Keine Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim bei dreijähriger Renovierungsphase

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass der Erwerb eines Familienheims nicht steuerbefreit ist, wenn der Erbe das Objekt erst nach einer dreijährigen Renovierungsphase bezieht.

Der Kläger ist Alleinerbe seines Vaters, der eine Doppelhaushälfte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 bewohnt hatte. Die angrenzende Doppelhaushälfte bewohnte der Kläger bereits mit seiner Familie. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger beide Doppelhaushälften und nahm in der Hälfte des Vaters umfangreiche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, teilweise in Eigenleistung, vor. Seit Abschluss dieser Arbeiten im Jahr 2016 nutzt der Kläger das gesamte Haus als einheitliche Wohnung.
Das beklagte Finanzamt versagte die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim unter Hinweis auf die dem Kläger anzulastende Verzögerung. Demgegenüber führte der Kläger aus, dass er unmittelbar nach dem Tod seines Vaters mit der Renovierung begonnen habe. Die Maßnahmen hätten allerdings eine vorherige Trockenlegung des Hauses erfordert und sich aufgrund der angespannten Auftragslage der beauftragten Handwerker weiter verzögert.
Der Senat hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt habe. Dies erfordere nicht nur die Absicht, das Haus zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, sondern auch die Umsetzung dieser Absicht in Form eines tatsächlichen Einzugs. Bei Renovierungsmaßnahmen handele es sich lediglich um Vorbereitungshandlungen, die bei Überschreitung eines angemessenen Zeitraums von sechs Monaten nur dann eine unverzügliche Selbstnutzung darstellten, wenn die Verzögerung nicht dem Erwerber anzulasten sei.
Im Streitfall sei dieser Sechsmonatszeitraum deutlich überschritten worden. Dem Kläger sei anzulasten, dass er keine schnelleren Möglichkeiten, das Haus trockenzulegen, erfragt und angewandt habe. Ferner sei das Haus nach dem vorgelegten Bildmaterial erst mehr als sechs Monate nach dem Tod des Vaters geräumt und entrümpelt worden. Der Kläger habe die angespannte Auftragslage der von ihm ins Auge gefassten Unternehmer hingenommen. Nach den vorgelegten Rechnungen hätten die maßgeblichen Umbauarbeiten erst Anfang 2016 und damit über zwei Jahre nach dem Tod des Vaters begonnen.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
(FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2019 zu Urteil vom 24.10.2019 – 3 K 3184/17)

Aufwendungen für einen Forschungsaufenthalt im Ausland sind um steuerfreie Stipendien zu kürzen

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass vorweggenommene Werbungskosten für einen Forschungsaufenthalt in den USA um für diesen Aufenthalt gewährte steuerfreie Stipendien zu kürzen sind.

Die Klägerin ist promovierte Historikerin und war im Streitjahr 2014 zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer inländischen Universität tätig, bevor sie einen Forschungsaufenthalt in Washington D. C. antrat. Das Deutsche Historische Institut (DHI) gewährte der Klägerin hierfür ein Forschungsstipendium in Höhe eines monatlichen Festbetrages und einer einmaligen Reisepauschale. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin im Zusammenhang mit dem Auslandsaufenthalt Werbungskosten (Reisekosten, doppelte Haushaltsführung und Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Washington) geltend. Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, die Aufwendungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreien Einnahmen aus dem Stipendium.
Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Das Finanzamt habe die als vorweggenommene Werbungskosten anzusehenden Aufwendungen zu Recht um die Zahlungen des DHI gekürzt. Hinsichtlich der Reisekosten sei die Klägerin bereits wirtschaftlich nicht belastet worden, weil diese durch die Reisepauschale abgedeckt seien. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Fahrten in Washington seien nach § 3c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig, weil sie unmittelbar mit dem steuerfreien Stipendium im Zusammenhang stünden. Die Zahlung sei nach dem Bewilligungsschreiben des DHI an den tatsächlichen Aufenthalt der Klägerin in Washington gebunden gewesen. Nach den Allgemeinen Stipendienbedingungen des DHI sei das Stipendium allein zum Zwecke eines bestimmten Forschungsvorhabens gewährt worden und die Klägerin sei verpflichtet gewesen, diesem Vorhaben ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen hätte zudem ein wichtiger Grund für die Kündigung durch das DHI mit der Folge der Rückzahlungspflicht des Stipendiums bestanden.
(FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2019 zu Urteil vom 15.10.2019 – 12 K 1794/16)

