Anwaltskosten wegen strafbarem Facebook-Kommentar können Werbungskosten sein

Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Disziplinarverfahren können auch dann als Werbungskosten bei der Einkommensteuer abgezogen werden, wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde. Dies hat der 14. Senat des Finanzgerichts Köln entschieden.

Der Kläger wurde aufgrund eines bei Facebook veröffentlichten privaten Kommentars wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig verurteilt. Daneben wurde gegen ihn als Soldat ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren durchgeführt, in dem es auch um den Fortbestand des Dienstverhältnisses ging.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger 1.785 Euro Rechtsanwaltskosten für seine Verteidigung im Disziplinarverfahren als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab. Die berufliche Veranlassung der Kosten werde durch das vorsätzliche strafbare Handeln des Klägers auf seinem privaten Facebook-Account überlagert.

Der Kläger hatte mit seiner hiergegen erhobenen Klage Erfolg. Der 14. Senat ließ den Abzug der Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten zu. Die Kosten beträfen das Arbeitsverhältnis und die Ansprüche hieraus. Die strengere Rechtsprechung des BFH zu Strafverteidigungskosten sei auf arbeitsrechtliche oder dienstrechtliche Verfahren nicht anwendbar. Denn solche Aufwendungen seien bereits durch ihren Zweck, das Gehalt zu erhalten, untrennbar dem Dienstverhältnis zugewiesen. Die strafbare Handlung stelle demgegenüber nur eine entferntere Ursache dar.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VI R 16/21 beim Bundesfinanzhof in München geführt wird.

FG Köln, Pressemitteilung vom 11.10.2021 zum Urteil 14 K 997/20 vom 17.06.2021 (nrkr – BFH-Az.: VI R 16/21)

Schadensersatz wegen Prospekthaftung bei Beteiligung an gewerblich tätiger Fonds-KG steuerpflichtig

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass der Schadensersatzanspruch, der einem Kommanditisten einer gewerblich tätigen Fonds-KG wegen fehlerhafter Angaben im Beteiligungsprospekt zusteht, steuerpflichtig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehören zu den gewerblichen Einkünften des Gesellschafters einer Personengesellschaft alle Einnahmen und Ausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung an der Gesellschaft haben. Erhält danach der Gesellschafter Schadensersatz, so ist dieser als Sonderbetriebseinnahme bei den gewerblichen Einkünften zu erfassen, wenn das schadensstiftende Ereignis mit der Stellung des Gesellschafters als Mitunternehmer zusammenhängt.

Der Kläger hatte vor dem Zivilgericht ein Urteil erstritten, durch das ihm gegen den Ersteller des Beteiligungsprospekts für einen gewerblich tätigen Filmfonds, dem der Kläger als Kommanditist beigetreten war, Schadensersatz wegen fehlerhafter Angaben in dem Prospekt zugesprochen worden war. Anders als das Finanzamt war der Kläger der Meinung, dass dieser Anspruch nicht der Besteuerung unterliege.

Der BFH entschied nun, dass auch Ansprüche aus zivilrechtlicher Prospekthaftung, die dem Mitunternehmer einer KG gegen einen Vermittler oder Berater zustehen, weil unzureichende Informationen über eine eingegangene Beteiligung erteilt wurden, der Besteuerung unterliegen. Dies gilt nicht nur für den Schadensersatz aus Prospekthaftung selbst, sondern auch für den Zinsanspruch, den der Kläger für die Dauer seines zivilgerichtlichen Schadensersatzprozesses erstritten hat.

BFH, Pressemitteilung vom 30.9.2021 zu Urteil vom 17.03.2021 – IV R 20/18

Kindergeld: Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung eines Hochschulstudium

Kinder, die das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können während eines Hochschulstudiums kindergeldrechtlich berücksichtigt werden. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, beginnt ein solches Hochschulstudium mit der erstmaligen Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen. Beendet ist das Hochschulstudium grundsätzlich dann, wenn das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse in schriftlicher Form zugänglich gemacht wurden.

Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1992 geborenen Tochter. Diese war ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang „Management“ eingeschrieben. Nachdem die Hochschule der Tochter zunächst den erfolgreichen Abschluss mündlich mitgeteilt hatte, stellte sie den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte die Tochter Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab. Im März 2017 bewarb sie sich für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft, das sie im April 2017 aufnahm. Die Familienkasse gewährte wegen des Masterstudiums bis einschließlich Oktober 2016 Kindergeld und wegen des Bachelorstudiums ab April 2017. Für März 2016 wurde die Tochter nicht wegen einer Ausbildung, sondern nur wegen ihrer Bewerbung für einen Studienplatz kindergeldrechtlich berücksichtigt. Für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 lehnte die Familienkasse und nachfolgend auch das Finanzgericht eine Kindergeldfestsetzung ab.

