Ermessensfehler bei Ablehnung einer Stundung

Die Ablehnung einer Stundung ist ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht (hier: Bezug von Leistungen zur Grundsicherung).

Der Umstand, dass ein Antragsteller im Kindergeldverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um die Stundungswürdigkeit des Antragstellers zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten.

Sachverhalt

Die als Arbeitnehmerin beschäftigte Klägerin hatte für ihre beiden Kinder S und T Kindergeld bezogen, das sie in Höhe eines Teilbetrages von 1.296 Euro zurückzahlen musste. Für die Rückforderung war der Inkasso-Service der Familienkasse zuständig, bei dem die Klägerin einen Stundungsantrag stellte. Der Inkasso-Service lehnte den Stundungsantrag ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Die beklagte Familienkasse war der Auffassung, dass die Rückforderung auf einer Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin beruhe. Sie habe nicht rechtzeitig das Ende der Ausbildung ihres Kindes S mitgeteilt. Daher sei es zur Überzahlung von Kindergeld gekommen. Die Klägerin habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Erlassbedürftigkeit sei auch nicht anzunehmen. Die Klägerin beziehe Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und sei durch die Pfändungsfreigrenzen geschützt. Ihr Existenzminimum sei gesichert und vor Vollstreckungseingriffen geschützt. Vorliegend könne im Rahmen einer Interessenabwägung weder eine Stundungswürdigkeit noch eine Stundungsbedürftigkeit angenommen werden.

Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Sie habe weder ihre Mitwirkungspflichten verletzt noch sei sie derzeit in der Lage, die Rückstände auf einmal oder in Raten zu begleichen. Derzeit müsse sie an fünf Gläubiger 375 Euro monatlich bezahlen sowie einen Dispo-Kredit mit monatlich 80 Euro zurückführen. Ab 1. Januar 2020 könne sie mit den bestehenden Gläubigern kleinere Ratenzahlungen vereinbaren. Bis dahin hätten sich ihre Schulden an diese verringert und sie könnte dann die Familienkasse bedienen.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht hob die Ablehnungsentscheidung über die Stundung auf und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Fehlerhafte Tatsachenannahmen führen zu einer Ermessensunterschreitung

Die Beklagte habe die gesetzlich gezogenen Grenzen ihres Ermessens bei ihrer Stundungsentscheidung nach § 222 der Abgabenordnung (AO) infolge einer Ermessensunterschreitung nicht eingehalten. Die Beklagte unterschreite ihr Ermessen, wenn sie von fehlerhaften Tatsachen ausgehe. Die Klägerin habe entgegen den Ausführungen der Beklagten keine Leistungen zur Grundsicherung bezogen. Infolgedessen sei eine Einziehung der Forderung möglich und könne eine erhebliche Härte für die Klägerin bedeuten. Die Einziehung könne dazu führen, dass die Klägerin die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen bis Ende 2019 nicht mehr erfüllen könne. Der Anspruch erscheine durch eine Stundung auch nicht dauerhaft gefährdet, da der Klägerin ab 1. Januar 2020 nach Tilgung anderweitiger Verbindlichkeiten Mittel zur Rückzahlung von Kindergeld zur Verfügung stehen würden.

Keine hinreichende Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck der Stundung

Berücksichtige die Beklagte diese Umstände im Einzelfall nicht, setze sie sich nicht hinreichend mit dem Sinn und Zweck der Norm § 222 AO auseinander. Eine Stundung diene dazu, den Einzug der Forderung zeitweilig, aber nicht dauerhaft hinauszuschieben. Im Streitfall liege kein Fall dauerhafter Zahlungsungsfähigkeit vor.

Prüfung der Stundungswürdigkeit und Stundungsbedürftigkeit auch bei einer möglichen Verletzung der Mitwirkungspflicht

Persönliche Stundungsgründe könnten vorliegen, da eine Stundung die wirtschaftliche Existenz der Klägerin ermöglichen könne. Die Beklagte stelle ausschließlich darauf ab, dass die Klägerin das Ausbildungsende des Kinds nicht rechtzeitig mitgeteilt habe und es dadurch zu einer Rückforderung gekommen sei, die sich anhand des geführten Schriftwechsels nachvollziehen lasse. Dies reiche jedoch nicht aus, um die Stundungswürdigkeit zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten. Im Streitfall komme hinzu, dass nach Aktenlage nicht ausgeschlossen sei, dass bei Mitteilung des Ausbildungsbeginns das Ausbildungsende erkennbar gewesen sei und infolgedessen die für die Festsetzung des Kindergelds zuständige Familienkasse schon früher nach dem Ausbildungsende hätte nachfragen können bzw. in Kenntnis des voraussichtlichen Endes Kindergeld möglicherweise zu Unrecht weiterbezahlt habe.

