Grunderwerbsteuer als Werbungskosten bei Bestellung eines Nießbrauchs

Die Kläger, ein Ehepaar, sind hälftige Miteigentümer eines vermieteten Hausgrundstücks, das sie mit Übergabevertrag vom 16. Juni 2015 gegen Nießbrauchsvorbehalt an sechs Personen übertrugen. Bei den Übernehmern handelt es sich um die Neffen und Nichten des Klägers. Das Grundstück war bisher und wird weiterhin an eine der Übernehmerinnen vermietet. Die gegen die Übernehmer festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde von den Klägern übernommen, die sie als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machten. Das beklagte Finanzamt (FA) ließ die Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt 6.066 Euro nicht zum Werbungskostenabzug zu, da es sich bei den Kosten im Zusammenhang mit der Übergabe des Grundstücks um Aufwendungen auf der Vermögensebene und nicht um Werbungskosten handele. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Grundstücksübertragung aus einkommensteuerlich irrelevanten privaten Gründen

Die infolge der Übertragung des Vermietungsobjektes entstandene Grunderwerbsteuer in Höhe von 6.066 Euro seien keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das die Entstehung der Grunderwerbsteuer auslösende Moment sei nämlich in dem privaten Entschluss der Kläger zu sehen, das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Neffen und Nichten des Klägers zu übertragen. Bei dieser Übertragung handele es sich – einkommensteuerlich betrachtet – um die Zuwendung des mit dem Nutzungsrecht der Kläger belasteten (Mit-)Eigentums. Solche freiwilligen, unentgeltlichen Zuwendungen würden durch § 12 Nr. 2 EStG der einkommensteuerlich irrelevanten Privatsphäre zugeordnet.
Überlagerung der fortbestehenden Einkünfteerzielungsabsicht

Sei aber die Zuwendung wegen § 12 Nr. 2 EStG in einkommensteuerrechtlicher Sicht notwendig ein privater Vorgang, so könnten die Kosten, die im Zusammenhang mit einer solchen Vermögensübertragung anfallen, grundsätzlich ebenfalls nicht der Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen zugeordnet werden. Dies gelte auch, wenn und soweit – wie im Streitfall – die Kosten deshalb angefallen seien, weil sich die Übergeber die weitere Nutzung des zugewendeten Vermögens zur Einkunftserzielung vorbehalten haben. Insofern bestehe zwar durchaus auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang der gezahlten Grunderwerbsteuer mit künftigen Vermietungseinkünften der Kläger. Diese Aufwendungen seien bei wertender Betrachtung aber nicht durch die Absicht, steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen, verursacht (die Absicht und tatsächliche Möglichkeit hierzu hätten die Kläger uneingeschränkt bereits vor der Übertragung der Einkunftsquelle gehabt), sondern fänden ihre Veranlassung unmittelbar in der unentgeltlichen Zuwendung der Immobilie. Dieser Vorgang sei wegen § 12 Nr. 2 EStG dem privaten Bereich zuzuordnen und überlagere andere Veranlassungszusammenhänge vollständig.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 17.09.2020 zu Urteil vom 15.11.2019 – 11 K 322/18, rkr)

Wohnungseinrichtung ist nicht in den Spekulationsgewinn einzubeziehen

Der Kläger erwarb im Jahr 2013 eine Ferienwohnung, die er ab 2014 über eine Agentur vermietete. Im Streitjahr 2016 veräußerte er die Ferienwohnung, wobei im Kaufvertrag ein Anteil von 45.000 Euro für das Zubehör veranschlagt wurde.

