Leistungen einer Hygienefachkraft sind umsatzsteuerfrei

Gegenüber Alten- und Pflegeeinrichtungen erbrachte Leistungen einer selbstständigen Hygienefachkraft sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei. Dies hat der 15. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Der Kläger ist ausgebildeter Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und als selbstständige Hygienefachkraft tätig. Seine Leistungen erbringt er unter anderem gegenüber Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegezentren. Hierzu gehören die Schulung, Beratung und Fortbildung des Personals, die Erstellung von Hygienekonzepten und -plänen, die Festlegung der Vorgehensweise bei einer Isolierung von Patienten sowie Hausbegehungen. Das Finanzamt behandelte die gegenüber Krankenhäusern erbrachten Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfrei, unterwarf jedoch die gegenüber Alten- und Pflegeheimen erbrachten Leistungen der Besteuerung. Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine vollständige Freistellung seiner Umsätze, da Altenheime im Hinblick auf Hygienestandards Krankenhäusern gleichzustellen seien.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat der Klage stattgegeben. Die streitigen Leistungen fielen zwar nicht unter eine nationale Befreiungsvorschrift des UStG; der Kläger könne sich aber unmittelbar auf die MwStSystRL berufen. Den für eine Einordnung der Leistungen als Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erforderlichen unmittelbaren Bezug zu einer Behandlungstätigkeit in Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen im Einzelfall habe der Kläger nicht nachgewiesen. Aus dem gleichen Grund könne er sich auch nicht auf die Befreiungsvorschrift für Leistungen einer Hygienefachkraft zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern (§ 4 Nr. 14 Buchst. e UStG) berufen. Zudem sei diese Vorschrift im Streitjahr 2012 noch nicht anwendbar gewesen. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG lägen nicht vor, da die Alten- und Pflegeheime keine häusliche Pflege erbracht hätten bzw. der Kläger seine Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Heimbewohnern erbracht habe.

Allerdings fielen die streitigen Leistungen unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, wonach eng mit der Betreuung oder Pflege hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen steuerfrei seien. Diese Vorschrift sei nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt worden, sodass der Kläger sich unmittelbar hierauf berufen könne. Die Hygieneleistungen seien eng mit den der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätzen der Alten- und Pflegeheime verbunden, da gerade dort die Einhaltung hygienischer Anforderungen unerlässlich sei, was insbesondere während der noch andauernden Corona-Pandemie mehr als deutlich geworden sei. Gerade Bewohner dieser Einrichtungen seien besonders anfällig für Infektionen und damit besonders schutzbedürftig. Der Kläger sei auch als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen, da sein Tätigkeitsbereich durch spezifische Vorschriften des HeimG sowie durch Empfehlungen der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention geregelt und die Tätigkeit von überragendem Gemeinwohlinteresse sei.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.10.2021 zum Urteil 15 K 2712/17 vom 01.06.2021

Bescheidänderung bei falscher zeitlicher Zuordnung von Hinzuschätzungsbeträgen möglich

Wird ein Hinzuschätzungsbetrag zunächst auf mehrere Jahre verteilt, obwohl eine Erfassung des Gesamtbetrages nur in einem Jahr zutreffend wäre, ist der Bescheid dieses Jahres nach § 174 Abs. 4 AO änderbar. Dies hat der 2. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin, eine GbR, erzielt gewerbliche Einkünfte aus einem Kraftfahrzeughandel. Eine bei ihr durchgeführte Betriebsprüfung stellte ungeklärte Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto fest und führte eine Bargeldverkehrsrechnung durch, die zu Unterdeckungen führte. Im Rahmen der Schlussbesprechung einigte man sich auf einen hinzuzuschätzenden Gesamtbetrag von 150.000 Euro, der gleichmäßig auf die Prüfungsjahre 2008 bis 2010 zu verteilen sei. Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechende Feststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide.

Gegen die Bescheide für die Jahre 2009 und 2010 legte die Klägerin Einsprüche ein mit der Begründung, dass für 2008 festgestellte Fehlbeträge keine Hinzuschätzungen für diese Jahre rechtfertigen könnten. Dem folgte das Finanzamt und half den Einsprüchen durch Erlass von Änderungsbescheiden ab.