Das Urteil ist rechtskräftig.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 23.01.2020 zu Urteil vom 18.09.2019 – 12 K 234/19)

Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer

Der Solidaritätszuschlag war im Jahre 2011 verfassungsgemäß. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Die Kläger erzielten im Jahre 2011 Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit und in geringem Umfange aus Gewerbebetrieb, für die Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag festgesetzt wurden. Sie begehrten, aus Gründen der Gleichbehandlung den Solidaritätszuschlag für ihre gesamten Einkünfte so zu berechnen, als handele es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In diesem Falle wäre nämlich Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet worden und der Solidaritätszuschlag wäre im Ergebnis geringer ausgefallen.

Der BFH hat die Erhebung des Solidaritätszuschlages im Jahre 2011 für verfassungsgemäß erachtet. Er hat auch die geringere Belastung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb beim Solidaritätszuschlag mit Blick auf deren typische Gesamtbelastung durch Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer nicht beanstandet.

Die Entscheidung misst dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Erhebung der Ergänzungsabgabe sowie seiner Typisierungsbefugnis für deren Ausgestaltung maßgebende Bedeutung zu.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 3 vom 23.1.2020 zu Urteil vom 14.11.2018 – II R 63/15)

Italienisches Erbe und die Entstehung der deutschen Erbschaftsteuer

Eine nach italienischem Recht notwendige Annahme einer Erbschaft stellt keine aufschiebende Bedingung für die nach deutschem Recht entstehende Steuer für auf den Erwerb von Todes wegen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers dar. Dies hat das Hessische Finanzgericht entschieden.

Geklagt hatte eine Erbin, welche nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nachdem ihr Vater im Ausland verstorben war, wurde sie durch Annahme der Erbschaft Miterbin. Zum Todeszeitpunkt hatte sie einen deutschen Wohnsitz. Als sie – einige Monate später – die Annahme der Erbschaft erklärte, hatte sie ihren inländischen Wohnsitz aufgegeben und war ins Ausland verzogen.

Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Immobilien im Ausland sowie Guthaben und Wertpapieren bei ausländischen Banken.

Die Klägerin teilte dies dem Finanzamt mit, vertrat aber die Auffassung, das Erbe unterfalle nicht der deutschen Erbschaftsteuer, da das italienische Recht nicht vorsehe, dass eine Erbschaft automatisch dem gesetzlichen Erben zufalle, sondern eine ausdrückliche Annahme der Erbschaft notwendig sei.

Das Finanzamt besteuerte die Erbschaft mit dem Argument, dass die Klägerin unbeschränkt steuerpflichtig sei, weil sie zum Todestag einen Wohnsitz im Inland gehabt habe und damit der inländischen Steuerpflicht unterliege. Der Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft nach italienischem Recht spiele daher keine Rolle.

Das Hessische Finanzgericht gab der Klage teilweise statt. So müsse die von der Klägerin zu zahlende Erbschaftsteuer nach italienischem Recht auf die festzusetzende Steuer in Deutschland angerechnet werden.

Im Übrigen aber sei die Festsetzung der Steuer rechtmäßig gewesen.

Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Steuerentstehung ihren Wohnsitz in Deutschland hatte, gelte das deutsche Erbschaftsteuerrecht.

Der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb durch Erbanfall als Erwerb von Todes wegen. Auch ein nach ausländischem Recht erfolgter vergleichbarer Erwerb von Todes wegen unterliegt der deutschen Erbschaftsteuer, wenn der Erbe zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer ist. Dies ist der Fall, wenn er einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Im vorliegend entschiedenen Fall hatte die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen Wohnsitz im Inland. Es spielt keine Rolle, dass sie nach dem italienischen Recht erst die Erbschaft annehmen musste, um Erbin zu werden. Der Zeitpunkt des Entstehens der Steuer wird dadurch nach deutschem Recht auch nicht hinausgeschoben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. II R 39/19 anhängig.