Das Finanzamt erfasste für 2016 einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG, in den es den Teilbetrag von 45.000 Euro einbezog. Auch insoweit sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG eine zehnjährige Frist anzusetzen, weil mit dem Inventar Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden seien. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass es sich bei dem Inventar um Gegenstände des täglichen Gebrauchs handele, die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht der Besteuerung unterlägen.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in Bezug auf das Inventar Erfolg. Das Gericht hat ausgeführt, dass hinsichtlich des Inventars insgesamt keine Steuerpflicht vorliege. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 schaffe keinen eigenständigen Besteuerungstatbestand, sondern bewirke nur eine Verlängerung der Spekulationsfrist von bestimmten Wirtschaftsgütern von einem Jahr auf zehn Jahre. Satz 2 der Norm nehme allerdings Gegenstände des täglichen Gebrauchs insgesamt von der Besteuerung aus. Um solche Gegenstände handele es sich bei Wohnungseinrichtungsgegenständen, weil diese typischerweise kein Wertsteigerungspotenzial hätten.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 03.08.2020 – 5 K 2493/18)

Beginn der Liquidation führt nicht zwingend zur Ausbuchung einer Forderung

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass eine GmbH eine Verbindlichkeit gegenüber ihrer Alleingesellschafterin nicht allein deshalb gewinnerhöhend ausbuchen muss, weil sie ihren aktiven Geschäftsbetrieb eingestellt hat und in die Liquidationsphase eingetreten ist.

Die Klägerin, eine GmbH, betrieb eine Gaststätte und einen Partyservice. Das Betriebsgrundstück erhielt sie von ihrer Alleingesellschafterin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zur Nutzung überlassen. Im Streitjahr 2016 stellte die Klägerin ihren aktiven Geschäftsbetrieb ein, veräußerte das Inventar und zeigte ihre Liquidation beim Finanzamt an. Zum 31.12.2016 bestand noch eine Verbindlichkeit der GmbH gegenüber ihrer Gesellschafterin.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Klägerin diese Verbindlichkeit im Streitjahr 2016 gewinnerhöhend ausbuchen müsse, da sie mit einer Inanspruchnahme nach Verkauf des Aktivvermögens und Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht mehr ernsthaft rechnen könne. Die Alleingesellschafterin habe im Besitzunternehmen korrespondierend eine Forderungsabschreibung vorgenommen.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Die Klägerin sei – so der 10. Senat des Finanzgerichts Münster – weiterhin verpflichtet, die Verbindlichkeit zu passivieren. Ein Verzicht sei durch ihre Alleingesellschafterin als Gläubigerin der Forderung weder ausdrücklich erklärt worden, noch aufgrund der Liquidation konkludent anzunehmen. Eine Inanspruchnahme sei auch weiterhin wahrscheinlich. Hierfür sei der Umstand, dass die Klägerin ihren aktiven Geschäftsbetrieb eingestellt und ihr gesamtes Inventar veräußert hat, unmaßgeblich. Die Begleichung der Forderung könne auch durch Aufnahme eines Bankdarlehens, durch Einlage oder im Rahmen einer Nachtragsliquidation erfolgen. Die Forderung sei auch nicht mit einer Einrede, etwa die der Verjährung, behaftet. Unerheblich sei schließlich, ob eine Verbindlichkeit einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter im Rahmen der Liquidationsschlussbilanz weiterhin auszuweisen sei, da die Liquidation noch nicht abgeschlossen sei. Die Abschreibung der Forderung im Besitzunternehmen der Gesellschafterin sei ebenfalls unerheblich, da keine allgemeine Pflicht zu korrespondierenden Bilanzierung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung bestehe.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2020 zu Urteil vom 23.07.2020 – 10 K 2222/19)

Ausschluss von Kindergeld für nicht erwerbstätige EU-Bürger

Ist der Ausschluss des Kindergeldanspruchs für nicht erwerbstätige EU-Bürger für die ersten drei Monate ihres inländischen Aufenthalts mit EU-Recht vereinbar? Mit Vorlagebeschluss vom 20.08.2020 (Az. 2 K 99/20 (1)) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Bremen das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.

Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (Illegale BeschG) vom 11.07.2019 wurde die Kindergeldberechtigung für nicht erwerbstätige Unionsbürger für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland ausgeschlossen. Durch § 62 Abs. 1a Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) soll zur Abwehr einer unerwünschten Zuwanderung in die Sozialsysteme aus einigen EU-Staaten die Anreizwirkung des Kindergeldes vermindert werden. Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Unionsrecht ist umstritten.

