Bei Forderungsverlusten aus einer mittelbaren GmbH-Beteiligung ist auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen

Hält eine GmbH mittelbar über eine vermögensverwaltende KG GmbH-Beteiligungen, ist für die Ermittlung der für die Überschreitung der in § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG enthaltenen Schädlichkeitsgrenze von 25% zur Berücksichtigung von Forderungsverlusten auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen. Dies hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin, eine GmbH, war zu 2,02% an einer vermögensverwaltenden KG beteiligt, die ihrerseits 100%ige Beteiligungen an zwei weiteren GmbHs hielt. Diesen hatte die KG Darlehen gewährt, die wegen Insolvenz uneinbringlich wurden. Die anteilig auf die Klägerin entfallenden Forderungsverluste erkannte das Finanzamt unter Verweis auf § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht an. Für die 25%-Grenze sei auf die KG als darlehensgewährende Alleingesellschafterin und nicht auf die mittelbare Beteiligungsquote der Klägerin abzustellen.

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Der Klägerin könne der Abzug der Forderungsabschreibungen nicht nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG versagt werden. Nach dieser Vorschrift sind Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung nicht abziehbar, wenn das Darlehen von einem zu mehr als einem Viertel an der Körperschaft beteiligten Gesellschafter gewährt wird. Die Klägerin habe, so der Senat, die Beteiligungsquote von 25% nicht erreicht, da sie an den beiden Beteiligungsgesellschaften nur zu 2,02 % beteiligt gewesen sei. Die Klägerin sei als Gesellschafterin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, weil über vermögensverwaltende Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen als unmittelbare Beteiligungen anzusehen seien. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass die Personengesellschaft nicht selbst Schuldnerin der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sei.

Dass auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen sei, ergebe sich zudem daraus, dass § 8b Abs. 3 KStG Regelungen zur Ermittlung des Einkommens von Körperschaften enthalte. Daher könne Darlehensgeber im Sinne des Satzes 4 nur eine (mittelbar oder unmittelbar beteiligte) Körperschaft, nicht aber eine zwischengeschaltete Personengesellschaft sein.

Ein anders Ergebnis folge auch nicht aus § 8b Abs. 6 KStG, der eine entsprechende Anordnung der vorigen Absätze auf Mitunternehmerschaften anordne, denn bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft handele es sich gerade nicht um eine Mitunternehmerschaft. Die KG sei schließlich auch nicht als eine der Klägerin nahestehende Person anzusehen, da die Klägerin nur zu 2,02 % und damit nicht – wie von § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG gefordert – zu mehr als einem Viertel beteiligt war.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 21/22 anhängig.

FG Münster, Mitteilung vom 15.06.2022 zum Urteil 13 K 3550/19 vom 06.04.2022 (nrkr – BFH-Az.: I R 21/22)

BRAK hält Zinsschranke zur Bemessung des zu versteuernden Einkommens für verfassungswidrig

Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu einem Vorlageverfahren Stellung genommen, das die sog. Zinsschranke bei der Bemessung des der Einkommensteuer unterfallenden Einkommens betrifft. Die entsprechende Regelung in § 4h EStG hält die BRAK für verfassungswidrig.

Dem beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren liegt ein Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH, I R 20/15) aus dem Jahr 2015 zugrunde. Gegenstand des dortigen Verfahrens ist die in § 4h EStG in der für die Steuerjahre 2008 und 2009 geltenden Fassung geregelte sog. Zinsschranke. Diese bewirkt, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, das die Grundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet, Zinsaufwendungen nur eingeschränkt als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Zum einen können Zinsaufwendungen nur insoweit abgezogen werden, als im Veranlagungszeitraum Zinserträge erzielt wurden; zum anderen wird ein danach abzugsfähiger positiver Zinssaldo nur in Höhe von 30 % des Gewinns als Betriebsausgabe berücksichtigt.

