Achtung Fehlerquelle: Obacht beim Befüllen von Zeile 22 der Umsatzsteuererklärung

Steuerpflichtige müssen im Rahmen ihrer machen. Konkret müssen sie kennzeichnen: Sind sie Soll- oder Istversteuerer? Nach Datenlage des BMF kommt es hier häufig zu Missverständnissen. Der DStV fasst daher nochmal das Wichtigste zusammen.

„1, 2 oder 3 – letzte Chance – vorbei.“ Viele Steuerpflichtige „stehen“ derzeit nicht richtig beim Befüllen der Zeile 22 der Umsatzsteuererklärung. Formal genauer: beim Vordruckmuster USt 2 A. Mit den Ziffern 1, 2 bzw. 3 gibt der Steuerpflichtige Auskunft über seine Art der Umsatzbesteuerung (vgl. BMF-Schreiben vom 14.12.2018 – III C 3 – S-7344 / 18 / 10002, BStBl I 2018, S. 1409).

Mit der Ziffer „1“ gibt er an, dass er die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet (sog. Sollversteuerung).

Mit der Ziffer „2“ gibt er an, dass er die Steuer unter den Voraussetzungen des § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet (sog. Istversteuerung).

Mit der Ziffer „3“ gibt der Steuerpflichtige an, dass sich die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung) nur auf einzelne Unternehmensteile erstreckt.

Achtung: Die Besteuerung von Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG spielt für die Eintragung in Zeile 22 keine Rolle.
Wann kann ein Unternehmer Umsätze nach vereinnahmtem Entgelt berechnen?

Der Grundsatz lautet: Umsatzsteuer ist nach dem vereinbarten Entgelt zu berechnen (Sollversteuerung). Bestimmte Unternehmer können jedoch beantragen, dass die Steuer nach dem vereinnahmten Entgelt berechnet wird, also wenn der Unternehmer das Geld auch physisch „in der Tasche“ hat.

Diese sog. Istversteuerung kommt für Unternehmer in Betracht, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat. Ferner kann die Istversteuerung von Unternehmern beantragt werden, die das Finanzamt aufgrund von Härten von der Buchführung befreit hat (vgl. § 148 AO). Schließlich können auch Freiberufler die Istversteuerung beantragen. Aber: Führen Freiberufler Buch, müssen sie ihre Umsätze nach vereinbartem Entgelt versteuern. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie zur Buchführung verpflichtet sind oder dies freiwillig tun (Abschn. 20.1 Sätze 6 f. UStAE).

Der BFH hatte in der Vergangenheit entschieden, dass der Antrag auf Istversteuerung auch konkludent gestellt werden kann (BFH, Urt. v. 18.08.2018, V R 47/14). Der Steuererklärung müsse aber erkennbar zu entnehmen sein, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden seien. Dies war der Auslöser für die Einführung der besagten Zeile 22 in der Umsatzsteuererklärung ab dem Besteuerungszeitraum 2019.

Hinweis: Aufgrund der Fehleintragungen in den vergangenen Jahren wird im Rahmen der Erstellung der Muster der Umsatzsteuererklärung 2021 der Text in Zeile 22 des Vordruckmusters USt 2 A noch einmal konkretisiert und in der Anleitung genauer erläutert werden.

(Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 06.10.2020)

Höherer Freibetrag für Kinder abgelehnt

Dies macht die Bundesregierung in ihrer als Unterrichtung (19/22815) vorgelegten Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/21988) deutlich. Die Maßnahmen des Zweiten Familienentlastungsgesetzes würden bereits zu finanziellen Entlastungen von insgesamt knapp zwölf Milliarden Euro jährlich führen, die insbesondere Familien mit Kindern zugute kommen würden. Vor diesem Grund werde eine zusätzliche Anhebung des Freibetrags für die Kosten eines sich in Berufsausbildung befindenden und auswärtig untergebrachten volljährigen Kindes abgelehnt.