Das Finanzgericht Bremen hat über die Klage einer bulgarischen Staatsangehörigen zu entscheiden, deren Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Monate August bis Oktober 2019 abgelehnt wurde, da sie in diesem Zeitraum nicht erwerbstätig war.

Das deutsche Kindergeld ist eine Leistung der sozialen Sicherheit, die unter die Verordnung 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) fällt. Art. 4 VO (EG) 883/2004 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Unionsbürger und eigene Staatsangehörige gleich zu behandeln. § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG schließt die Kindergeldberechtigung jedoch nur für Unionsbürger, nicht aber für deutsche Staatsangehörige aus.

Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38) erlaubt es den Mitgliedstaaten, für die ersten drei Monate des Aufenthalts den Anspruch auf Sozialhilfe auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass die Ungleichbehandlung von Unionsbürgern und deutschen Staatsangehörigen gerechtfertigt ist, da das Kindergeld bei nicht erwerbstätigen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten wie eine Sozialleistung wirkt.

Sollte der Ausschluss nicht erwerbstätiger Angehöriger anderer Mitgliedstaaten gegen Art. 4 VO (EG) 883/2004 verstoßen und nicht durch Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 gerechtfertigt sein, wäre § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar. In diesem Fall stünde der Klägerin das begehrte Kindergeld zu, § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG wäre nicht anzuwenden. Anderenfalls wäre die Klage abzuweisen.

Da die Entscheidung in dem Gerichtsverfahren vor dem Finanzgericht Bremen von der Auslegung des Unionsrechts abhängt, hat es das Verfahren ausgesetzt und die Auslegungsfrage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

(FG Bremen, Pressemitteilung vom 09.09.2020 zu Beschluss vom 20.08.2020 – 2 K 99/20 (1))

Steuerverwaltung wird digitaler

Die Digitalisierung der Steuerverwaltung wird bereits seit Jahren vorangetrieben und auch in Zukunft entsprechend fortgeführt. Dies versichert die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/19733) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/19303).

Unter anderem stelle das ELSTER-Portal eine sehr gute Basis dar. In der Antwort wird weiter darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung für die koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung (KONSENS) in diesem Jahr rund 12,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Im vergangenen Jahr waren es rund 28,3 Millionen Euro gewesen.

(Bundestag, hib-Meldung Nr. 602/2020 vom 11.06.2020)

zur Antwort der Bundesregierung (PDF)

Einkommensteuerliche Behandlung von Kapitalabfindungen für Kleinbetragsrenten aus Altersvorsorgeverträgen

Die auf der Grundlage des § 93 Abs. 3 EStG förderunschädlich ausgezahlte Kapitalabfindung einer Kleinbetragsrente ist nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG in vollem Umfang einkommensteuerpflichtig.

Die Anwendung des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG auf Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen setzt nicht voraus, dass der Vertrag im Zeitpunkt der Auszahlung der Leistung noch zertifiziert ist. Es genügt in diesem Zusammenhang vielmehr, wenn für den einzelnen zuvor geleisteten Beitrag die Voraussetzungen des § 10a oder des Abschn. XI des EStG – zu denen auch die Zertifizierung gehört – vorgelegen haben.

Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Kapitalabfindungen von Kleinbetragsrenten aus Altersvorsorgeverträgen kann in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 22 Nr. 5 Satz 13 EStG nicht allein mit der Begründung bejaht werden, der ursprüngliche Altersvorsorgevertrag habe eine solche Kapitalisierungsmöglichkeit nicht vorgesehen.

Auch wenn der Spruchkörper, der die Revision zugelassen hat, nur in Bezug auf eine bestimmte Rechtsfrage einen durchgreifenden Revisionszulassungsgrund gesehen hat, kann der Revisionskläger in seiner Revisionsbegründung – im Rahmen des von ihm bereits vor dem FG gestellten Antrags – bei einem unteilbaren Streitgegenstand weitere Rechtsfragen zur Prüfung des Revisionsgerichts stellen.