Nach Ansicht des BFH verstößt das durch die Zinsschranke ausgelöste Abzugsverbot für Zinsaufwendungen gegen Art. 3 I GG, weil die Zinsabzugsbeschränkung ergebnisabhängig sei und damit das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragssteuerrechts bzw. des Körperschaftssteuerrechts nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verletze. Die Leistungsfähigkeit beurteile sich nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip. Ersteres gebiete, dass nur Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben Gegenstand der Einkommensbesteuerung sein dürfen; zweiteres verhindere die Besteuerung des Existenzminimums. Die Zinsschranke durchbreche das objektive Nettoprinzip, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gebe. Die vom Gesetzgeber angeführten Argumente, u.a. Verhinderung von missbräuchlichen Steuergestaltungen, Gegenfinanzierung von Steuerentlastungen und Investitionsanreize, rechtfertigen aus Sicht des BFH die Beschränkung nicht.

Die BRAK hält die Vorlage des BFH für begründet. In ihrer Stellungnahme setzt sie sich eingehend damit auseinander, ob die vom Gesetzgeber angeführten Gründe hinreichend gewichtig sind, um eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Die Regelungen in § 4h EStG 2009 verstoßen auch aus Sicht der BRAK gegen Art. 3 I GG. Sie weist allerdings darauf hin, dass die Ausgestaltung der Zinsschranke inzwischen weitgehend unionsrechtlich determiniert ist und dass daher die Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Prüfung der konkreten Regelungen zur Zinsschranke in den Jahren 2008 und 2009 für die künftige steuerrechtliche Ausgestaltung dieses Lebenssachverhalts kaum von Bedeutung seien.

BRAK, Mitteilung vom 15.06.2022

BMF-Schreiben: Einzelfragen zur Abgeltungsteuer

In den Entscheidungen

  • BFH-Urteile vom 1. Juli 2021 – VIII R 9/19, VIII R 28/19, VIII R 6/20, VIII R 19/20 und VIII R 27/20 (Kapitalmaßnahme Hewlett-Packard Company – USA)

  • BFH-Urteil vom 1. Juli 2021 – VIII R 15/20 (Kapitalmaßnahme eBay Inc. – USA)

  • BFH-Urteil vom 19. Oktober 2021 – VIII R 7/20 (Kapitalmaßnahme Kraft Foods Inc. – USA)

legt der BFH den Begriff der „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG typusorientiert aus. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich. Entscheidend sei bei einer „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.

Nach den Feststellungen des BFH liegen für die oben genannten Kapitalmaßnahmen die Voraussetzungen für eine „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG vor. Hiernach ist § 20 Absatz 4a Satz 1 und 2 EStG entsprechend anzuwenden. Dabei treten die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Da die „alten“ Anteile im Falle einer Abspaltung – anders als bspw. bei einem Anteilstausch im Rahmen einer Verschmelzung nicht untergehen, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die „alten“ und „jungen“ Anteile aufzuteilen. Hierbei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abspaltung abzustellen. Es bestehen keine Bedenken, die Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Schlusskurse der „alten“ und „jungen“ Anteile am ersten Handelstag nach der Abspaltung vorzunehmen. Ein möglicher Bestandsschutz der „alten“ Anteile, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, geht auf die „jungen“ Anteile über.

Die depotführenden Stellen buchten für die „jungen“ Anteile die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Abwicklung der vorgenannten Kapitalmaßnahmen Folgendes:

Die Urteilsgrundsätze des BFH sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und führen zu einer Minderung des bisher angesetzten steuerpflichtigen Kapitalertrags.

Von Seiten der depotführenden Stellen ist in diesem Zusammenhang nichts Weiteres zu veranlassen. Insbesondere erfolgt weder bei den „alten“ noch bei den „jungen“ Anteilen eine Korrektur der Anschaffungsdaten. § 43a Absatz 3 Satz 7 und § 20 Absatz 3a EStG sind nicht anzuwenden.

Die Folgewirkungen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung sind ausschließlich im Rahmen der Veranlagung der betroffenen Anleger zu beachten.

