Betrieblicher Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG, Gewinnbegriff und Berücksichtigung außerbilanzieller Korrekturen

Der BFH hat mit Urteil vom 3. Dezember 2019 entschieden, dass Gewinnbegriff i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen der Gewinn i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG ist. Außerbilanzielle Korrekturen werden nicht berücksichtigt. In der Folge verbleibt eine steuerfreie Investitionszulage im Gewinn und erhöht das Entnahmepotenzial; nicht abziehbare Betriebsausgaben i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG mindern den Gewinn und damit das Entnahmepotenzial. Die Entscheidung widerspricht zum Teil den Festlegungen im BMF-Schreiben vom 2. November 2018 (BStBl I S. 1207).

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder bleiben außerbilanzielle Korrekturen bei der Ermittlung des Gewinns für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG außer Ansatz. Dies sind u. a. auch:

  • nicht abzugsfähige Gewerbesteuer samt Nebenleistung (§ 4 Abs. 5b EStG),

  • nach § 4d Abs. 3, § 4e Abs. 3 oder nach § 4f EStG verteilte Betriebsausgaben,

  • abgezogene oder hinzugerechnete Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG,

  • Verteilung des Übergangsgewinns aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart nach R 4.6 Abs. 1 Satz 2 EStR.

Rdnr. 8 Satz 4 des BMF-Schreibens vom 2. November 2018 (a. a. O.) wird entsprechend wie folgt neu gefasst:

„Für den Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG ist der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG maßgeblich; außerbilanzielle Kürzungen und Hinzurechnungen wirken sich auf den Gewinn i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG nicht aus (vgl. BFH vom 3. Dezember 2019, BStBl 2020 II S. ___2).“

Rdnr. 46 wird wie folgt ergänzt:

„Die Änderung der Rdnr. 8 Satz 4 ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen können außerbilanzielle Hinzurechnungen nach Rdnr. 8 Satz 4 des BMF-Schreibens in der Fassung vom 2. November 2018 (BStBl I S. 1207) letztmals für Wirtschaftsjahre berücksichtigt werden, die vor dem 1. Januar 2021 begonnen haben. Dieser Antrag ist bei einer Mitunternehmerschaft einvernehmlich von allen Mitunternehmern zu stellen. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn bereits durchgeführte Berechnungen der Gewinne und Verluste unverändert fortgeschrieben werden und hierfür die Änderung der Rdnr. 8 hinsichtlich der außerbilanziellen Kürzungen und Hinzurechnungen unberücksichtigt bleibt.“

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

(BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2144 / 19 / 10003 :004 vom 18.01.2021)

Krankheitsbedingter Auszug aus dem Familienheim führt zum Wegfall der Steuerbefreiung

Veräußert der Erbe das Familienheim innerhalb von zehn Jahren, entfällt die Erbschaftsteuerbefreiung auch dann, wenn der Auszug auf ärztlichen Rat hin aufgrund einer Depressionserkrankung erfolgt. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin beerbte ihren im Jahr 2017 verstorbenen Ehemann zur Hälfte. Zur Erbschaft gehörte auch das hälftige Miteigentum an dem bislang von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus. Ende 2018 veräußerte die Klägerin das Einfamilienhaus und zog im Jahr 2019 in eine zuvor erworbene Eigentumswohnung um. Das Finanzamt änderte daraufhin den Erbschaftsteuerbescheid und versagte die Steuerbefreiung für das Familienheim. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass sie nach dem Tod ihres Ehemannes unter Depressionen und Angstzuständen gelitten habe, insbesondere weil ihr Mann in dem Haus verstorben sei. Daraufhin habe ihr Arzt ihr geraten, die Wohnumgebung zu wechseln, weshalb sie aus zwingenden Gründen an einer weiteren Selbstnutzung gehindert gewesen sei.

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster ist dem nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Steuerbefreiung für ein Familienheim, welches der Erbe innerhalb von zehn Jahren nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutze, falle, so der Senat, nur dann nicht weg, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert sei. Derartige zwingende Gründe lägen bei der Klägerin nicht vor. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass die Depressionserkrankung und der Tod des Ehemannes im Einfamilienhaus die Klägerin zwar erheblich psychisch belastet hatten. Ein “zwingender Grund” im Sinne des Gesetzes sei jedoch nur dann gegeben, wenn das Führen eines Haushalts schlechthin (etwa aufgrund von Pflegebedürftigkeit) unmöglich sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Eine solche restriktive Gesetzesauslegung der Rückausnahme zum Steuerbefreiungstatbestand sei auch verfassungsrechtlich geboten, da die Steuerbefreiung für Familienheime Grundeigentümer gegenüber Inhabern anderer Vermögenswerte bevorzuge.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 15.01.2021 zum Urteil 3 K 420/20 Erb vom 10.12.2020)

BMF: Fortschritte bei der Digitalisierung von Steuerverfahren

Das Kabinett hat am 20.01.2021 den Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (AbzStEntModG) gebilligt.