Hessisches Finanzgericht, Pressemitteilung vom 16.01.2020 zu Urteil vom 22.08.2019 – 10 K 1539/17; BFH-Az. II R 39/19)

Untergang von Gewerbeverlusten bei Betriebsverpachtung

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass gewerbesteuerliche Verlustvorträge bei der Verpachtung des Betriebs einer gewerblich geprägten Personengesellschaft untergehen können. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Kürzung des Gewerbeertrags um Verluste aus früheren Jahren u.a. die sog. Unternehmensidentität voraus. Danach muss der Gewerbetrieb, in dem die Verluste entstanden sind, mit dem Gewerbebetrieb identisch sein, der den Abzug der Verluste begehrt. Dies hängt davon ab, ob die tatsächlich ausgeübte Betätigung die gleiche geblieben ist. Ist dies nicht der Fall, geht der Verlustvortrag unter.

Im jetzt entschiedenen Fall hatte sich eine Unternehmensgruppe umstrukturiert, was für die zu beurteilende gewerblich geprägte KG bedeutete, dass sie in einem Zwischenschritt ihren Betrieb an eine andere Gesellschaft der Unternehmensgruppe verpachtete. Nach einem Jahr wurde der Pachtvertrag wieder aufgehoben, die bisherige Pächterin erwarb Teile des Betriebsvermögens von der Personengesellschaft und mietete nur noch das Betriebsgrundstück an. Das Finanzamt war der Meinung, dass der bisherige Betrieb mit Übergang zur Verpachtung jedenfalls gewerbesteuerlich beendet worden sei. Bisherige Verlustvorträge seien damit entfallen und könnten nicht mit späteren Gewinnen verrechnet werden. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Vor dem BFH hatte das Urteil der Vorinstanz jedoch keinen Bestand. Der BFH verwies die Sache an FG zurück. Er führte aus, dass es – entgegen der Auffassung des FG – nicht ausreicht, wenn der Gewerbebetrieb im Anrechnungsjahr wieder mit dem des Verlustentstehungsjahrs identisch ist, in der Zwischenzeit aber die werbende Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen oder eine andersartige werbende Tätigkeit ausgeübt wurde. Vielmehr muss die Unternehmensidentität ununterbrochen bestanden haben. Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, dass es mit der Verpachtung zu einer Betriebsaufspaltung gekommen sei, habe die Unternehmensidentität von der Verpachtung an für die Dauer der personellen und sachlichen Verflechtung fortbestanden.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 4 vom 30.1.2020 zu Urteil vom 30.10.2019 – IV R 59/16)

Offenbare Unrichtigkeit bei Eintrag von Verpflegungsmehraufwendungen in ein falsches Eingabefeld

Hat der Steuerpflichtige im amtlichen Einkommensteuervordruck der Anlage N 2012 und der Anlage N 2013 die Verpflegungsmehraufwendungen falsch eingetragen, wodurch die Minderung der Werbungskosten um die ebenfalls falsch eingetragenen steuerfreien Arbeitgeberleistungen unterblieb, so spricht der Umstand, dass der Fehler vom Finanzamt trotz Prüfhinweis zunächst unbemerkt blieb und auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit.

Der Kläger hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 unter anderem nichtselbständige Einkünfte als Busfahrer. Hierfür machte er durch Auswärtstätigkeiten entstandene Verpflegungsmehraufwendungen von 2.424 Euro (2012) und 3.652 Euro (2013) als Werbungskosten geltend. Vom Arbeitgeber hatte er steuerfreie Verpflegungszuschüsse von 1.751 Euro (2012) und 2.426 Euro (2013) erhalten, die dem beklagten Finanzamt (FA) vom Arbeitgeber in elektronischer Form mitgeteilt worden waren. Der Bevollmächtigte des Klägers übermittelte die Erklärungen zur Einkommensteuer (ESt) in elektronischer und ausgedruckter Form. Die Verpflegungsmehraufwendungen erklärte er aber nicht in den dafür vorgesehenen Zeilen 52 bis 55 der Anlagen N, sondern fügte seinen Erklärungen gesondert erstellte Übersichten bei. Die darin errechneten Gesamtsummen der Verpflegungsmehraufwendungen von 2.424 Euro und 3.652 Euro trug er ebenfalls nicht in die dafür vorgesehene Zeile 55 (Kennziffer 480), sondern in die für „Fahrt und Übernachtungskosten, Reisenebenkosten …“ vorgesehene Zeile 50 (Kennziffer 410) ein. Die vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzten Beträge trug er nicht in die Zeile 51 (Kennziffer 420), sondern in Zeile 56 (Kennziffer 490) ein. Die nicht verwendeten Zeilen 51 bis 55 samt Kennziffern 420 und 480 wurden vom damaligen Programm unterdrückt. Der Sachbearbeiter des FA hakte in beiden Streitjahren die in den Kennziffern 490 eingetragenen steuerfreien Verpflegungszuschüsse von 1.751 bzw. 2.426 Euro ab. Die Verwendung der falschen Kennziffer für die geltend gemachten Werbungskosten bemerkte der Sachbearbeiter trotz eines programmtechnischen Prüfhinweises nicht. In den ESt-Bescheiden 2012 und 2013 wurden deshalb die Verpflegungsmehraufwendungen zunächst in voller Höhe – ohne Minderung um die steuerfrei ersetzten Beträge – als Werbungskosten berücksichtigt.