Die Prüfung und ggf. Erstattung der anlässlich der Kapitalmaßnahme einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgt gemäß § 32d Absatz 4 und 6 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch das zuständige Wohnsitzfinanzamt, sofern der Einkommensteuerbescheid des betreffenden Veranlagungszeitraums noch nicht bestandskräftig geworden ist. Bei einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid kann eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht mehr erfolgen.

Für die Besteuerung bei der Veräußerung der Anteile sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

I. Erwerb der „alten“ Anteile vor dem 1. Januar 2009 (Fallgruppe 1)

Sofern die „alten“ Anteile vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, unterliegen sowohl die „alten“ Anteile als auch die „jungen“ Anteile der Bestandsschutzregelung des § 52 Absatz 28 Satz 11 EStG.

Der im Rahmen der Veräußerung der „jungen“ Anteile erzielte Gewinn unterliegt grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug, da die Anteile im Zeitpunkt der Einbuchung von den depotführenden Stellen als Neuanteile (Erwerb nach dem 31. Dezember 2008) behandelt wurden.

Der Gewinn aus der Veräußerung der „jungen“ Anteile ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 32d Absatz 4 EStG im Rahmen der Veranlagung zu korrigieren. Im Falle eines im Steuerabzugsverfahren berücksichtigten Veräußerungsverlustes besteht eine Veranlagungspflicht nach § 32d Absatz 3 EStG.

II. Erwerb der ursprünglichen Anteile nach dem 31. Dezember 2008 (Fallgruppe 2)

Sofern die „alten“ Anteile nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft wurden, sind die Anschaffungskosten der „alten“ Anteile zum Zeitpunkt der Abspaltung auf die „alten“ und „jungen“ Anteile aufzuteilen (s. o.). Die auf Ebene der depotführenden Stellen vorhandenen Anschaffungskosten sind dementsprechend zu hoch, da sich die Verpflichtung zur Aufteilung der Anschaffungskosten erst aus der Beurteilung des BFH ergibt, dass es sich bei den Kapitalmaßnahmen um steuerneutrale Abspaltungen handelte. Die korrekten Gewinne aus der späteren Veräußerung der „alten“ und der „jungen“ Anteile können daher nur unter Berücksichtigung der korrigierten Anschaffungskosten im Rahmen der Veranlagung zutreffend berechnet werden, § 20 Absatz 4 Satz 1 EStG. Der Steuereinbehalt auf den Veräußerungsgewinn durch die depotführende Stelle (§§ 44 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit 43 Absatz 1 Satz 1

Nummer 9 EStG) ist nach § 32d Absatz 3 bzw. 4 EStG entsprechend zu korrigieren.

Soweit die Anteile nach der Abspaltung bereits veräußert wurden, sind die betroffenen Einkommensteuerbescheide zu korrigieren, soweit dies verfahrensrechtlich noch möglich ist.

III. Vereinfachungsregelungen

a) Jahr der Kapitalmaßnahme ist bestandskräftig veranlagt; Anteile sind noch nicht veräußert

Kann die Besteuerung für das Jahr der Kapitalmaßnahme aus verfahrensrechtlichen Gründen (z. B. Bestandskraft der Steuerfestsetzung) nicht mehr korrigiert werden, kann aus Billigkeitsgründen eine Korrektur der Gewinne aus der Veräußerung der „alten“ und „jungen“ Anteile in der Fallgruppe 2 unterbleiben, da in der Gesamtschau eine zutreffende (Gesamt-)Besteuerung vorliegt.

b) Jahr der Kapitalmaßnahme ist offen; Anteile sind bereits veräußert

Wurden in der Fallgruppe 2 bereits sämtliche „alten“ und „jungen“ Anteile veräußert, bestehen keine Bedenken, von einer Korrektur der bisher angesetzten Gewinne aus der Veräußerung der „alten“ und „jungen“ Anteile abzusehen, sofern der Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid des Veranlagungszeitraums, in dem die „jungen“ Anteile eingebucht wurden, zurückgenommen wird.