Demgegenüber hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass der Höchstbetrag für diese Aufwendungen seit dem Jahr 1980 beitragsmäßig nicht mehr angepasst worden sei. Derartige Aufwendungen hätten bis zum Jahr 2001 als Teil des Ausbildungsfreibetrages mit bis zu 1.800 DM berücksichtigt werden können. Seit der Neukonzeption im Jahr 2002 hätten bis zu 924 Euro als Sonderbedarfsfreibetrag geltend gemacht werden können. „Die Höhe des Freibetrages berücksichtigt damit weder den inflationsbedingten Preisanstieg der letzten 40 Jahre noch die aktuelle Mietpreisentwicklung“, argumentiert der Bundesrat. Um dem gestiegenen Preisniveau, der allgemeinen Kostenentwicklung und insbesondere dem stetig wachsenden Mietpreisniveau Rechnung zu tragen, halten die Länder eine Erhöhung des Freibetrages auf 1.800 Euro für „dringend geboten“.

(Deutscher Bundestag, hib-Mitteilung Nr. 1028/2020 vom 29.09.2020)

Zurechnung des Kirchensteuer-Erstattungsüberhangs auch bei fehlender steuerlicher Auswirkung in früheren Jahren

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass ein Kirchensteuer-Erstattungsüberhang auch insoweit dem Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG hinzuzurechnen ist, als sich die Kirchensteuer im Zahlungsjahr wegen eines negativen zu versteuernden Einkommens nicht ausgewirkt hat.

Die gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagten Kläger zahlten im Jahr 2014 hohe Kirchensteuern für 2013, die zu einem erheblichen Teil auf einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG entfielen. Für 2014 wirkten sich die Zahlungen nicht in vollem Umfang auf den Sonderausgabenabzug aus, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte niedriger war als die Kirchensteuern. Im Streitjahr 2015 waren die Erstattungen der in 2014 gezahlten Kirchensteuern höher als die in 2015 gezahlten Kirchensteuern. Den Erstattungsüberhang rechnete das Finanzamt nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzu.

Hiergegen wandten die Kläger ein, dass solche Kirchensteuern, die sich steuerlich nicht ausgewirkt hatten, nach dem Zweck des Gesetzes nicht hinzugerechnet werden dürften. Die Vorschrift sei insoweit teleologisch zu reduzieren, hilfsweise verfassungskonform auszulegen.

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Unstreitig liege ein nach dem Gesetzeswortlaut hinzuzurechnender Kirchensteuer-Erstattungsüberhang vor. Eine Korrektur im Wege der teleologischen Reduktion komme nicht in Betracht. Das Gesetz verfolge den Zweck, den Steuervollzug dadurch zu vereinfachen, dass Steuerfestsetzungen für frühere Jahre nicht wieder aufgerollt werden. Von diesem Zweck sei es nicht gedeckt, dass zunächst geprüft werden müsse, ob sich die Kirchensteuern in früheren Jahren ausgewirkt haben oder nicht.

Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bestünden ebenfalls nicht. Zwar liege im Streitfall eine Ungleichbehandlung der Kläger im Vergleich zu solchen Steuerpflichtigen vor, die nur über regelmäßige, nicht stark schwankende Einkünfte verfügen. Diese Ungleichbehandlung sei allerdings gerechtfertigt. Dies folge zum einen daraus, dass das Ausmaß der Benachteiligung dadurch abgemildert werde, dass die Kirchensteuerzahlungen im Jahr 2014 zu einer erheblichen Steuerersparnis, nämlich zur Festsetzung der Einkommensteuer auf 0,- Euro, geführt hätten und dass die für das Streitjahr 2015 neu festgesetzten Kirchensteuern im Zahlungsjahr wieder als Sonderausgabe zu berücksichtigen seien. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Kirchensteuerzahlungen im Jahr 2014 auf einem nach dem Teileinkünfteverfahren teilweise steuerfreien Gewinn nach § 17 EStG beruhten. Zudem hätten den Klägern steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, mit denen das belastende Ergebnis hätte verhindert oder zumindest abgemildert werden können, indem sie bereits im Jahr 2013 Kirchensteuer-Vorauszahlungen geleistet hätten. An die Rechtfertigungsgründe seien keine hohen Anforderungen zu stellen, weil es sich bei § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG um eine zulässige Typisierung zur Vereinfachung des Steuervollzugs handele.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 07.07.2020 – 6 K 2090/17)