Im Ergebnis hat der BFH das Urteil des erstentscheidenden Finanzgerichts Köln vom 04.07.2017, Az. 5 K 3136/16, aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

(BFH, Urteil vom 6.11.2019, X R 39/17)

Steuerbegünstigung für Umwandlungen im Konzern nach § 6a GrEStG

Die für die Grunderwerbsteuer geltende Steuerbegünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) stellt keine unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar. Danach ist auch der Fall begünstigt, dass eine abhängige Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen verschmolzen wird. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Die Klägerin war seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin einer Tochtergesellschaft, die auf die Klägerin verschmolzen wurde. Hierdurch gingen die Grundstücke der Tochtergesellschaft auf die Klägerin über. Das Finanzamt sah darin einen steuerbaren Erwerbsvorgang, der auch nicht gemäß § 6a GrEStG begünstigt sei. Demgegenüber vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, dass die Verschmelzung vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werde. Es gab daher der Klage statt.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG. Er führte aus, dass nach § 6a GrEStG für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die Grunderwerbsteuer nicht erhoben werde. Voraussetzung sei u.a., dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt seien und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang bestehe. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden habe, stelle die von § 6a GrEStG gewährte Steuerbegünstigung keine unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist, so der BFH, auch die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Klägerin begünstigt. Unschädlich sei, dass die Klägerin nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen keine Beteiligung an der Tochtergesellschaft mehr halten konnte und folglich der „Verbund“ zwischen der Klägerin als herrschendem Unternehmen und der grundbesitzenden Tochtergesellschaft als abhängiger Gesellschaft durch die Verschmelzung beendet worden sei.

Anders als das Bundesministerium der Finanzen legte der BFH auch in fünf weiteren Verfahren (II R 15/19, II R 16/19, II R 19/19, II R 20/19 und II R 21/19) die Steuerbegünstigung zugunsten der Steuerpflichtigen weit aus. Das gilt sowohl für den in der Norm verwendeten Begriff des herrschenden Unternehmens als auch für die Frage, welche Umwandlungsvorgänge von der Steuerbegünstigung erfasst werden. In einem Verfahren (II R 17/19) sah der BFH die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nicht als erfüllt an.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 9 vom 13.2.2020 zu Urteil vom 22.8.2019 – II R 18/19 u.a.)

Praxisjahr für den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ führt zum Kindergeldanspruch

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass das Praxisjahr zur Vorbereitung auf den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung ist mit der Folge, dass ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Der Sohn der Klägerin erlangte im Juli 2017 den Abschluss im Ausbildungsberuf „Landwirt“. Noch im selben Monat meldete er sich für den weiteren Abschluss „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ an einer Fachschule an. Da hierfür ein Praxisjahr zwingend vorgeschrieben ist, konnte er hiermit erst im Juli 2018 beginnen. In der Zwischenzeit absolvierte er das Praxisjahr in drei verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben.

Die Familienkasse lehnte den Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Kindergeld ab August 2017 ab und führte zur Begründung aus, dass die Erwerbstätigkeit im Rahmen des Praxisjahres nach Erlangung eines Abschlusses schädlich sei. Eine einheitliche Ausbildung liege nicht vor, da durch das Praxisjahr eine Zäsur eintrete.

Dies hat das Gericht anders gesehen und der Klage stattgegeben. Der Sohn der Klägerin habe sich auch während des Praxisjahres noch in einer einheitlichen mehraktigen Berufsausbildung befunden. Die Ausbildungstätigkeit habe während der Praktika im Vordergrund gestanden. Die Arbeitstätigkeit sei den Ausbildungsmaßnahmen während der jeweils zeitlich befristeten Praktika untergeordnet gewesen. Die Praktika seien vielmehr auf den angestrebten Abschluss zeitlich und inhaltlich abgestimmt worden. Die Praktikantenverträge hätten auf die angestrebte Ausbildung auch ausdrücklich Bezug genommen.