Unabhängig von den vorangestellten Billigkeitsregelungen kann hinsichtlich der dargestellten Fallgruppen 1 und 2 aus Vereinfachungsgründen eine Korrektur unterbleiben, wenn die bisher angesetzte Sachausschüttung im Zeitpunkt der Einbuchung der „jungen“ Anteile nicht mehr als 500 € beträgt.

Nach der BFH-Entscheidung VIII R 7/20 vom 19. Oktober 2021 fallen Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung im Sinne des § 123 Absatz 2 UmwG vergleichbar sind, bis zum Inkrafttreten des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 20 Absatz 4a Satz 1 EStG.

Die vorgenannten Grundsätze sind daher für die Abwicklung in vergleichbaren Altfällen entsprechend anzuwenden.

Zur Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze auf Abspaltungen im Sinne des § 15 UmwStG, vgl. das BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022 (BStBl I S. 842).

Das BMF-Schreiben vom 20. März 2017 (BStBl I S. 431) ist nicht mehr anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Stromsteuerentlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten als unzulässige Beihilfe

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erstmals entschieden, dass Unternehmen in Schwierigkeiten keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden kann.

Im Streitfall wies die Klägerin in ihrer Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre Anträge auf Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 StromStG lehnte das HZA mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sogenanntes Unternehmen in Schwierigkeiten sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH entschied, dass die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG aufgrund ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen sind und als solche dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unterliegen. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergibt sich auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen. Im Kern ging es im Streitfall um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Hierzu traf der BFH zwei wesentliche Aussagen: Erstens stellt die AGVO bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO konkret auf die einzelne GmbH ab, welche die Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund. Zweitens kommt es auf eine positive Fortführungsprognose nicht an, weil eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen ist. Dem Unionsgesetzgeber kam es gerade darauf an, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.

BFH, Pressemitteilung vom 9.6.2022 zu Urteil vom 19.1.2022, VII R 28/19

Steuerliche Behandlung von Beiträgen an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass eine Erhöhung des steuerpflichtigen Arbeitslohns um überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer umhüllenden öffentlich-rechtlichen Pensionskasse rechtmäßig und die von der Finanzverwaltung vorgenommene Schätzung des obligatorischen Anteils der Beiträge zur Schweizer Pensionskasse sachgerecht ist. Das Finanzgericht Baden-Württemberg ließ die Revision zu.

Die Klägerin wohnt im Inland. Sie arbeitet an einer Schule in der Schweiz und wird in Deutschland als sog. Grenzgängerin besteuert. Mit Tätigkeitsbeginn im Februar 2005 wurde sie in die Pensionskasse, eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt eines Schweizer Kantons (PK), aufgenommen. Die PK gilt als vollkapitalisiert. Sie ist im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen. Die PK führt die obligatorische berufliche Vorsorge durch und erbringt auch überobligatorische Leistungen. Nach dem Reglement der PK werden die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern jeweils zu leistenden Beiträge in Prozenten der beitragspflichtigen Besoldung bemessen.

Die Klägerin erklärte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2016 bis 2018 Beiträge zur beruflichen Vorsorge. Den obligatorischen Anteil der Beiträge berechnete sie, indem sie die im Reglement zur Bemessung der Beiträge festgelegten Prozentsätze auf den sog. koordinierten Lohn nach dem Schweizer Gesetz über die berufliche Vorsorge, dem BVG, anwandte. Das beklagte Finanzamt folgte dieser Berechnung nicht. Es sah als obligatorischen Anteil der Beiträge die auf den koordinierten Lohn zu leistenden Altersgutschriften nach dem BVG, Risikobeiträge in Höhe von 1 % des koordinierten Lohns, Sanierungs- und Verwaltungskostenbeiträge an.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, wies die Klage ab.