Der BFH hielt die dagegen gerichtete Revision der Klägerin für unbegründet. Danach kommt es für die Frage, wann ein Hochschulstudium beendet ist, regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem dem Kind die Prüfungsergebnisse mündlich mitgeteilt wurden. Denn dies ermöglicht dem Kind regelmäßig noch keine erfolgreiche Bewerbung für den angestrebten Beruf. Auch die häufig von entsprechenden Anträgen des Studierenden abhängige Aushändigung des Zeugnisses oder die Exmatrikulation eignen sich kaum, um das Ende eines Studiums festzulegen. Maßgebend ist vielmehr, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zudem muss das Kind eine schriftliche Bestätigung über sämtliche Prüfungsergebnisse entweder von der Hochschule zugesandt bekommen haben oder jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist dann, welches Ereignis früher eingetreten ist. Im Streitfall war daher ausschlaggebend, dass die Hochschule die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online gestellt hatte.

Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten werden kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie maximal vier Kalendermonate umfassen. Im Streitfall ging der BFH aber von einer fünf Kalendermonate umfassenden Übergangszeit aus. Denn das Masterstudium endete bereits im Oktober 2016. Das Bachelorstudium begann dagegen noch nicht mit der im März 2017 erfolgten Bewerbung, sondern erst als im April 2017 Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich stattfanden.

BFH, Pressemitteilung vom 23.09.2021 zu Urteil vom 07.07.2021, Az. III R 40/19

Bayern: Bemessungsgrundlage für den Haustrunk im Brauereigewerbe

Die unentgeltliche Abgabe von Getränken durch den Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer unterliegt nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG der Umsatzsteuer, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

Nichtsteuerbare Aufmerksamkeiten sind in diesem Zusammenhang nur gegeben, wenn der Unternehmer seinen Arbeitnehmern diese Waren zum Verzehr im Betrieb überlässt. Wendet der Unternehmer seinen Arbeitnehmern oder deren Angehörigen diesen Sachwert dagegen zur freien Verfügung außerhalb des Betriebs (zum sog. Häuslichen Verzehr) zu, so ist diese Sachzuwendung umsatzsteuerbar.

Bei der unentgeltlichen Abgabe von Haustrunk durch Brauereien an ihre Arbeitnehmer bestimmt sich die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten oder mangels Einkaufspreises nach den Selbstkosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Die Bemessungsgrundlage beim Haustrunk richtet sich somit grundsätzlich nach den Selbstkosten, sofern die jeweilige Brauerei eine innerbetriebliche Kostenrechnung erstellt.

Sofern die Selbstkosten jedoch – insbesondere bei kleineren und mittleren Brauereien – nicht ermittelt werden können, weil keine Kosten- und Leistungsrechnung vorliegt, ist hilfsweise der Ansatz einer sachgerechten Pauschale zulässig.

Mit Verfügung vom 27. Februar 2006, Az.: S 7100-7 St35N, wurde für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage beim Haustrunk seit dem 1. Januar 2005 eine sachgerechte Kostenpauschale in Höhe von 33 € je Hektoliter Bier durch das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) festgesetzt.

Mit Verfügung vom 13.07.2021, Az.: S 7206.2.1 -7/4 St33, wurde die Verfügung des BayLfSt aus dem Jahr 2006 mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

Im Hinblick auf das schützenswerte Vertrauen der Brauereien in die bisherige Verwaltungsregelung des BayLfSt findet der Ansatz in Höhe von 33 € je Hektoliter als Bemessungsgrundlage für den Haustrunk weiterhin bis einschließlich 31. Dezember 2021 Anwendung, sofern die Selbstkosten nicht konkret anhand einer innerbetrieblichen Kostenrechnung der jeweiligen Brauerei ermittelt werden können.

Ab dem 1. Januar 2022 wird die Pauschale für die Bemessungsgrundlage des Haustrunks auf 39 € je Hektoliter festgesetzt.

Übersicht: Sachgerechte Kostenpauschale

Bis einschließlich 31. Dezember 2021: 33 € je Hektoliter

Ab 1. Januar 2022: 39 € je Hektoliter

BayLfSt, Verfügung vom 15.9.2021, S 7206.2.1/13 St33

Zweckgebundene Spende kann anzuerkennen sein

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass ein Spendenabzug auch dann möglich ist, wenn die Spende einer konkreten Zweckbindung unterliegt und z.B. in konkreter Weise einem bestimmten Tier zugutekommen soll.