Zugleich änderte das Finanzamt die zwischenzeitlich bestandskräftigen Bescheide für 2008 gemäß § 174 Abs. 4 AO dahingehend, dass es nunmehr in diesem Jahr den gesamten Hinzuschätzungsbetrag von 150.000 Euro berücksichtigte. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift nicht vorlägen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der 2. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO im Streitfall vorgelegen hätten. Danach können, wenn auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

Der Umstand, dass die Klägerin Einnahmen erzielt, aber nicht erklärt habe, stelle einen bestimmten Sachverhalt im Sinne dieser Vorschrift dar. Dieser Sachverhalt sei vom Finanzamt im Hinblick auf die zeitliche Zuordnung des Hinzuschätzungsbetrags irrig beurteilt worden, da im Jahr 2008 erwirtschaftete Einnahmen nicht den Folgejahren zuzurechnen seien. Die Gesamthöhe der festgestellten Fehlbeträge von 150.000 Euro sei hingegen nicht irrig beurteilt worden. Gerade die irrige Beurteilung der falschen zeitlichen Zuordnung und nicht etwa die Änderung der Schätzungsmethode habe zum Erfolg der Einsprüche für die Jahre 2009 und 2010 geführt.

Der Senat hat im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis die vom Finanzamt durchgeführte Schätzung übernommen, da allein auf dem betrieblichen Bankkonto der Klägerin ungeklärte Bargeldzuflüsse in Höhe von 225.000 Euro zu verzeichnen seien. Dies lasse den Rückschluss zu, dass diese auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2021 zum Urteil 2 K 1155/19 G,F vom 14.09.2021

Abziehbarkeit von Zahlungen an beeinträchtigte Nach- bzw. Vertragserben

Bei der Schenkungsteuer sind Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche eines Erben oder Nacherben steuermindernd zu berücksichtigen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Im Streitfall hatten die Eltern des Klägers ihre Söhne als Nacherben nach dem letztversterbenden Elternteil eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters schenkte die Mutter dem Kläger ein Grundstück aus dem Nachlassvermögen. Einer seiner Brüder machte nach dem Tod der Mutter deswegen gegen den Kläger zivilrechtliche Herausgabeansprüche geltend. Aufgrund eines Vergleichs leistete der Kläger zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Zahlung.

Der Kläger begehrte rückwirkend die steuermindernde Berücksichtigung dieser Zahlung bei der Besteuerung der von der Mutter erhaltenen Schenkung. Das Finanzamt lehnte dies ab. Dagegen haben das Finanzgericht und der BFH dem Kläger Recht gegeben.

Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei den Zahlungen zur Abwendung von Herausgabeansprüchen von Erben oder Nacherben um Kosten, die dazu dienen, das Geschenkte zu sichern. Sie können daher steuermindernd rückwirkend berücksichtigt werden. Ein bereits ergangener Schenkungsteuerbescheid ist entsprechend zu ändern.

BFH, Pressemitteilung vom 14.10.2021 zu Urteil vom 06.05.2021, Az. II R 24/19

Abzinsungssatz von 5,5 % für unverzinsliche Darlehensverbindlichkeiten ist verfassungsgemäß

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass gegen den Abzinsungssatz von 5,5 % für unverzinsliche Darlehensverbindlichkeiten keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Der Kläger betreibt einen Autohandel. In seiner auf den Schluss des Streitjahres 2016 erstellten Bilanz wies er zwei Darlehensverbindlichkeiten, die bereits seit ca. 20 Jahren bestanden, zum Nennwert aus. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Erkenntnis, dass es sich hierbei um unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit handele, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Rechnungszinsfuß von 5,5 % abzuzinsen und entsprechend niedriger zu bewerten seien. Den Differenzbetrag erfasste es gewinnerhöhend.

Hiergegen wandte der Kläger ein, dass der Zinssatz von 5,5 % wegen der seit mehreren Jahren andauernden Nullzinsphase verfassungswidrig sei.