Rückabwicklung von Baukrediten: Vergleichsbeträge sind nur teilweise einkommensteuerpflichtig

Die aufgrund eines Vergleichs durch eine Bank zurückgezahlten Zinsen stellen keine einkommensteuerpflichtigen Kapitalerträge dar. Dies hat der 14. Senat des FG Köln entschieden.

Die Kläger hatten wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung den Baukredit für ihr Eigenheim widerrufen. Aufgrund eines Vergleichs zahlte die Bank den Klägern für alle aus dem Widerruf entstehenden gegenseitigen Ansprüche einen Betrag in Höhe von 4.225 Euro. Zusätzlich behandelte die Bank den Betrag als steuerpflichtigen Kapitalertrag, führte die Kapitalertragsteuer ab und stellte hierfür eine Steuerbescheinigung aus.
Gegenüber dem Finanzamt vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Bank den Vergleichsbetrag zu Unrecht als Kapitalertrag behandelt und Kapitalertragsteuer abgeführt habe. Der Betrag sei nicht einkommensteuerpflichtig, weil es sich um eine steuerfreie Entschädigungszahlung handele.
Demgegenüber besteuerte das Finanzamt den gesamten Betrag mit der Begründung, dass es zum einen an die Steuerbescheinigung gebunden sei und zum anderen die Kläger durch den geschlossenen Vergleich auf eine Rückabwicklung verzichtet hätten, so dass die Rückzahlung zu hoher Zinsen ausscheide.
Die hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Der 14. Senat kam zu dem Ergebnis, dass der von der Bank gezahlte Vergleichsbetrag aufgeteilt werden müsse. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die hierin enthaltene Zahlung wegen Nutzungsersatz steuerpflichtig. Hingegen sei ein Betrag in Höhe von 1.690 Euro, soweit er auf die Rückzahlung der zu hohen Zinsen entfalle, nicht steuerbar. Auch die insoweit von der Bank falsch ausgestellte Steuerbescheinigung entfalte keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer der Kläger.
Die Kläger haben die zugelassene Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VIII R 30/19 geführt wird.
(Finanzgericht Köln, Pressemitteilung vom 16.12.2019 zu Urteil vom 14.8.2019 – 14 K 719/19)

Anrechnung der polnischen Familienleistung „500+“ auf das deutsche Kindergeld

Familienleistungen nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 17.02.2016 sind auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine für das Kindergeldrecht bedeutsame Grundsatzfrage zu Lasten polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Inland entschieden.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und Vater zweier Töchter. Er wurde von seinem polnischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt und hatte hier einen Wohnsitz. Mit Bescheid vom 23.06.2016 bewilligte die Familienkasse dem Kläger Kindergeld ab September 2015 für beide Kinder in voller Höhe. Am 18.09.2017 teilte die polnische Behörde ROPS der Familienkasse mit dem Formular F003 mit, dass an den Kläger für den Streitzeitraum monatlich 500 PLN nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 17.02.2016 (sog. „500+“) gezahlt worden seien. Daraufhin änderte die Familienkasse mit Bescheid vom 09.10.2017 die Kindergeldfestsetzung . Sie rechnete nun für den Zeitraum April 2016 bis September 2017 die polnischen Familienleistungen in Höhe von monatlich 500 PLN, insgesamt 2.122,38 Euro, auf das dem Kläger gezahlte Kindergeld an und forderte diesen Betrag zurück. Einspruch, Klage und Revision zum BFH hatten keinen Erfolg.
Nach dem Urteil des BFH ist die Familienleistung „500+“ dem Kindergeld gleichartig. Sowohl beim deutschen Kindergeld als auch bei der polnischen Familienleistung „500+“ handele es sich um regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und des Alters der Kinder gewährt werden. Die polnische Familienleistung sei daher nach Art. 68 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der System der sozialen Sicherheit anzurechnen. Die Mitteilung einer ausländischen Behörde über die Gewährung einer Familienleistung habe darüber hinaus Bindungswirkung für die Familienkasse. Erfolgt diese erst nach der Kindergeldfestsetzung, stelle dies eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse dar, die nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes zur Änderung des Bescheids berechtige.
(BFH, Pressemitteilung Nr. 79 vom 12.12.2019 zu Urteil vom 25.7.2018 – III R 34/18)

Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten verfassungsgemäß

Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Dies hat der Zweite Senat mit heute veröffentlichtem Beschluss auf Vorlagen des Bundesfinanzhofs hin entschieden.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es für die Regelung sachlich einleuchtende Gründe gibt. Der Gesetzgeber durfte solche Aufwendungen als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen. Die Erstausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelt nicht nur Berufswissen, sondern prägt die Person in einem umfassenderen Sinne, indem sie die Möglichkeit bietet, sich seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind. Sie weist eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung auf. Auch die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Erstausbildungskosten auf einen Höchstbetrag von 4.000 Euro in den Streitjahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(BVerfG, Pressemitteilung Nr. 2/2020 vom 10.1.2020 zu Beschluss vom 19.11.2019 – 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14)

Kirchensteuerpflicht von im Kindesalter getauften und nicht aus der Kirche wieder ausgetretenen Erwachsenen bestätigt

Die Heranziehung der als Säugling getauften Klägerin zur Entrichtung der Kirchensteuer im Erwachsenenalter war mangels ausdrücklichen Kirchenaustritts rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Die Klägerin wendet sich zwei Bescheide, mit denen sie zur Entrichtung der Kirchensteuer verpflichtet wird. Nach einem Auszug aus dem Taufregister der Evangelischen Kirchengemeinde Bitterfeld wurde sie dort zwei Monate nach ihrer Geburt im Jahr 1953 im evangelischen Glauben getauft. Ihre Eltern traten 1956 und 1958 aus der Kirche aus. Die Klägerin gab in einem ihr von der Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Prenzlauer Berg im September 2011 zugesandten Fragebogen an, nicht getauft zu sein. Als die Kirchensteuerstelle im Oktober 2011 von der Kirchengemeinde auf Anfrage jedoch erfuhr, dass die Klägerin 1953 getauft worden sei, zog diese die Klägerin mit zwei Bescheiden für 2012 und 2013 zur Kirchensteuerentrichtung mit der Begründung heran, dass sie infolge ihrer Taufe und mangels Kirchenaustritts Kirchenmitglied und damit kirchensteuerpflichtig sei. Hiergegen setzt sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr. Sie macht unter anderem geltend, ihre Eltern hätten seinerzeit auch den Austritt der Klägerin miterklärt. Eine Kirchenmitgliedschaft sei ihr aufgrund ihrer atheistischen Erziehung auch nicht bewusst gewesen. Davon abgesehen sei die Anbindung der Kirchensteuerpflicht an die Kirchenmitgliedschaft und dieser wiederum an die Säuglingstaufe verfassungswidrig, weil das Freiwilligkeitsprinzip verletzt werde. Ferner rügt die Klägerin Verstöße der Kirchensteuerstelle gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen anlässlich deren Informationserhebung bei ihr und der genannten Kirchengemeinde.
Die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Klage abgewiesen. Die Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie sei in den betreffenden Veranlagungszeiträumen, den Jahren 2012 und 2013, