-Fraktion Schummelei. Die Wahrheit sei, dass es erstmals negative Nominalzinsen gebe. Die Linksfraktion sagte, sie wolle auch nicht, dass Kleinsparer betroffen seien. Aber wenn die Banken Negativzinsen als Gebühren ausgestalten würden, greife der Antrag der FDP-Fraktion nicht. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wies darauf hin, dass Kleinsparer von einer Abzugsfähigkeit der Negativzinsen wegen des Sparerfreibetrages nichts hätten.

(Bundestag, hib-Meldung Nr. 70/2020 vom 15.01.2020)

Fälligkeitszeitpunkt einer regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe ist für deren zeitliche Zuordnung i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG unerheblich

Der Kläger erzielte Gewinneinkünfte; seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die am 06.01.2016 gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2015 erfasste der Kläger in seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2015 als Betriebsausgabe. Wegen einer Dauerfristverlängerung war die Vorauszahlung erst am 10.02.2016 fällig gewesen.

Das beklagte Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Umsatzsteuervorauszahlung erst im Jahr 2016 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei und erhöhte den Gewinn 2015 entsprechend. Eine vom Abflusszeitpunkt abweichende zeitliche Zurechnung einer Aufwendung komme nur in Betracht, wenn sowohl der Zahlungs- als auch der Fälligkeitszeitpunkt in den kurzen Zeitraum um den Jahreswechsel falle.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der dagegen gerichteten Klage stattgegeben und die Gewinnerhöhung des Jahres 2015 rückgängig gemacht.

Nach Ansicht des Senats sind die Voraussetzungen für eine vom Zahlungszeitpunkt abweichende Zurechnung der Umsatzsteuervorauszahlung nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit gegeben. Dem stehe nicht entgegen, dass der Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung außerhalb des „kurzen“ Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG liege. Denn nach dem Gesetzeswortlaut sei der Fälligkeitszeitpunkt für die zeitliche Zuordnung unerheblich.

Eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelung lehnte das Gericht ab. Die Norm erfasse – auch ohne Berücksichtigung des Fälligkeitszeitpunkts – nur Ausnahmefälle. Zudem spreche die Entstehungsgeschichte der Norm gegen eine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs. Seit der Neufassung der Vorschrift im Jahr 1934 werde – anders als in der Vorgängerregelung – nicht mehr auf den Fälligkeitszeitpunkt abgestellt.

Mit seiner Entscheidung hat der Senat ausdrücklich der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur widersprochen. Die vom Finanzgericht zugelassene Revision ist unter dem Az. VIII R 1/20 anhängig. Der Ausgang des Revisionsverfahrens bleibt abzuwarten. Der X. Senat des BFH hat die Frage nach dem Fälligkeitserfordernis innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums zuletzt ausdrücklich dahinstehen lassen (vgl. Urteile des BFH vom 27.06.2018 X R 44/16 und X R 2/17).

(FG Düsseldorf, Mitteilung vom 12.02.2020 zu Urteil vom 09.12.2019 – 3 K 2040/18; BFH-Az.: VIII R 1/20)

Keine Berichtigung des fehlerhaften Einkommensteuerbescheids bei ordnungsgemäßer Erklärung eines Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 EStG durch den Steuerpflichtigen

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs hat entschieden, dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid nicht mehr vom Finanzamt (FA) nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigt werden kann, wenn die fehlerhafte Festsetzung eines vom Steuerpflichtigen ordnungsgemäß erklärten Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 EStG trotz eines vom FA praktizierten „6 Augen-Prinzips“ nicht auf einem bloßen „mechanischen Versehen“ beruht.

Der Kläger hatte in seiner elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung einen Gewinn aus der Veräußerung eines GmbH-Gesellschaftsanteils im Sinne des § 17 EStG zutreffend erklärt und alle hierfür maßgeblichen Unterlagen beim Finanzamt eingereicht. Der Veranlagungssachbearbeiter des FA prüfte den erklärten Gewinn und behandelte die Veranlagung entsprechend einschlägiger Arbeitsanweisungen unter anderem als „Intensiv-Prüfungsfall“, welche nicht nur der Zeichnung durch den Vorgesetzten, sondern auch der Prüfung durch die „Qualitätssicherungsstelle“ unterliegt. Nach einem „Abbruchhinweis“ im maschinellen Veranlagungsverfahren wurde bei der weiteren Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Klägers ein falscher Wert durch einen Mitarbeiter des FA eingetragen, der im Ergebnis zu einer zu hohen Steuererstattung für den Kläger führte.

Weder im Rahmen der Veranlagung, noch bei der Prüfung durch die Qualitätssicherungsstelle noch bei der Zeichnung auf Sachgebietsleiterebene („6-Augen-Prinzip“) fiel der fehlerhafte Eintrag auf. Erst im Zuge einer späteren Außenprüfung wurde der Fehler bei der Festsetzung erkannt und der Einkommensteuerbescheid nach § 129 Satz 1 AO berichtigt. Das FG vertrat die Auffassung, dass das FA zur Berichtigung des fehlerhaften Einkommensteuerbescheides berechtigt gewesen sei. Der BFH folgte dem nicht und gab dem Steuerpflichtigen Recht.

§ 129 Satz 1 AO erlaubt nur die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten (sog. mechanische Versehen), die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind. § 129 AO ist dagegen nicht anwendbar, wenn dem Sachbearbeiter des FA ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterlaufen ist oder er den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt hat. Der vorliegende Steuerfall ist von zumindest zwei Mitarbeitern des FA auch inhaltlich geprüft und bearbeitet worden. Das schließt das Vorliegen eines bloß mechanischen Versehens und damit die Anwendung der Berichtigungsnorm des § 129 AO aus.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 7 vom 6.2.2020 zu Urteil vom 10.12.2019 – IX R 23/18)

Entgelt für die Anbringung von Werbung auf privaten Fahrzeugen als Arbeitslohn

Ein Entgelt, das der Arbeitgeber an seine Mitarbeiter für die Anbringung eines mit Werbung versehenen Kennzeichenhalters zahlt, unterliegt der Lohnsteuer. Dies hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin schloss mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Mietverträge über Werbeflächen an deren privaten Fahrzeugen ab, in denen sich die betreffenden Mitarbeiter zur Anbringung von Kennzeichenhaltern mit der Firmenwerbung der Klägerin gegen ein Entgelt i. H. v. 255 Euro im Jahr verpflichteten. Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass diese Vergütung Arbeitslohn darstelle und nahm die Klägerin als Arbeitsgeberin für die Lohnsteuernachzahlung in Haftung. Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass die Anmietung der Werbefläche in Form der Kennzeichenhalter in ihrem eigenbetrieblichen Interesse erfolgt sei und es sich deshalb bei dem hierfür gezahlten Entgelt nicht um Arbeitslohn handele.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Die Zahlungen der Klägerin für die Anbringung der Kennzeichenhalter mit Firmenwerbung stellten Arbeitslohn dar. Bei Würdigung der Gesamtumstände sei das auslösende Moment für die Zahlungen die Stellung der Vertragspartner als Arbeitnehmer und damit im weitesten Sinne deren Arbeitstätigkeit gewesen. Die betriebsfunktionale Zielsetzung, Werbung zu betreiben, habe nicht eindeutig im Vordergrund gestanden. Letztes hätte nur dann angenommen werden können, wenn durch eine konkrete Vertragsgestaltung die Förderung des Werbeeffekts sichergestellt worden wäre. Die von der Klägerin geschlossenen Verträge hätten aber insbesondere keinerlei Vorgaben enthalten, um einen werbewirksamen Einsatz des jeweiligen Fahrzeugs sicherzustellen. Auch eine Regelung dazu, ob an dem Fahrzeug noch Werbung für andere Firmen angebracht werden durfte oder eine Exklusivität geschuldet war, sei nicht getroffen worden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 04.02.2020 zu Urteil vom 03.12.2019 – 1 K 3320/18 L)

Ehepflichten trotz Trennung

Auch nach der Trennung besteht die Verpflichtung, in eine für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer einzuwilligen.

Ein Ehepartner ist auch nach der Trennung dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch dessen Steuerschuld verringert wird und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt ist. Denn Ehepartner sind einander grundsätzlich verpflichtet, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Hingegen kann ein Ehepartner nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Betrag ersetzt verlangen, den er nach der im Vergleich zur getrennten Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V zuvor mehr gezahlt hat. Das hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz entschieden und die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Lahnstein insoweit abgeändert.

Das Familiengericht hatte eine Verpflichtung, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen zumindest für den Fall verneint, wenn dem auf Zustimmung in Anspruch genommenen Ehepartner im Gegenzug ein Ausgleichsanspruch entstünde, weil sein Einkommen durch die gemeinsame Veranlagung nach einer Lohnsteuerklasse besteuert würde, die sich im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstiger auswirkt (sogenannter dolo agit-Einwand: Arglistig handelt, wer etwas verlangt, das er augenblicklich zurückgeben muss).

Dieser Argumentation ist der Senat entgegengetreten. Aus dem Wesen der Ehe ergebe sich für beide Ehepartner die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung der eigenen Interessen möglich sei. Ein Ehepartner sei daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert werde und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde. Das gelte auch bei getrenntlebenden Ehepartnern, wenn noch eine Zusammenveranlagung für die Zeit des Zusammenlebens verlangt werde. Hingegen könne ein Ehepartner grundsätzlich nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Mehrbetrag ersetzt verlangen, den er zuvor nach der im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V mehr gezahlt hat. Denn der ehelichen Lebensgemeinschaft liege die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehepartner gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrbelastungen auszugleichen. Es bedürfe deshalb einer besonderen Vereinbarung, wenn sich ein Ehepartner die Rückforderung der mit der Wahl der Steuerklasse V verbundenen steuerlichen Mehrbelastung für den Fall der Trennung vorbehalten will. Eine solche Vereinbarung sei in dem entschiedenen Fall nicht ersichtlich gewesen. Deshalb habe die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht von einem Ausgleich der im Falle der gemeinsamen Veranlagung bestehen bleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden können. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

(OLG Koblenz, Pressemitteilung vom 14.1.2020 zu Beschluss vom 12.6.2019 – 13 UF 617/18)