Aufgrund von Mitteilungen über gesondert festgestellte Einkünfte des Klägers änderte das FA die Einkommensteuer 2012 und 2013 zulasten des Klägers ab. Zwischenzeitlich war das EDV-Programm des FA bereits derart geändert worden, dass zunächst die in den Kennziffern 410 und 480 geltend gemachten Werbungskosten addiert und davon sowohl die in Kennziffer 420 als auch die in Kennziffer 490 eingetragenen Werte abgezogen wurden. Aufgrund dessen wurden nunmehr auch die nach wie vor gespeicherten Werte der Kennziffern 410 und 490 vom Programm in der Weise verarbeitet, dass die Werbungskosten jeweils um die Arbeitgeberzuschüsse gemindert und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend erhöht wurden.

Aus den Gründen:

Offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhaften Eintragungen in Computerprogrammen

Die Klage gegen die nach § 129 AO geänderten Bescheide wies das Finanzgericht ab. Nach ständiger Rechtsprechung könnten insbesondere Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung oder bei unmittelbaren Eingaben in Computerprogramme offenbare Unrichtigkeiten sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, bei Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder beim Übersehen notwendiger Eintragungen.

Der Eintrag von Verpflegungsmehraufwendungen in die Kennziffern für

Das sei hier der Fall. Der Kläger habe die Verpflegungsmehraufwendungen statt in die im amtlichen Formular dafür vorgesehene Kennziffer 480 falsch in die Kennziffer 410 eingetragen. Der Fehler sei offenbar, weil die Werbungskosten einerseits auf dem jeweiligen Beiblatt ausdrücklich als Verpflegungsmehraufwendungen bezeichnet waren und andererseits angesichts der Überschrift vor Zeile 52 „Pauschbeträge für Mehraufwendungen für Verpflegung“ kein Zweifel daran bestehen könne, dass sie deshalb in den nachfolgenden Zeilen einzutragen waren. Die Zeile 50 samt Kennziffer 410 sei ausdrücklich nur für „Fahrt- und Übernachtungskosten“ sowie „Reisenebenkosten“ vorgesehen gewesen. Was auch immer den steuerlich beratenen Kläger dazu bewogen habe, die Verpflegungsmehraufwendungen nicht in dem Feld für Verpflegungsmehraufwendungen einzutragen, rechtliche oder sachverhaltsbezogene Überlegungen, die zu dem Schluss geführt haben könnten, die fraglichen Aufwendungen seien keine Verpflegungsaufwendungen, seien es jedenfalls nicht gewesen. Nur solche rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen könnten aber einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO entgegenstehen. Im Übrigen habe der Kläger eingeräumt, dass „der Aufwand … nicht richtig erfasst“ worden sei.