(FG Münster, Mitteilung vom 16.09.2019 zu Urteil vom 08.08.2019 – 4 K 3925/17; Az. der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH: III B 145/19)

Inkasso-Service der Familienkassen unzureichend geregelt

Seit März 2015 bearbeitet die Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen bundesweit alle Inkasso-Fälle, die Kindergeld betreffen. Die Behörde entscheidet u. a. über Anträge auf Stundung und Erlass von Kindergeldrückforderungsansprüchen. Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist der Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen hierzu nicht berechtigt.

Im entschiedenen Fall wurde der Kläger von der für seinen Wohnort zuständigen Familienkasse in D aufgefordert, zu Unrecht ausgezahltes Kindergeld zurückzuzahlen. Sein Antrag auf Stundung des Rückzahlungsbetrags wurde durch den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen abgelehnt.
Das Finanzgericht hat dem Kläger teilweise Recht gegeben und den Ablehnungsbescheid des Inkasso-Services der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben. Das Gericht führt aus, dass diese Behörde für die Entscheidung über den Stundungsantrag nicht zuständig gewesen sei. Zwar könne der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit bestimmte Zuständigkeiten selber regeln. Eine Übertragung der Zuständigkeit für Entscheidungen im Erhebungsverfahren für den Familienleistungsausgleich auf die Behörde in Recklinghausen sei aber nicht erfolgt. Nach Auffassung des Gerichts hat über den Stundungsantrag des Klägers nun „seine“ Familienkasse in D zu entscheiden.
(FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 25.7.2019 zu Gerichtsbescheid vom 14.5.2019 – 10 K 3317/18; BFH-Az.: III R 36/19)

Private Pkw-Nutzung im Taxigewerbe: Definition des Listenpreises bei Anwendung der 1 %-Regelung

Die Besteuerung der Privatnutzung von Taxen erfolgt auf der Grundlage des allgemeinen Listenpreises, nicht aber nach besonderen Herstellerpreislisten für Taxen und Mietwagen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) zur Anwendung der sog. 1 %-Regelung entschieden. Listenpreis ist dabei nur der Preis, zu dem ein Steuerpflichtiger das Fahrzeug als Privatkunde erwerben könnte.

In dem vom BFH beurteilten Fall nutzte der Kläger sein Taxi nicht nur für sein Taxiunternehmen, sondern auch privat. Einkommensteuerrechtlich entschied er sich für die sog. 1 %-Regelung, d.h. er versteuerte für die Privatnutzung monatlich 1 % des Listenpreises gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes. Maßgeblich ist dabei der inländische Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer. Im Streitfall legte der Kläger den Bruttolistenpreis aus einer vom Hersteller herausgegebenen Preisliste für Taxen und Mietwagen zugrunde. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der höhere, mit Hilfe der Fahrzeug-Identifikationsnummer abgefragte Listenpreis heranzuziehen sei. Im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Kläger zunächst Erfolg.
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und entschied, dass der für die 1 %-Regelung maßgebliche Listenpreis derjenige ist, zu dem ein Steuerpflichtiger das Fahrzeug als Privatkunde erwerben könnte. Denn der im Gesetz erwähnte Listenpreis soll nicht die Neuanschaffungskosten und auch nicht den gegenwärtigen Wert des Fahrzeugs abbilden, vielmehr handelt es sich um eine generalisierende Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Privatnutzung eines Betriebs-Pkw.
Das Urteil betrifft einen Taxiunternehmer. Es hat darüber hinaus auch Bedeutung für alle Sonderpreislisten mit Sonderrabatten, die ein Fahrzeughersteller bestimmten Berufsgruppen gewährt.
(BFH, Pressemitteilung Nr. 10 vom 6.3.2019 zu Urteil vom 8.11.2018 – III R 13/16)