Der Gesetzentwurf enthält im Wesentlichen die folgenden Elemente:

  • Digitalisierung des Entlastungsverfahrens beim BZSt für Antrag, Steuerbescheinigung und Bescheid Die vollständig digitalisierte Antragsbearbeitung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ab dem Jahr 2024 wird eingeleitet. Dazu werden die elektronische Antragstellung und der elektronische Bescheidabruf grundsätzlich vorgeschrieben, ebenso wie die elektronische Übermittlung der Kapitalertragsteuer-Bescheinigungsdaten durch ihren Aussteller. Diese Maßnahmen werden nicht nur die Abläufe bei Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung vereinfachen, sondern auch Betrug mit gefälschten Bescheinigungen ausschließen.

  • Aufbau einer Kapitalertragsteuer-Datenbank mit umfassenden Steuerbescheinigungs- und weiteren Daten Das Abzugsverfahren der Kapitalertragsteuer wird um elektronische Meldepflichten erweitert. Die Meldungen werden zentral beim Bundeszentralamt für Steuern gesammelt, um insbesondere Gestaltungen zur Umgehung der Dividendenbesteuerung leichter zu erkennen. Die Dividendenbesteuerung war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von Gestaltungen zur Erlangung rechtswidriger Steuervorteile. Dies betraf insbesondere die unter den Begriffen Cum/Ex-, Cum-/Cum oder Cum-Fake bekannt gewordenen Gestaltungen. Die Informationen dienen der Finanzverwaltung, und hier insbesondere der beim BZSt eingerichteten Sondereinheit, zu Analyse- und Kontrollzwecken.

  • Haftungsverschärfung für die Aussteller von Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen Die Haftung der Aussteller von Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen in § 45a Abs. 7 EStG wird verschärft. Hierdurch wird die Qualität der erhobenen Daten wesentlich verbessert und die Verlässlichkeit der Datenerhebungsverfahren gesteigert.

  • Reduzierung und Verschlankung der Verfahren zur Entlastung von der Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG für ausländische Steuerpflichtige sowie stärkere Konzentration beim BZSt Die Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger durch das BZSt wird prozessoptimiert, ressourcenschonender und weniger missbrauchs- und betrugsanfällig ausgestaltet. Um insbesondere gewerbsmäßige Betrugsmodelle wirksamer zu verhindern, benötigt die Finanzverwaltung zusätzliche Informationen aus den Daten zur Abführung von Kapitalertragsteuer. Mit der Reduzierung der Anzahl bestehender Entlastungsverfahren und der Konzentration dieser Verfahren beim BZSt wird die Gefahr von Doppelerstattungen verringert.

  • Verbesserung der Missbrauchsbekämpfung, insbesondere durch Anpassung der Abwehr des sog. treaty-shopping an neue EU-Vorgaben Die Vorschrift, die missbräuchlichen Steuergestaltungen im Zusammenhang mit der Entlastung von Kapitalertragsteuer und unberechtigten steuerlichen Vorteilen etwa aus bestimmten Doppelbesteuerungsabkommen vorbeugen soll, wird an die europäische Rechtsprechung angepasst und damit rechtssicher gemacht.

Darüber hinaus ist eine Regelung im Umwandlungssteuergesetz zur rechtssicheren Verhinderung missbräuchlicher Steuergestaltungen sowie eine Änderung bei der Vollstreckbarkeit steuerlicher Verwaltungsakte enthalten.

(BMF, Pressemitteilung vom 20.01.2021)

Zuteilung von Aktien im Rahmen eines Spin-off

Der 13. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat entschieden, dass die Zuteilung von Aktien im Zuge einer Umstrukturierung der Hewlett-Packard Company die Voraussetzungen einer Abspaltung im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 des Einkommensteuergesetztes (EStG) erfüllt. Damit kommt es im Zeitpunkt der Aktienzuteilung nicht zu einer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtigen Sachausschüttung.

In dem vom 13. Senat zu entscheidenden Sachverhalt hielt der Kläger Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC) in seinem Depot, die er bereits vor dem 31.12.2007 erworben hatte. Im Streitjahr 2015 änderte die HPC ihren Namen in HP Inc. (HPI). Anschließend übertrug die HPI ihr Unternehmenskundengeschäft im Wege eines Spin-off auf die bereits zuvor gegründete Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE). Die Aktionäre der HPC erhielten für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten HPI und zusätzlich eine Aktie der HPE. Die depotführende Bank erfasste die Zuteilung der zusätzlichen Aktien an der HPE als steuerpflichtige Sachausschüttung und behielt Kapitalertragsteuer ein. Das beklagte Finanzamt behandelte den Vorgang unter Hinweis auf die BMF-Schreiben vom 18.01.2016 (BStBl I 2016, Seite 85) und vom 20.03.2017 (BStBl I 2017, Seite 431) als steuerpflichtige Sachausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.

Der 13. Senat verneinte entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung die Steuerpflicht der Aktienzuteilung.