Grunderwerbsteuer als Werbungskosten bei Bestellung eines Nießbrauchs

Die Kläger, ein Ehepaar, sind hälftige Miteigentümer eines vermieteten Hausgrundstücks, das sie mit Übergabevertrag vom 16. Juni 2015 gegen Nießbrauchsvorbehalt an sechs Personen übertrugen. Bei den Übernehmern handelt es sich um die Neffen und Nichten des Klägers. Das Grundstück war bisher und wird weiterhin an eine der Übernehmerinnen vermietet. Die gegen die Übernehmer festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde von den Klägern übernommen, die sie als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machten. Das beklagte Finanzamt (FA) ließ die Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt 6.066 Euro nicht zum Werbungskostenabzug zu, da es sich bei den Kosten im Zusammenhang mit der Übergabe des Grundstücks um Aufwendungen auf der Vermögensebene und nicht um Werbungskosten handele. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Grundstücksübertragung aus einkommensteuerlich irrelevanten privaten Gründen

Die infolge der Übertragung des Vermietungsobjektes entstandene Grunderwerbsteuer in Höhe von 6.066 Euro seien keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das die Entstehung der Grunderwerbsteuer auslösende Moment sei nämlich in dem privaten Entschluss der Kläger zu sehen, das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Neffen und Nichten des Klägers zu übertragen. Bei dieser Übertragung handele es sich – einkommensteuerlich betrachtet – um die Zuwendung des mit dem Nutzungsrecht der Kläger belasteten (Mit-)Eigentums. Solche freiwilligen, unentgeltlichen Zuwendungen würden durch § 12 Nr. 2 EStG der einkommensteuerlich irrelevanten Privatsphäre zugeordnet.
Überlagerung der fortbestehenden Einkünfteerzielungsabsicht

Sei aber die Zuwendung wegen § 12 Nr. 2 EStG in einkommensteuerrechtlicher Sicht notwendig ein privater Vorgang, so könnten die Kosten, die im Zusammenhang mit einer solchen Vermögensübertragung anfallen, grundsätzlich ebenfalls nicht der Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen zugeordnet werden. Dies gelte auch, wenn und soweit – wie im Streitfall – die Kosten deshalb angefallen seien, weil sich die Übergeber die weitere Nutzung des zugewendeten Vermögens zur Einkunftserzielung vorbehalten haben. Insofern bestehe zwar durchaus auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang der gezahlten Grunderwerbsteuer mit künftigen Vermietungseinkünften der Kläger. Diese Aufwendungen seien bei wertender Betrachtung aber nicht durch die Absicht, steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen, verursacht (die Absicht und tatsächliche Möglichkeit hierzu hätten die Kläger uneingeschränkt bereits vor der Übertragung der Einkunftsquelle gehabt), sondern fänden ihre Veranlassung unmittelbar in der unentgeltlichen Zuwendung der Immobilie. Dieser Vorgang sei wegen § 12 Nr. 2 EStG dem privaten Bereich zuzuordnen und überlagere andere Veranlassungszusammenhänge vollständig.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 17.09.2020 zu Urteil vom 15.11.2019 – 11 K 322/18, rkr)

Wohnungseinrichtung ist nicht in den Spekulationsgewinn einzubeziehen

Der Kläger erwarb im Jahr 2013 eine Ferienwohnung, die er ab 2014 über eine Agentur vermietete. Im Streitjahr 2016 veräußerte er die Ferienwohnung, wobei im Kaufvertrag ein Anteil von 45.000 Euro für das Zubehör veranschlagt wurde.