Im Streitfall hatte die Klägerin einen im Tierheim lebenden „Problemhund“ in ihr Herz geschlossen. Dem kaum mehr vermittelbaren Tier wollte sie durch die dauerhafte Unterbringung in einer gewerblichen Tierpension helfen. Zu diesem Zweck übergab sie bei einem Treffen mit einer Vertreterin eines gemeinnützigen Tierschutzvereins und der Tierpension einen Geldbetrag von 5.000 €. Der Tierschutzverein stellte der Klägerin eine Zuwendungsbestätigung („Spendenbescheinigung“) über diesen Betrag aus. Nachfolgend lehnten das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) einen Spendenabzug aber ab.

Der BFH hat die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Die Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks der Spende durch die Klägerin stehe dem steuerlichen Abzug nicht entgegen. Voraussetzung sei allerdings, dass sich die Zweckbindung im Rahmen der vom Tierschutzverein verfolgten steuerbegünstigten Zwecke halte. Ob die Unterbringung des Hundes in einer Tierpension der Förderung des Tierwohles diene, müsse das FG daher noch prüfen. Die für den Spendenabzug ebenfalls erforderliche Unentgeltlichkeit der Zuwendung fehle zwar, wenn eine Spende einer konkret benannten Person zugutekommen solle und hierdurch letztlich verdeckt Unterhalt geleistet oder eine Zusage erfüllt werde. Hiervon sei vorliegend aber nicht auszugehen, zumal der Problemhund nicht der Klägerin gehört habe.

BFH, Pressemitteilung vom 16.09.2021 zu Urteil vom 16.03.2021 – X R 37/19

Von Sterbegeldversicherung getragene Beerdigungskosten sind nicht als Erbfallkosten abzugsfähig

Beerdigungskosten sind, soweit sie durch eine von der Erblasserin abgeschlossene Sterbegeldversicherung geleistet werden, nicht als Erbfallkosten abzugsfähig, wenn der Versicherungsanspruch an ein Bestattungsunternehmen abgetreten wurde.

Die Kläger der beiden Verfahren sind Geschwister, die gemeinsam Erben ihrer im Jahr 2019 verstorbenen Tante geworden sind. Von den Beerdigungskosten wurde ein Teilbetrag in Höhe von etwa 6.800 Euro von einer von der Tante abgeschlossenen Sterbegeldversicherung übernommen. Diese hatte den Auszahlungsanspruch gegen die Versicherung bereits zu Lebzeiten an das Bestattungsunternehmen abgetreten.

Das Finanzamt bezog den Anspruch der Tante gegen die Sterbegeldversicherung im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagungen in den steuerpflichtigen Erwerb ein und zog für Erbfallschulden den Pauschbetrag in Höhe von 10.300 Euro nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ab. Die Kläger machten demgegenüber höhere Erbfallkosten von ca. 15.000 Euro geltend, wobei sie den von der Versicherung übernommenen Betrag in die Erbfallschulden einberechneten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Von den geltend gemachten Erbfallkosten in Höhe von ca. 15.000 Euro seien, so der 3. Senat des Finanzgerichts Münster, jedenfalls die von der Versicherung übernommenen 6.800 Euro nicht abzugsfähig, sodass die Erbfallkostenpauschale von 10.300 Euro nicht überschritten sei. Die Voraussetzungen für deren Gewährung lägen vor. Der Pauschbetrag setze voraus, dass den Erben dem Grunde nach berücksichtigungsfähige Kosten entstanden seien. Den Klägern seien Kosten für die Beerdigung der Tante entstanden, weil die Sterbegeldversicherung nicht sämtliche Beerdigungskosten abgedeckt habe. Allerdings überstiegen die tatsächlichen Kosten den Pauschbetrag nicht. Abzugsfähig seien nur solche Kosten, die dem Erben auch tatsächlich entstanden sind. Die von der Versicherung getragenen Kosten seien den Klägern wegen der insoweit noch zu Lebzeiten der Tante erfolgten Abtretung des Versicherungsanspruchs an das Bestattungshaus nicht entstanden. Dieser Anspruch habe aufgrund der Abtretung nicht zur Erbmasse gehört. Der dagegen zur Erbmasse gehörende Anspruch gegen das Bestattungshaus auf Bestattungsleistungen sei durch die tatsächliche Erbringung dieser Leistungen erloschen, ohne dass den Klägern insoweit Kosten entstanden seien.