Entscheidend sei, dass die in der Anteilszuteilung liegende Sachausschüttung im Streitfall deshalb nicht zu besteuern sei, weil über § 20 Abs. 4a Satz 7 i. V. m. Satz 1 EStG eine (anteilige) Fortführung der Anschaffungskosten fingiert werde. Die ausschließlich Abspaltungen betreffende Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG verdränge als speziellere gesetzliche Regelung (lex specialis) die allgemeinere Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG. Der Begriff der Abspaltung i. S. v. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG sei nach Ansicht des erkennenden Senats (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – BMF-Schreiben vom 18.01.2016 – BStBl I 2016, 85) extensiv im Sinne einer typusorientierten Gesamtbetrachtung auszulegen. Ausgehend von einem solchen – weiten ‑ Auslegungsverständnis lägen im Streitfall die Voraussetzungen einer Abspaltung vor.

Das Niedersächsische Finanzgericht folgt mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung anderer Finanzgerichte und hat die Revision im Hinblick auf die bereits beim Bundesfinanzhof zu dieser Rechtsfrage anhängigen Verfahren zugelassen.

(FG Niedersachsen, Mitteilung vom 20.01.2021 zum Urteil 13 K 223/17 vom 29.09.2020)

Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG führte bis 2016 zu gewerbesteuerlicher Kürzung

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass der Gewerbeertrag um den Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG gemäß § 9 Nr. 3 GewStG in der bis 2016 gültigen Fassung zu kürzen ist.

Die Klägerin, eine GmbH, war im Streitjahr 2011 über eine im Ausland ansässige AG an mehreren anderen ausländischen AGs beteiligt. Die ausländischen Gesellschaften erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb, was zu einem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG führte. Für diesen Betrag begehrte die Klägerin die gewerbesteuerliche Kürzung für ausländische Betriebsstätten nach § 9 Nr. 3 GewStG a. F. Dem folgte das Finanzamt nicht, weil die Kürzung eine eigene Betriebsstätte des Gewerbetreibenden voraussetze. Die nunmehr erfolgte Erweiterung des Gesetzes um diese Voraussetzung habe lediglich klarstellende Funktion.

Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Der Gewerbeertrag sei nach § 9 Nr. 3 GewStG a. F. um den Hinzurechnungsbetrag zu kürzen, denn dieser entfalle auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte der Klägerin. Die ausländischen Betriebsstätten seien zwar nicht unmittelbar der Klägerin, sondern ihrer Tochter-AG als Zwischengesellschaft zuzurechnen. Das Gesetz habe aber im Streitjahr 2011 – anders als nach der Gesetzesänderung – noch keine „eigene“ Betriebsstätte verlangt. Eine Rückwirkung dieser Änderung sei nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet worden.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2021 zum Urteil 13 K 401/17 vom 27.11.2020)

Keine Sperrfrist für EU-Ausländer bei bereits bestehendem Kindergeldanspruch

Der 8. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die dreimonatige Sperrfrist für zugezogene EU-Ausländer nach § 62 Abs. 1a EStG nicht gilt, wenn bereits vor Begründung des inländischen Wohnsitzes ein Kindergeldanspruch bestand.

Die Klägerin zog im Juli 2020 mit ihren beiden Kindern von Bulgarien nach Deutschland. Ihr Ehemann, der Vater der Kinder, lebte bereits seit Ende 2019 in Deutschland und ging hier einer Vollzeitbeschäftigung nach, während die Klägerin selbst nicht erwerbstätig war.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin für die ersten drei Monate (Juli bis September 2020) ab, weil die Klägerin keine laufenden inländischen Einkünfte erzielt habe. Ab Oktober 2020 erhielt die Klägerin Kindergeld.

Der 8. Senat des Finanzgerichts Münster gewährte der Klägerin auch für die Monate Juli bis September 2020 Kindergeld. Die in § 62 Abs. 1a EStG vorgesehene dreimonatige Sperrfrist für nicht erwerbstätige EU-Ausländer ab Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland greife im Streitfall nicht ein. Für die Begründung eines Wohnsitzes sei auch ein fiktiver Familienwohnsitz gemäß Art. 67 Satz 1 der EG-Verordnung Nr. 883/2004 ausreichend. Die Klägerin habe einen solchen fiktiven Wohnsitz bereits vor ihrem Zuzug nach Deutschland gehabt, weil ihr Ehemann hier gewohnt und gearbeitet habe. Dieses Verständnis entspreche auch dem Zweck der Sperrfrist, das deutsche Sozialsystem vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen und eine Anreizwirkung des Kindergeldes für den Zuzug nach Deutschland zu vermeiden. Dieser Zweck könne nicht erfüllt werden, wenn bereits vor dem Zuzug ein inländischer Kindergeldanspruch bestanden habe. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht auf das Differenzkindergeld beschränkt, weil Deutschland wegen der Erwerbstätigkeit des Ehemannes vorrangig zuständig sei und daher kein bulgarischer Kindergeldanspruch bestehe.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2021 zum Urteil 8 K 2975/20 Kg vom 10.12.2020)