Offenbare Unrichtigkeit trotz programmtechnisch unklarer Fehlerursache

Aber selbst wenn kein mechanischer Fehler des Klägers vorliegen sollte, liege jedenfalls ein mechanisches Versehen des FA vor. Die Finanzbehörde habe die fehlerhaften Eintragungen als eigene übernommen. Der Umstand, dass der Fehler vom FA zunächst unbemerkt blieb und nach Erhebung des Einspruchs auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, spreche nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Die Arbeitsweise des EDV-Programms müsse nicht offenbar sein, sondern könne – zur Erforschung der Ursache – Gegenstand von Untersuchungen sein. Entscheidend sei, dass nach Aktenlage für jeden unvoreingenommen Dritten klar gewesen sei, dass der Sachbearbeiter die Arbeitgeberzuschüsse berücksichtigen wollte, dies in den Bescheiden aber nicht umgesetzt wurde. Schließlich sei offensichtlich, dass der Fehler durch bloßes mechanisches Tun, nämlich entweder durch die Änderung der Programmierung, wie geschehen, oder aber, was jedenfalls entscheidend sei, durch bloße Änderung der verwendeten Kennziffern berichtigt werden konnte. Jedenfalls zu der letztgenannten Korrektur bedürfe es keiner tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen, sondern die Verpflegungsmehraufwendungen müssten schlicht in das dafür ausdrücklich vorgesehene Feld eingetragen werden.

Offenbare Unrichtigkeit trotz Prüfhinweis

Etwas Anderes ergebe sich nicht aufgrund der ergangenen Prüfhinweise. Das Übersehen eines Prüfhinweises oder eine besonders oberflächliche Behandlung des Steuerfalls durch die Behörde schließe unabhängig von Verschuldenserwägungen eine Berichtigung des Steuerbescheids nicht aus, solange die diesbezügliche Überprüfung nicht zu einer neuen Willensbildung des zuständigen Veranlagungsbeamten im Tatsachen- oder Rechtsbereich geführt habe. Bleibe ein Prüfhinweis unbeachtet, perpetuiere sich lediglich der Eingabefehler des Sachbearbeiters. Eine neue Willensbildung des Sachbearbeiters im Tatsachen- oder Rechtsbereich sei vorliegend nicht ersichtlich. Zwar hatte das Programm darauf hingewiesen, dass der steuerfreie Arbeitgeberzuschuss den zugehörigen Aufwand übersteige. Angesichts der nur in komprimierter Form vorliegenden Anlagen N (zudem mit vom amtlichen Formular abweichenden Überschriften) und ohne Kenntnis der zwingenden Zuordnung der Kennzahlenpaare 410/420 und 480/490 durch das EDV-Programm sei der Prüfhinweis für den Sachbearbeiter offenbar aber nicht verständlich gewesen (was ex ante durchaus nachvollziehbar sei).

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 23.01.2020 zu Urteil vom 14.12.2016 – 4 K 1870/16)

Doppelte Haushaltsführung: Was bedeutet „finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“?

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat – soweit ersichtlich – als erstes Finanzgericht zu dem mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 im Rahmen der Neuordnung des Reisekostenrechts neu eingefügten Satz 3 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes Stellung genommen.

Danach erfordert das Vorliegen eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte nunmehr neben dem bisherigen Merkmal „Innehaben einer Wohnung“ zusätzlich eine „finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ (des Haupthausstandes).

Diese Gesetzesverschärfung steht im Zusammenhang mit einer zuvor ergangenen bürgerfreundlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – und richtet sich ausweislich der Gesetzesbegründung gegen die steuerliche Anerkennung einer doppelten Hausführung in Fällen, in denen ledige Arbeitnehmer außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte – ggf. zusammen mit Geschwistern – eine unentgeltlich überlassene Wohnung oder ein Zimmer im Haus der Eltern bewohnen (sog. Mehrgenerationenhaushalte).

Eine solche Konstellation lag im Streitfall zugrunde. Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte im Streitjahr in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 Euro (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 Euro) sowie einen Betrag von 550 Euro (Beteiligung an der Fenstererneuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstandes in Höhe von 1.410 Euro getätigt hatte.

Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltführung ab, weil eine erforderliche Beteiligung an der laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden könne. Die Beteiligung an der Fenstererneuerung sei im Übrigen nicht verpflichtend gewesen.

Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist dem entgegengetreten und hat der Klage stattgegeben. Dabei hat sich der Senat mit allen in der steuerrechtlichen Literatur vertretenen Meinungen zu den neuen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der „finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ ausführlich auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kann mithin eine Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Danach sind – wie im Streitfall – auch einmalige oder außergewöhnliche Kostenbeiträge anzurechnen. Auf den Zahlungszeitpunkt – Anfang, Mitte oder Ende des Jahres – kommt es nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls nicht an. Die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen erfüllen danach das Merkmal der „finanziellen“ Beteiligung nicht. Im Ergebnis konnte der 9. Senat feststellen, dass sich der Kläger aber oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 v.H., und damit erkennbar nicht unzureichend, an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten beteiligt hatte. Das beklagte Finanzamt hat mittlerweile die zugelassene Revision eingelegt. Diese ist unter dem Az. VI R 39/19 beim BFH anhängig.