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers im Hinblick auf den Zinssatz hat das Gericht nicht geteilt. Das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruhe auf der sachgerechten typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belaste als eine sofortige Leistungspflicht. Dieser Minderaufwand werde kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen, während gegenläufig aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit ein Aufzinsungsaufwand entstehe, bis der Rückzahlungszeitpunkt erreicht sei. Die Abzinsung bewirke daher im Ergebnis lediglich eine temporäre Gewinnverschiebung. Eine solche temporäre Gewinnverschiebung sei verfassungsrechtlich am Maßstab der Willkürkontrolle zu beurteilen.

Für das Streitjahr 2016 sei der Rechnungszinssatz von 5,5 % nicht verfassungsrechtlich willkürlich gewählt worden. In diesem Jahr habe der Fremdkapitalmarktzinssatz in unterschiedlichen Konstellationen noch 2,45 % bis 3,71 % betragen. Darüber hinaus seien im Einzelfall vorliegende weitere Faktoren wie Bonität des Schuldners und fehlende Besicherung des Darlehens einzubeziehen.

Die bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zinssatzhöhe nach § 238 AO seien nicht auf den Abzinsungssatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG übertragbar, weil dieser nicht den Nutzungsvorteil für die Überlassung von Kapital abschöpfen solle, sondern eine interne Rechengröße für die Bewertung einer unverzinslichen Verbindlichkeit darstelle. Schließlich ließe sich die Abzinsung durch entsprechende Gestaltungen vermeiden, etwa durch „Kettendarlehen“, die für weniger als zwölf Monate gewährt und immer wieder verlängert werden oder durch Vereinbarung eines Zinssatzes knapp über 0 %.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2021 zum Urteil 10 K 1707/20 E,G vom 22.07.2021

Zum Anspruch auf Scannen der gesamten Akten

Aus § 78 Abs. 1 FGO lässt sich grundsätzlich weder ein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten noch ein Anspruch darauf, den gesamten Akteninhalt selbst –ggf. unter Nutzung eines eigenen Kopiergerätes– zu kopieren, herleiten. Das entschied der BFH.

Dies gilt nicht, wenn der Beteiligte substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass ihm hierdurch erst eine sachgerechte Prozessführung ermöglicht wird.

Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Fall, dass ein Beteiligter den Akteninhalt mit Hilfe eines eigenen Gerätes scannen will.

BFH, Beschluss vom 09.08.2021, Az. VIII B 70/21

Gewerbesteuer: Ein DJ kann ein Künstler sein

Die Klage eines DJs gegen seine Einordnung als Gewerbetreibender war erfolgreich: Der 11. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hat entschieden, dass der Kläger als Künstler Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt und damit keine Gewerbesteuer zahlen muss.

Der Kläger legte im Streitjahr 2016 bei Hochzeiten, Geburtstagsfeiern sowie Firmenveranstaltungen gegen Entgelt auf. Gelegentlich trat er auch in Clubs auf. Mit dem jeweiligen Auftraggeber vereinbarte er, dass er weder in der Programmgestaltung noch in der Darbietung Weisungen unterliegt und dass Stil und Art der Darbietung im Vorfeld abgesprochen und eingehalten werden.

Das Finanzamt ordnete die Tätigkeit des Klägers als gewerblich ein und erließ für das Jahr 2016 einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid. Der Kläger sei nicht künstlerisch tätig, weil er nicht die nötige Gestaltungshöhe erreiche. Seine Remixe von Liedern würden den Originalsongs stark ähneln. Die Veränderungen im Beat und Klang seien nicht so bedeutend, dass dadurch neue Musikstücke entstünden. Er habe keine Klangfolgen mit dominierender eigener Prägung erzeugt. Bei der Veränderung der Musikstücke mit Hilfe von DJ-Software und der Gestaltung von Übergängen zwischen den Liedern handele es sich schwerpunktmäßig um technische Arbeit, hinter die der künstlerische Anteil seiner Leistung zurücktrete. Außerdem seien seine Möglichkeiten zur freien schöpferischen Gestaltung begrenzt. Denn er spiele Musik ab, die vom Auftraggeber gewünscht werde, die auf das Publikum zugeschnitten sei und zur Art der Veranstaltung (z. B. Hochzeit oder Betriebsfeier) passe.