Zum Arbeitslohn gehörten auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer mit der Beitragszahlung durch den Arbeitgeber einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Leistung erlange – so im Streitfall nach dem Reglement der PK. Zu den als Arbeitslohn anzusetzenden Beiträgen gehörten neben den Sparbeiträgen auch die vom Arbeitgeber geschuldeten Risikobeiträge, Verwaltungskosten und Sanierungsbeiträge. Die überobligatorischen Beiträge seien steuerpflichtig. Die Aufteilung der Arbeitgeberbeiträge in obligatorische und überobligatorische Beiträge erfolge im Wege der Schätzung. Die Finanzbehörde sei zur Schätzung berechtigt, soweit sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen könne. Im Streitfall gehe es um Beiträge zu einer umhüllenden Vorsorgeeinrichtung. Eine solche lege in ihren Reglementen einheitliche Beiträge und Leistungen fest, die den gesamten obligatorischen und überobligatorischen Bereich umfassten. Die Festlegung der Beitragshöhe sei im Wesentlichen der Vorsorgeeinrichtung überlassen. „Eine mathematisch korrekte Aufschlüsselung der Beiträge in obligatorische und überobligatorische Beiträge“ sei nach dem Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) nicht möglich. Eine Bescheinigung der PK über die Höhe der obligatorischen Beiträge liege nicht vor. Die Schätzung des Finanzamts sei sachgerecht. Sie orientiere sich an der Empfehlung des BSV und der Fachmitteilung Nr. 105 des Schweizer Pensionskassenverbands (ASIP).

Hinsichtlich der Sparbeiträge sei es sachgerecht, diese unter Rückgriff auf die Altersgutschriften nach dem BVG aufzuteilen. Reglementarische Beiträge in Höhe der Altersgutschriften nach dem BVG seien als obligatorische Beiträge anzusehen. Insoweit dienten sie nach Schweizer Recht dem Aufbau des BVG-Altersguthabens. Bei den darüberhinausgehenden Sparbeiträgen handle es sich um überobligatorische Beiträge. Eine gesetzliche Regelung zu den im Umlageverfahren erhobenen Risikobeiträgen fehle. Insoweit werde den Einschätzungen des BSV und ASIP gefolgt. Die Behandlung der gesamten Verwaltungskosten und Sanierungsbeiträge als obligatorische Beiträge erachtete der 3. Senat im Hinblick auf die für die Berechnung der reglementarischen Altersrenten maßgeblichen und gegenüber dem BVG Umwandlungssatz regelmäßig niedrigeren reglementarischen Umwandlungssätze als sachgerecht. Die als Arbeitslohn behandelten überobligatorischen Beiträge zur PK seien nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Insoweit handle es sich nicht um ein mit der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbares Rechtsverhältnis. Die überobligatorischen Leistungen würden neben der gesetzlichen Versorgung geleistet. Die PK lasse eine Kapitalisierung von Ansprüchen zu. Der Senat sah keinen tragfähigen Grund für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Schweizer Vorsorgeeinrichtungen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Pressemitteilung Nr. 2/2022 vom 7.6.2022 zu Urteil vom 18. November 2021 (3 K 1213/20)

Kindergeld: Ermittlung des Lebensbedarfs eines behinderten Kindes

Kindergeld wird einem Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen sei. Das Finanzgericht setzte sich außerdem mit verfahrensrechtlichen Fragen, dem Bekanntgabezeitpunkt bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters und der von der beklagten Familienkasse angewandten Änderungsnorm, auseinander. Es ließ die Revision beim Bundesfinanzhof zu.

Die beklagte Familienkasse hatte für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Sie hob diese Festsetzung mit Bescheiden vom März 2021 auf. Der Kindsvater machte geltend, es gebe keine Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kinds fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden. Die abweisende Einspruchsentscheidung datiert vom 28. Juli 2021, der Absendevermerk vom 29. Juli 2021. Die Familienkasse schilderte die interne Organisation der Postaufgabe unter Einschaltung eines privaten Postdienstleisters. Nach den Angaben des Vertreters des Klägers ging ihm die Einspruchsentscheidung am 3. August 2021 zu. Seine Klage vom 3. September 2021 sei fristgemäß.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Ein Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an die Postausgangsstelle weiterleite, reiche nicht aus. Erforderlich sei ein Absendevermerk der Poststelle. Die Schilderungen der organisatorischen Abwicklung lasse zwar auf eine Postaufgabe am 29. Juli 2021 schließen. Die Zugangsfiktion am dritten Tag sei jedoch erschüttert. Der Verfahrensablauf des Postdienstleisters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3. August 2022 möglich und die Klage zulässig.

Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es nicht gegeben. Die Familienkasse habe bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Rente des Kinds gehabt. Der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid sei daher rechtswidrig.

Außerdem sei der Kläger kindergeldberechtigt. Sein Kind sei nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Es sei „(neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen“. Es komme auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Laufende oder einmalige Geldzuwendungen von Eltern seien unschädliches Kindesvermögen. Es dürfe keinen Unterschied machen, wie das Kind das ererbte Vermögen verwende, ob es die geerbten Mittel abhebe oder mit diesen eine private Lebensversicherung abschließe und die Rente zum Lebensunterhalt einsetze. Nichts Anderes gelte, wenn das Kind den von der Mutter geerbten Geldbetrag vor Abschluss der privaten Rentenversicherung um (im Verhältnis zum geerbten Vermögen geringe) eigene Mittel aufstocke. Die monatlichen Rentenzahlungen stellten, soweit sie deren steuerpflichtigen Ertragsanteil überstiegen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kinds deckten damit dessen existenziellen Lebensbedarf nicht. Die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit scheide aufgrund der Behinderung aus. Werde der Aufhebungsbescheid vom 10. März 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben, lebe die Kindergeldfestsetzung wieder auf.

FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 07.06.2022 zum Urteil 1 K 2137/21 vom 14.04.2022

2,5 Millionen Steuerpflichtige zahlen Solidaritätszuschlag

Die durch den Solidaritätszuschlag erzielten Steuereinnahmen betrugen im Jahr 2020 18,676 Milliarden Euro und im Jahr 2021 11,028 Milliarden Euro. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/1969) auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/664) mit. Wie es in der Antwort weiter heißt, werden aufgrund des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 im Jahr 2022 noch rund 2,5 Millionen Steuerpflichtige mit Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer belastet sein, die meisten davon aufgrund von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (1,9 Millionen).

Trotz des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlages müssen auch Kleinanleger und Sparer den Zuschlag zahlen, obwohl dieser bei entsprechenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht hätte bezahlt werden müssen. Wie die Bundesregierung erläutert, haben Banken keine Kenntnis über die Höhe des zu versteuernden Einkommens ihrer Kunden. Daher würden die Banken in jedem Fall die Abgeltungssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von ihren Kunden einbehalten, wenn die Kapitalerträge den Sparerpauschbetrag übersteigen. Eine Überprüfung und Erstattung des gegebenenfalls zu viel einbehaltenen Solidaritätszuschlags sei jedoch mit der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung und der Günstigerprüfung möglich.

Weiterhin weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Freigrenze nach Paragraph 3 Absatz 3 Solidaritätszuschlaggesetz 1995 nur für die Einkommensteuer gelte. Für die der Körperschaftsteuer unterliegenden juristischen Personen habe sich nichts geändert. Es gebe somit grundsätzlich keine juristischen Personen, die keinen Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftssteuer zahlen würden.

Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages sei nicht Teil des Koalitionsvertrages, wird weiter erläutert.

Bundestag, hib-Meldung 282/2022vom 02.06.2022

Einzelfragen zur Abgeltungsteuer; Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens

Nach Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 (BStBl I S. 85) wie folgt neu gefasst:

Inhaltsverzeichnis

I     Kapitalvermögen (§ 20 EStG)

II   Einkünfte aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nummer 3 EStG)/Private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG)

III  Gesonderter Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 32d EStG)

IV  Kapitalerträge mit Steuerabzug (§ 43 EStG)

V    Bemessung der Kapitalertragsteuer (§ 43a EStG)

VI   Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG)

VII  Abstandnahme vom Steuerabzug (§ 44a EStG)

VIII Erstattung der Kapitalertragsteuer in besonderen Fällen (§ 44b Absatz 1 und Absatz 5 EStG)

IX    Anmeldung und Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (§ 45a EStG)

X     Nicht besetzt

XI   Kapitalertragsteuerabzug bei beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 49 Absatz 1 Nummer 5 EStG)

XII   Anwendungsvorschriften zur Einführung einer Abgeltungsteuer (§ 52 EStG

XIII Anwendungsregelung, Nichtbeanstandungsregelungen und Fundstellennachweis

Das vollständige Schreiben steht hier auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums als Download (PDF) zur Verfügung.

Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 19.5.2022, IV C 1 – S 2252/19/10003 :009 (DOK 2022/0457871)

Fälligkeitserfordernis bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben

Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzen sogenannten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Ende des Kalenderjahres ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind.

Der Kläger ermittelte seinen gewerblichen Gewinn durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Er zahlte die Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli 2017 verspätet erst am 09.01.2018, machte die Zahlung dennoch als Betriebsausgabe für das Streitjahr 2017 geltend. Das Finanzamt (FA) gewährte den Abzug nicht. Es meinte, es lägen keine regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben im Sinne des EStG vor, da die betroffene Umsatzsteuer nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weitaus früher fällig geworden sei. Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid hatten keinen Erfolg.

Der BFH wies die Revision zurück. Zwar handele es sich – so die Begründung – bei Umsatzsteuerzahlungen um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Der Kläger habe die dem Streitjahr 2017 wirtschaftlich zuzuordnende Umsatzsteuer auch innerhalb kurzer Zeit nach dem 31.12.2017 gezahlt. Hinzukommen müsse aber, dass die jeweilige Ausgabe auch kurze Zeit vor bzw. nach Ende Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sei. Dies folge aus dem Zweck der § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG, der eine Ausnahme des ansonsten für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden Zu- bzw. Abflussprinzips darstelle. Durch die Regelung sollten steuerliche Zufälligkeiten vermieden werden, die dann entstünden, würde man die Zahlung – je nach Zahlungszeitpunkt – mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen. Deswegen sei notwendig, dass die Zahlung auch innerhalb des mit zehn Tagen festgelegten kurzen Zeitraums rund um den Jahreswechsel zahlbar – das heißt fällig – geworden sei. Andernfalls könnten Nachzahlungen für bereits längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Zahlung unabhängigen Betriebsausgabenabzug führen. Eine solche Handhabung widerspräche dem grundsätzlich für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden Prinzips der Kassenrechnung.

BFH, Pressemitteilung vom 27.5.2022 zu Urteil vom 16.02.2022 – X R 2/21

Wegzugsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz (AStG)

Die Vorschrift zur „Wegzugsbesteuerung“ bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Ein Vater übertrug auf seinen in den USA ansässigen Sohn einen Anteil an einer deutschen GmbH, deren Vermögen überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen bestand. Zeitnah übertrug er auch Anteile auf seine Ehefrau.

Das Finanzamt und das Finanzgericht behandelten die Übertragungen als teilentgeltliche Erwerbe. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf den Sohn waren sie der Auffassung, die Voraussetzungen für eine „Wegzugsbesteuerung“ seien erfüllt.

Dies hat der BFH jetzt bestätigt und ausgeführt, der Gesetzgeber habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er trotz der Reform des Außensteuergesetzes auch weiterhin Fälle in die „Wegzugsbesteuerung“ habe einbeziehen wollen, in denen es nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an Veräußerungsgewinnen komme. Eine entsprechende einengende Auslegung sei auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, denn es habe im Streitfall die den sofortigen Besteuerungszugriff rechtfertigende abstrakte Gefahr bestanden, dass die GmbH – etwa durch Umschichtung ihres Vermögens – ihren Charakter als Immobiliengesellschaft verlieren könnte, ohne dass hieran eine Besteuerung in Deutschland geknüpft wäre. Eine Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit scheide aus, da sich bezogen auf Schenkungen seit dem maßgebenden Stichtag (31.12.1993) keine wesentliche Änderung der Rechtslage ergeben habe.

BFH, Pressemitteilung vom 27.5.2022 zu Urteil vom 08.12.2021 – I R 30/19