Der Senat hat in beiden Verfahren die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.09.2021 zu den Urteilen 3 K 1551/20 Erb und 3 K 1552/20 Erb vom 19.08.2021

Keine Rückstellung für Steuernachforderungen im Steuerentstehungsjahr

Für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuern kann im Steuerentstehungsjahr noch keine Rückstellung gebildet werden. Ebenfalls unzulässig ist die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung bei einem Klein- bzw. Kleinstbetrieb.

Dies hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt ein Taxiunternehmen. Nach der BpO wurde sie bis 2012 als Kleinstbetrieb und ab 2013 als Kleinbetrieb eingestuft. Im Jahr 2017 führte das Finanzamt bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für 2013 und 2014 und eine Betriebsprüfung für 2012 bis 2014 als sog. Kombiprüfung durch, in deren Rahmen es u. a. Feststellungen zu nicht vollständig erfassen Umsätzen traf. Die Prüfung wurde mit einer tatsächlichen Verständigung abgeschlossen, die zu höheren Umsätzen und Gewinnen sowie zu zusätzlichen Arbeitslöhnen führte. Das Finanzamt setzte diese Verständigung durch Erlass entsprechender Steuerbescheide und eines Lohnsteuerhaftungsbescheids um.

Daraufhin machte die Klägerin geltend, dass für 2012 eine Rückstellung für zusätzlichen Steuerberatungsaufwand im Zusammenhang mit der Prüfung und für 2014 eine Rückstellung für die Lohnsteuerhaftungsbeträge zu bilden seien. Beides lehnte das Finanzamt ab.

Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben. Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat in beiden Punkten die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten versagt.

Für den zusätzlichen Beratungsaufwand im Zusammenhang mit der Außenprüfung habe im Jahr 2012 noch keine Rückstellung gebildet werden können, denn das auslösende Ereignis für die Aufwendungen sei erst deren Durchführung im Jahr 2017 gewesen. Am 31.12.2012 habe die Klägerin noch nicht mit einer späteren Prüfung rechnen müssen, da es sich bei ihr nicht um einen Großbetrieb handele und sie deshalb nicht der Anschlussprüfung unterliege.

Auch für die Lohnsteuernachforderung sei erst durch den Haftungsbescheid im Jahr 2017 eine Zahlungsverpflichtung der Klägerin begründet worden. Eine Rückstellung dürfe zu einem früheren Bilanzstichtag nur gebildet werden, wenn mit einer Inanspruchnahme zu rechnen gewesen sei. Dies sei nach der BFH-Rechtsprechung bei hinterzogenen Steuern frühestens dann der Fall, wenn eine Aufdeckung der Hinterziehung unmittelbar bevorstehe. Für nicht hinterzogene Steuern sei diese Frage noch nicht abschließend geklärt. Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster ist der Auffassung gefolgt, dass auch insoweit erst dann eine Rückstellung gebildet werden könne, wenn ernsthaft mit einer quantifizierbaren Inanspruchnahme durch das Finanzamt gerechnet werden könne. Dies sei im Streitfall frühestens mit Beginn der Prüfung im Jahr 2017 gewesen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat offen lassen, ob und in welchem Umfang die Klägerin Lohnsteuerbeträge hinterzogen hatte.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. XI R 19/21 anhängig.

FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2021 zum Urteil 10 K 2084/18 K,G vom 24.06.2021 (nrkr – BFH-Az.: XI R 19/21)

Kein Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer, die der Arbeitsnehmer aufgrund eines Rückgriffsanspruchs erstattet hat

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass Kirchensteuerbeträge, für die der Arbeitgeber in Haftung genommen wurde und die der Arbeitnehmer aufgrund eines Rückgriffsanspruchs erstattet hat, von diesem nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2014 eine bislang nicht der Lohnsteuer unterworfene Sachzuwendung erhalten hatte. Das Finanzamt nahm daraufhin die GmbH gemäß § 42d EStG für Lohnsteuer und Kirchensteuer in Haftung. Der Kläger erstattete der GmbH den Haftungsbetrag im Jahr 2017 zur Erfüllung eines Regressanspruchs.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 machten der Kläger und seine ebenfalls klagende Ehefrau den in der Zahlung enthaltenen Kirchensteuerbetrag als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt lehnte den Sonderausgabenabzug ab, weil der Kläger nicht als Steuerschuldner, sondern aufgrund eines zivilrechtlichen Anspruchs gezahlt habe.

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG seien als Kirchensteuern nur solche Leistungen abzugsfähig, die von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften von ihren Mitgliedern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erhoben werden. Der Sonderausgabenabzug setze daher voraus, dass der Steuerpflichtige die Kirchensteuer selbst schulden müsse. Im Streitfall habe der Kläger die Zahlung nicht aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer Kirche geleistet, sondern aufgrund eines zivilrechtlichen Anspruchs seiner Arbeitgeberin. Bei der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld habe es sich um eine fremde Steuerschuld und nicht um eine persönliche Kirchensteuerschuld des Klägers gehandelt.