Der Kläger wandte dagegen ein, dass er Lieder nicht lediglich abspiele, sondern sie in neue, eigene Musikstücke verändere. Er lege andere Beats, welche teilweise selbst erzeugt seien, unter die Songs, variiere die Abspielgeschwindigkeit, verwende Spezialeffekte, spiele Samples (d. h. Teile einer Ton- oder Musikaufnahme) ein oder vermische mehrere Musikstücke. Bekannte Songs erhielten dadurch einen anderen, neuen Charakter.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid aufgehoben. Die Richter entschieden, dass der Kläger als Künstler auftrete und deshalb Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erziele.

Zur Begründung führte der Senat aus, dass der Kläger nicht nur Lieder anderer Interpreten abspiele. Vielmehr biete er neue Musik dar. Er gebe den Musikstücken anderer Künstler durch Vermischung und Bearbeitung einen neuen Charakter. Er führe sie damit in dem ihm eigenen Stil auf und vollbringe eine eigenschöpferische Leistung. Plattenteller, Mischpult, CD-Player und Computer würden von ihm als „Instrumente“ genutzt. Er mische und bearbeite die Musikstücke und füge Töne sowie Geräusche hinzu. Als moderner DJ erzeuge er durch die Kombination von Songs, Samples, z.T. selbst hergestellten Beats und Effekten ein neues Klangerlebnis. Für die Einordnung als Künstler spiele es keine Rolle, auf welcher Art von Veranstaltung der Kläger auftrete. Entscheidend sei, dass er – ähnlich einer Live-Band – mit Hilfe von „Instrumenten“ Tanzmusik unterschiedlicher Genres aufführe.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

FG Düsseldorf, Mitteilung vom 14.10.2021 zu Urteil vom 12.08.2021 – 11 K 2430/18 (rkr)

Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ kein steuerpflichtiger Kapitalertrag

Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ an private Kleinanleger führt nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das entschied der BFH.

§ 20 Abs. 4a Satz 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist auch auf ausländische Vorgänge anwendbar, die bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung der Abspaltung nach deutschem Recht entsprechen.

Der Kläger hielt Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt und das Unternehmenskundengeschäft der HPI auf ihre Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) übertragen worden war, erhielten die Aktionäre im Rahmen eines sog. „Spin-Off“ Aktien der HPE. Diese buchte die Bank des Klägers in dessen Depot ein. Der Kläger war nunmehr im selben Verhältnis an beiden Gesellschaften beteiligt. Das Finanzamt (FA) behandelte die Aktienzuteilung beim Kläger als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück. Eine steuerneutrale Zuteilung von Aktien nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG sei auch bei einem US-amerikanischen „Spin-Off“ möglich. Voraussetzung sei, dass die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes erfüllt seien. Die Kapitalverkehrsfreiheit gebiete eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auf ausländische Vorgänge. Rechtsfolge der Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG sei, dass die Einbuchung der aufgrund des „Spin-Off“ erhaltenen Aktien im Depot des Klägers nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führe. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der Aktien der HPE bzw. HPI seien etwaige Veräußerungsgewinne zu versteuern.

BFH, Pressemitteilung vom 14.10.2021 zu Urteil vom 01.07.2021, Az. VIII R 9/19

Keine Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze eines Tennislehrers

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass für Umsätze eines Tennislehrers weder eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL – noch nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) Umsatzsteuergesetz – UStG – in Betracht komme, da es sich um die Vermittlung von Spezialkenntnissen handele.

Im Streitfall war der Kläger aufgrund einer jährlich fortgeschriebenen (Grundlagen-)Vereinbarung mit einem eingetragenen Verein – e.V. –, der sich dem Tennissport widmet, als freiberuflicher (Tennis-)Übungsleiter im (vereins-)organisierten Training überwiegend für den Jugend-/Nachwuchsbereich tätig. Der Kläger verfügte über Bescheinigungen zweier Landesregierungen, worin bestätigt wird, dass der von dem Kläger angebotene angebotenen Tennisunterricht ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass der Begriff „die dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen“ in § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG richtlinienkonform i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MwStSystRL auszulegen sei. Die richtlinienkonforme Auslegung überschreite auch nicht den Wortlaut des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG, da der Wortlaut der Befreiung nach der MwStSystRL weiter sei. Demnach würden solche Leistungen dann vorliegen, wenn es sich um Schul- und Hochschulunterricht im Sinne der MwStSystRL handele.

Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Az. C-449/17; C-47/19), des Bundesfinanzhofs (Az. V R 7/19) und des Niedersächsischen Finanzgerichts (Az. 11 K 170/19) folgend, hat das Finanzgericht Berlin auch für den Unterricht eines Tennislehrers entschieden, dass es sich nicht um Schul- bzw. Hochschulunterricht handele. Im Vordergrund stehe, das Erlernen der Fähigkeiten, die zum Tennisspielen benötigt würden und daher die Vermittlung von Spezialkenntnissen, die gerade kein breites und vielfältiges Spektrum von Stoff abdecken würden. Die vorgelegten Bescheinigungen der Landesbehörden hätten lediglich Indizwirkung, die widerlegt worden sei.

Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Muster der Vordrucke im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2022

Im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und -Vorauszahlungsverfahren werden für die Voranmeldungszeiträume ab Januar 2022 die beiliegenden Vordruckmuster eingeführt:

  • USt 1 A Umsatzsteuer-Voranmeldung 2022

  • USt 1 H Antrag auf Dauerfristverlängerung und Anmeldung der Sondervorauszahlung 2022

  • USt 1 E Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2022

Das BMF-Schreiben einschließlich der Muster ist hier auf der Internetseite des BMF veröffentlicht (PDF).

BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7344 / 19 / 10001 :003 vom 11.10.2021

Spielhallen können Bewirtungskosten nur teilweise steuerlich absetzen

Stellt eine Spielhalle ihren Besuchern kostenlose Getränke und Snacks zur Verfügung, so liegt hierin eine Bewirtung aus geschäftlichem Anlass, deren Kosten nur zu 70 % den Gewinn mindern. Dies hat der 10. Senat des Finanzgerichts Köln entschieden.

Die Klägerin betreibt mehrere Spielhallen. Um ihren Besuchern den Aufenthalt in den Spielhallen angenehm zu gestalten und die Spielzeit zu verlängern, bot die Klägerin diesen kostenlos ein bis zwei Getränke sowie geschnittenes Baguette, Pizzaecken und Kuchen an. Die Kosten hierfür beliefen sich auf rund 30.000 Euro im Jahr. Im Rahmen einer Betriebsprüfung erhöhte das Finanzamt die Gewinne der Klägerin um 30 % dieser Aufwendungen. Es handele sich nicht lediglich um eine Aufmerksamkeit wie bspw. einen Besprechungskaffee. Vielmehr lägen Bewirtungskosten vor, die nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 Einkommensteuergesetz den Gewinn nicht mindern dürften, soweit sie 70 % der Aufwendungen überstiegen.

Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin einen vollständigen Abzug der Kosten geltend machte, war erfolglos. Nach der Urteilsbegründung sei die unentgeltliche Überlassung von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr durch Kunden stets eine Bewirtung, die zum eingeschränkten Betriebsausgabenabzug führe. Es komme nicht darauf an, ob die Beköstigung im Vordergrund stehe oder ob diese aus der Sicht des Bewirtenden in erster Linie der Werbung oder Repräsentation diene. Auch liege keine bloße Aufmerksamkeit gegenüber den Besuchern vor, bei denen die Finanzverwaltung einen vollständigen Betriebsausgabenabzug zulasse. Denn es handele sich nicht nur um eine Geste der Höflichkeit; vielmehr solle sich der Spielgast möglichst lange in der Spielhalle aufhalten, um höhere Einnahmen zu erzielen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wird unter dem Aktenzeichen IX R 54/21 beim Bundesfinanzhof in München geführt.

FG Köln, Pressemitteilung vom 11.10.2021 zum Urteil 10 K 2648/20 vom 29.04.2021 (nrkr – BFH-Az.: IX R 54/21)