Das Finanzamt erfasste für 2016 einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG, in den es den Teilbetrag von 45.000 Euro einbezog. Auch insoweit sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG eine zehnjährige Frist anzusetzen, weil mit dem Inventar Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden seien. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass es sich bei dem Inventar um Gegenstände des täglichen Gebrauchs handele, die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht der Besteuerung unterlägen.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in Bezug auf das Inventar Erfolg. Das Gericht hat ausgeführt, dass hinsichtlich des Inventars insgesamt keine Steuerpflicht vorliege. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 schaffe keinen eigenständigen Besteuerungstatbestand, sondern bewirke nur eine Verlängerung der Spekulationsfrist von bestimmten Wirtschaftsgütern von einem Jahr auf zehn Jahre. Satz 2 der Norm nehme allerdings Gegenstände des täglichen Gebrauchs insgesamt von der Besteuerung aus. Um solche Gegenstände handele es sich bei Wohnungseinrichtungsgegenständen, weil diese typischerweise kein Wertsteigerungspotenzial hätten.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 03.08.2020 – 5 K 2493/18)

Beginn der Liquidation führt nicht zwingend zur Ausbuchung einer Forderung

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass eine GmbH eine Verbindlichkeit gegenüber ihrer Alleingesellschafterin nicht allein deshalb gewinnerhöhend ausbuchen muss, weil sie ihren aktiven Geschäftsbetrieb eingestellt hat und in die Liquidationsphase eingetreten ist.

Die Klägerin, eine GmbH, betrieb eine Gaststätte und einen Partyservice. Das Betriebsgrundstück erhielt sie von ihrer Alleingesellschafterin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zur Nutzung überlassen. Im Streitjahr 2016 stellte die Klägerin ihren aktiven Geschäftsbetrieb ein, veräußerte das Inventar und zeigte ihre Liquidation beim Finanzamt an. Zum 31.12.2016 bestand noch eine Verbindlichkeit der GmbH gegenüber ihrer Gesellschafterin.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Klägerin diese Verbindlichkeit im Streitjahr 2016 gewinnerhöhend ausbuchen müsse, da sie mit einer Inanspruchnahme nach Verkauf des Aktivvermögens und Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht mehr ernsthaft rechnen könne. Die Alleingesellschafterin habe im Besitzunternehmen korrespondierend eine Forderungsabschreibung vorgenommen.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Die Klägerin sei – so der 10. Senat des Finanzgerichts Münster – weiterhin verpflichtet, die Verbindlichkeit zu passivieren. Ein Verzicht sei durch ihre Alleingesellschafterin als Gläubigerin der Forderung weder ausdrücklich erklärt worden, noch aufgrund der Liquidation konkludent anzunehmen. Eine Inanspruchnahme sei auch weiterhin wahrscheinlich. Hierfür sei der Umstand, dass die Klägerin ihren aktiven Geschäftsbetrieb eingestellt und ihr gesamtes Inventar veräußert hat, unmaßgeblich. Die Begleichung der Forderung könne auch durch Aufnahme eines Bankdarlehens, durch Einlage oder im Rahmen einer Nachtragsliquidation erfolgen. Die Forderung sei auch nicht mit einer Einrede, etwa die der Verjährung, behaftet. Unerheblich sei schließlich, ob eine Verbindlichkeit einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter im Rahmen der Liquidationsschlussbilanz weiterhin auszuweisen sei, da die Liquidation noch nicht abgeschlossen sei. Die Abschreibung der Forderung im Besitzunternehmen der Gesellschafterin sei ebenfalls unerheblich, da keine allgemeine Pflicht zu korrespondierenden Bilanzierung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung bestehe.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 23.07.2020 – 10 K 2222/19)

Ausschluss von Kindergeld für nicht erwerbstätige EU-Bürger

Ist der Ausschluss des Kindergeldanspruchs für nicht erwerbstätige EU-Bürger für die ersten drei Monate ihres inländischen Aufenthalts mit EU-Recht vereinbar? Mit Vorlagebeschluss vom 20.08.2020 (Az. 2 K 99/20 (1)) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Bremen das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.

Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (Illegale BeschG) vom 11.07.2019 wurde die Kindergeldberechtigung für nicht erwerbstätige Unionsbürger für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland ausgeschlossen. Durch § 62 Abs. 1a Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) soll zur Abwehr einer unerwünschten Zuwanderung in die Sozialsysteme aus einigen EU-Staaten die Anreizwirkung des Kindergeldes vermindert werden. Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Unionsrecht ist umstritten.

Das Finanzgericht Bremen hat über die Klage einer bulgarischen Staatsangehörigen zu entscheiden, deren Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Monate August bis Oktober 2019 abgelehnt wurde, da sie in diesem Zeitraum nicht erwerbstätig war.