Die entschiedenen Rechtsfragen dürften aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fallkonstellationen erhebliche praktische Relevanz haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 v.H. aller Haushalte in Deutschland sog. Mehrpersonenhaushalte mit zwei Generationen.

(FG Niedersachsen, Meldung vom 15.1.2020 zu Urteil vom 18.9.2019 – 9 K 209/18; BFH-Az. VI R 39/19)

Betriebsübertragung gegen Vorbehaltsnießbrauch führt grundsätzlich nicht zur Betriebsübertragung im Ganzen

Die Übertragung eines Gewerbebetriebs unter Zurückbehaltung eines Vorbehaltsnießbrauchs führt für sich genommen nicht zu einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Ganzen. Dies hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Mutter des Klägers übertrug einen von ihr geführten Freizeitpark zum 31. Dezember 1995 an den Kläger, behielt sich aber einen lebenslänglichen Nießbrauch zurück. Ab dem 1. Januar 1996 führte sie dementsprechend den Betrieb fort. Steuerliche Folgerungen zogen die Vertragsparteien aus dieser Übertragung nicht. Zum 31. Dezember 2002 verzichtete die Mutter auf ihr Nießbrauchsrecht. Der Kläger führte ab 2003 die Buchwerte fort. Im Betriebsvermögen der Mutter waren ursprünglich Forderungen gegen eine GmbH enthalten, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Diese hatte die Mutter im Jahr 1999 gewinnmindernd abgeschrieben.
Nachdem die GmbH im Jahr 2004 wieder ein positives Kapital ausgewiesen hatte, gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass hinsichtlich der Forderungen in den Streitjahren 2004 bis 2008 Wertaufholungen vorzunehmen seien. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass diese bereits durch seine Mutter zum 31. Dezember 2002 hätte erfolgen müssen.
Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Eine Wertaufholung sei – so der 11. Senat des Finanzgerichts Münster – nicht vorzunehmen, da die Forderungen zu keinem Zeitpunkt Betriebsvermögen des Klägers geworden seien.
Zum 1. Januar 1996 hätten die Voraussetzungen für eine Betriebsübertragung im Ganzen nach der damals geltenden Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStDV nicht vorgelegen. Vielmehr seien die Einzelwirtschaftsgüter und damit auch die Forderungen unentgeltlich in das Privatvermögen des Klägers überführt worden. Die Mutter habe zwar zu diesem Zeitpunkt ihren Gewerbebetrieb auf den Kläger übertragen, denn allein durch die Zurückbehaltung eines Vorbehaltsnießbrauchs sei sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin des Betriebs geblieben. Hierzu hätte es Vereinbarungen dahingehend bedurft, dass sie die wesentlichen Betriebsgrundlagen, die vorliegend insbesondere aus Grundstücken bestanden, auf eigene Rechnung hätte veräußern oder belasten dürfen. Da die Mutter allerdings den Gewerbebetrieb fortgeführt habe, habe die Möglichkeit einer Buchwertfortführung nicht bestanden. Voraussetzung hierfür sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass der bisherige Betriebsinhaber seine gewerbliche Tätigkeit aufgebe. Soweit für die Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben etwas anderes gelte, sei dies auf Gewerbebetriebe wegen der bereichsspezifischen Besonderheiten für die Landwirtschaft nicht übertragbar.
Zum 1. Januar 2003 seien die Forderungen nicht in das Betriebsvermögen des Klägers übergegangen. Sie seien bei ihm kein notwendiges Betriebsvermögen, da sie nicht geeignet gewesen seien, die betriebliche Betätigung unmittelbar und entscheidend zu fördern. Trotz Ausweises in der Eröffnungsbilanz seien sie auch nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen zuzuordnen, da dieser Ausweis lediglich auf der rechtsirrigen Annahme des Klägers beruht habe, dass die Voraussetzungen einer Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG vorgelegen hätten.
Soweit die Forderungen ab 1996 entstanden waren, seien sie auch ab 2003 noch der Mutter zuzurechnen gewesen, denn der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht stelle lediglich einen Vorgang auf der privaten Vermögensebene dar und begründe keinen Übertragungsvorgang hinsichtlich dieser Forderungen.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2020 zu Urteil vom 20.09.2019 – 11 K 4132/15; BFH-Az.: X R 35/19)