Der Bundesfinanzhof hat nunmehr im Verfahren über die von den Klägern erhobene Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen. Diese ist dort unter dem Aktenzeichen X R 16/21 anhängig.

FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2021 zum Urteil 12 K 3738/19 E vom 23.06.2020 (nrkr – BFH-Az.: X R 16/21)

Umsatzsteuerpflicht bei Gesundheitsleistungen ohne ärztliche Verordnung

Die Beteiligten stritten über die umsatzsteuerliche Behandlung von physiotherapeutischen und damit im Zusammenhang stehenden Leistungen.

Die Klägerin ist ein Gesundheitsdienstleister im Bereich der Physiotherapie. In ihren Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre behandelte sie physiotherapeutische Leistungen an Patienten, die ihre Therapien im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten (sog. Selbstzahler), als umsatzsteuerfrei. Sie vertrat die Ansicht, dass es sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen handele und eine fortlaufende Verordnung nicht zwingend erforderlich sei. Zudem seien gesondert in Rechnung gestellte Nebenleistungen (Kinesio-Taping, Wärme- und Kältetherapie, Extensionsbehandlung, bestimmte zertifizierte Kurse, Rehasport und zusätzliche Gerätetrainingsmöglichkeiten) ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen stünden.

Das beklagte Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, die Klägerin habe für die Umsätze, die auf Selbstzahler entfielen, den therapeutischen Zweck der Leistungen nicht nachgewiesen. Bei den übrigen Leistungen handele es sich um optionale Leistungen und nicht um unselbständige Nebenleistungen.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage in seinem Urteil vom 16.04.2021 zum Teil stattgegeben. Die von der Klägerin im Bereich des Rehasports erbrachten Leistungen stellten steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dar. Dies sei durch die ärztlichen Verordnungen nachgewiesen. Auch die Erlöse von Selbstzahlern seien zum Teil steuerfrei. Der Therapiezweck sei dabei aber nur in den Fällen nachgewiesen, in denen erstens bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorgelegen habe und zweitens spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen der derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung zur Physiotherapie vorgelegt worden sei.

Hinsichtlich der übrigen Leistungen hat der Senat die Klage als unbegründet abgewiesen. Diesbezüglich habe die Klägerin nicht nachweisen können, dass diese Leistungen einen über die allgemeine Gesundheitsförderung hinausgehenden therapeutischen Zweck hätten. Insbesondere lägen keine ärztlichen Verordnungen vor. Die Leistungen seien auch nicht unerlässlicher Bestandteil der von der Klägerin erbrachten Leistungen Physiotherapie und Rehasport. Die Umsätze seien mit dem regulären Steuersatz zu besteuern. Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG (Verabreichung von Heilbädern) sah der Senat nicht als erfüllt an.

Das Urteil ist rechtskräftig. Die vom Gericht zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

FG Düsseldorf, Mitteilung vom 09.09.2021 zum Urteil 1 K 2249/17 vom 16.04.2021 (rkr)

„Stimmen-Patt“ begründet keine Betriebsaufspaltung

Eine Betriebsaufspaltung liegt nicht vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter in der Betriebskapitalgesellschaft nur über exakt 50 % der Stimmen verfügt. Dabei sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes jedenfalls dann nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Im Streitfall waren die Klägerin und ihre beiden Kinder mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte die Klägerin bereits seit Jahren ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem die Klägerin in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, sah das Finanzamt (FA) die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als gegeben an. Es meinte, die Klägerin könne die GmbH, obwohl sie nur 50 % der Stimmen innehabe, aufgrund ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen, so dass neben der sachlichen auch die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung vorliege. Die Klägerin erziele daher aus der Grundstücksverpachtung gewerbliche Einkünfte.

Das Finanzgericht sah das anders und gab der Klage statt. Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Der BFH verneinte ebenfalls das Vorliegen einer personellen Verflechtung. Die Anteile ihres minderjährigen Kindes seien der Klägerin nicht zuzurechnen, da für dieses eine Ergänzungspflegschaft bestehe, die auch dessen Gesellschafterrechte umfasse. In einem solchen Fall lägen keine gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen vor. Die Beteiligung der Klägerin von exakt 50 % der Stimmen reiche aufgrund der „Patt-Situation“ für eine Beherrschung nicht aus.

BFH, Pressemitteilung vom 09.09.2021 zu Urteil vom 14.04.2021, X R 5/19