Das deutsche Kindergeld ist eine Leistung der sozialen Sicherheit, die unter die Verordnung 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) fällt. Art. 4 VO (EG) 883/2004 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Unionsbürger und eigene Staatsangehörige gleich zu behandeln. § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG schließt die Kindergeldberechtigung jedoch nur für Unionsbürger, nicht aber für deutsche Staatsangehörige aus.

Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38) erlaubt es den Mitgliedstaaten, für die ersten drei Monate des Aufenthalts den Anspruch auf Sozialhilfe auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass die Ungleichbehandlung von Unionsbürgern und deutschen Staatsangehörigen gerechtfertigt ist, da das Kindergeld bei nicht erwerbstätigen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten wie eine Sozialleistung wirkt.

Sollte der Ausschluss nicht erwerbstätiger Angehöriger anderer Mitgliedstaaten gegen Art. 4 VO (EG) 883/2004 verstoßen und nicht durch Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 gerechtfertigt sein, wäre § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar. In diesem Fall stünde der Klägerin das begehrte Kindergeld zu, § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG wäre nicht anzuwenden. Anderenfalls wäre die Klage abzuweisen.

Da die Entscheidung in dem Gerichtsverfahren vor dem Finanzgericht Bremen von der Auslegung des Unionsrechts abhängt, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Auslegungsfrage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

(FG Bremen, Pressemitteilung vom 09.09.2020 zu Beschluss vom 20.08.2020 – 2 K 99/20 (1))

Abbruchkosten und Restwert sind nach räumlicher und zeitlicher Nutzung des abgebrochenen Objekts aufzuteilen

Abbruchkosten und Restwert eines zuvor zeitweise vollständig fremdvermieteten und zeitweise teilweise selbst genutzten Gebäudes sind sowohl nach dem räumlichen als auch nach dem zeitlichen Nutzungsumfang aufzuteilen. Dies hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin erwarb im Dezember 2011 einen Bungalow, den sie zunächst vollständig vermietete. Nach dem Tod der Mieterin vermietete sie ab dem 1.9.2014 lediglich einen Teil des Objekts mit Ausnahme der Kellerräume an eine neue Mieterin. Die Klägerin kündigte den Mietvertrag zum 31.10.2016 und brach den Bungalow im März 2017 ab. In der Folgezeit errichtete die Klägerin ein Mehrparteienhaus, das sie ausschließlich vermietete. Den Restwert des Bungalows, des Inventars sowie die Abbruchkosten machte die Klägerin im Streitjahr 2017 in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt kürzte den Werbungskostenabzug um den Anteil der nicht mitvermieteten Kellerräume.

Der hiergegen erhobenen Klage gab der 4. Senat des Finanzgerichts Münster statt. Der 4. Senat hat zunächst ausgeführt, dass dem Grunde nach neben den Abbruchkosten auch die Restwerte des Gebäudes im Wege einer technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung als Werbungskosten abzugsfähig seien. Sie seien vorrangig durch die bisherige Nutzung des Objekts veranlasst, weil es nicht in Abbruchabsicht erworben worden sei und auch noch kein vollständiger Verbrauch der Substanz eingetreten sei. Abbruchkosten und Restwert seien allerdings grundsätzlich nicht in voller Höhe, sondern anteilig abzugsfähig. Die Aufteilung sei sowohl zeitanteilig als auch nach der Art der Nutzung der Flächen vorzunehmen. Maßgeblich sei die gesamte Nutzungsdauer der Immobilie seit der Anschaffung durch die Klägerin von 57 Monaten. Hiervon entfielen 31 Monate auf eine vollständige Vermietung und die übrigen 26 Monate auf eine flächenmäßig anteilige Vermietung zu 78,4 %. Dies führe zu einer privaten Veranlassung des Abbruchs von 9,8 %. Nach den allgemeinen Grundsätzen zum Veranlassungsprinzip sei eine Veranlassung von unter 10 % steuerlich unerheblich und die Kosten in vollem Umfang abzugsfähig.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 21.08.2020 – 4 K 855/19)