Dauerüberzahlerbescheinigung darf auch auf mittelbaren Gläubiger ausgestellt sein

Grundsätzlich muss der Schuldner von Kapitalerträgen Kapitalertragsteuer einbehalten. Sind die Kapitalerträge beim Gläubiger Betriebseinnahmen und wäre die Kapitalertragsteuer aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher als seine gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer, ist der Steuerabzug nicht vorzunehmen. In diesem Fall kann der Gläubiger bei seinem Finanzamt eine Bescheinigung (sog. Dauerüberzahlerbescheinigung) beantragen und seinem Schuldner vorlegen (§ 44a Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG).

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die Dauerüberzahlerbescheinigung auf die Namen der mittelbar über eine Personengesellschaft am Gläubiger der Kapitalerträge Beteiligten ausgestellt sein darf.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine GmbH & Co. KG ist. Hieran sind wiederum zwei Familienstiftungen beteiligt. Das für die beiden Stiftungen zuständige Finanzamt erteilte diesen auf Antrag Dauerüberzahlerbescheinigungen. Diese legten sie der Klägerin vor, die deshalb auf ihre Gewinnausschüttungen keine Kapitalertragsteuer einbehielt und abführte.
Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin einen Nachforderungsbescheid über die nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer. Die vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen erkannte es dabei nicht an, weil die beiden Stiftungen nicht Gläubiger der Kapitalerträge seien. Dies sei nach dem gebotenen zivilrechtlichen Verständnis vielmehr allein die GmbH & Co. KG.
Das Finanzgericht Münster hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den Kapitalertragsteuerabzug aufgrund der vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen unterlassen dürfen. Der Begriff des Gläubigers der Kapitalerträge im Sinne von § 44a Abs. 5 EStG sei nicht zivilrechtlich, sondern spezifisch steuerrechtlich auszulegen. Es komme nicht darauf an, wem zivilrechtlich der Kapitalertrag zustehe, sondern wer im steuerrechtlichen Sinne Einkünfte erzielt und zu wessen Lasten die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen sei. Bei Personengesellschaften seien dies die an ihr beteiligten Mitunternehmer.
Hierfür spreche auch, dass sich die Norm auf die gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer bezieht. Diese Voraussetzung wäre auf Personengesellschaften nicht anwendbar, da diese nicht einkommensteuerpflichtig seien.
Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wonach ein dauernder Zinsnachteil von Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Geschäfte auf Dauer weniger Steuer zu zahlen hätten, als ihnen in Gestalt des Zinsabschlags auf die Wertpapiererträge als Vorauszahlungen abgezogen wird, vermieden werden solle.
Soweit das Gesetz in § 44a Abs. 4a und 8a EStG Sonderregelungen für Personengesellschaften enthalte, stehe dies dem Ergebnis nicht entgegen. Diese Vorschriften fingierten den Eintritt einer Personengesellschaft in die Position des Gläubigers, was überflüssig wäre, wenn Personengesellschaften ohnehin als Gläubiger von Kapitalerträgen im Sinne von § 44a EStG verstanden würden.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2020 zu Urteil vom 27.11.2019 – 13 K 2902/19)

Steuerliche Behandlung der Überlassung von (Elektro-)Fahrrädern

Überlässt der Arbeitgeber oder auf Grund des Dienstverhältnisses ein Dritter dem Arbeitnehmer ein betriebliches Fahrrad zur privaten Nutzung, gilt vorbehaltlich der Regelung des § 3 Nummer 37 EStG für die Bewertung dieses zum Arbeitslohn gehörenden geldwerten Vorteils Folgendes:

Nach § 8 Absatz 2 Satz 10 EStG wird hiermit als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (einschließlich Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3 EStG und Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) 1 % der auf volle 100 Euro abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt.
Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das betriebliche Fahrrad erstmals nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2031, wird als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (einschließlich Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3 EStG und Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) für das Kalenderjahr 2019 1 % der auf volle 100 Euro abgerundeten halbierten und ab 1. Januar 2020 1 % eines auf volle 100 Euro abgerundeten Viertels der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt. In diesen Fällen kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber dieses Fahrrad angeschafft, hergestellt oder geleast hat. Wurde das betriebliche Fahrrad vor dem 1. Januar 2019 vom Arbeitgeber bereits einem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen, bleibt es bei einem Wechsel des Nutzungsberechtigten nach dem 31. Dezember 2018 für dieses Fahrrad bei den Regelungen der Rdnr. 1 und die Regelungen dieser Randnummer sind nicht anzuwenden.
Die Freigrenze für Sachbezüge nach § 8 Absatz 2 Satz 11 EStG ist weder bei Anwendung der Rdnr. 1 noch bei Anwendung der Rdnr. 2 anzuwenden.
Gehört die Nutzungsüberlassung von Fahrrädern zur Angebotspalette des Arbeitgebers an fremde Dritte (z. B. Fahrradverleihfirmen), kann der geldwerte Vorteil auch nach § 8 Absatz 3 EStG ermittelt und der Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro berücksichtigt werden, wenn die Lohnsteuer nicht nach § 40 EStG pauschal erhoben wird.
Die vorstehenden Regelungen gelten auch für Elektrofahrräder, wenn diese verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen (u. a. keine Kennzeichen- und Versicherungspflicht) sind.
Ist ein Elektrofahrrad verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen (z. B. gelten Elektrofahrräder, deren Motor auch Geschwindigkeiten über 25 Kilometer pro Stunde unterstützt, als Kraftfahrzeuge), ist für die Bewertung des geldwerten Vorteils § 8 Absatz 2 Satz 2 bis 5 i. V. m. § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 EStG anzuwenden.
Dieser Erlass ergeht mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen und im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder. Er ersetzt den Erlass vom 13. März 2019 (BStBl I S. 216) und ist erstmals für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden.
Dieser Erlass wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
(FinMin Baden-Württemberg, Erlass (gleichlautender Ländererlass) 3 – S-233.4 / 187 vom 09.01.2020)

Umsatzsteuerermäßigung für Taxiverkehr mit Pferdefuhrwerken auf autofreier Insel

Nicht nur Bahnfahren wird durch die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes preiswerter. Auch die Personenbeförderung mit Pferdekutschen auf einer autofreien Nordseeinsel kann umsatzsteuerrechtlich als Taxiverkehr begünstigt sein, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat. Dies setzt allerdings voraus, dass im Gebiet einer Gemeinde der Verkehr mit PKW allgemein unzulässig ist und die übrigen Merkmale des Taxiverkehrs in vergleichbarer Form gegeben sind.

Die Klägerin befördert auf einer autofreien Nordseeinsel Personen mit Pferdekutschen. Sie begehrt den ermäßigten Umsatzsteuersatz für den Verkehr mit Taxen nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für faktische Taxifahrten zu festen öffentlich bekannten Tarifen, nicht aber auch für sog. Inselrund- oder Ausflugsfahrten. Finanzamt und Finanzgericht (FG) lehnten dies ab. Der steuerbegünstigte Verkehr mit Taxen verweise auf die Beförderung mit PKW i.S. von § 47 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), an der es fehle. Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Nach dem Urteil des BFH liegt § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG die im Allgemeinen zutreffende Erwartung zugrunde, dass in Gemeinden der Verkehr mit PKWs zulässig ist. Trifft dies nicht zu, kann aus dem Begriff des Verkehrs mit Taxen aber nicht abgeleitet werden, dass es in diesen Gemeinden keine steuerbegünstigte Personenbeförderung gibt. Es ist dann vielmehr darauf abzustellen, ob alternative motorlose Verkehrsformen vorliegen, die dem steuerbegünstigten Verkehr mit Taxen auf der Grundlage von § 47 PBefG unter Ausschluss des nicht steuerbegünstigten Verkehrs mit Mietwagen nach § 49 PBefG entsprechen.
In einem zweiten Rechtsgang hat das FG weitere Feststellungen zu den verkehrsrechtlichen Beschränkungen auf der Insel sowie zu der Frage zu treffen, inwieweit die von der Klägerin mit Pferdefuhrwerken erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Verkehrsarten als mit einem Taxenverkehr ohne PKW vergleichbar angesehen werden können.
(BFH, Pressemitteilung Nr. 2 vom 09.01.2020 zu Urteil vom 13.11.2019 – V R 9/18)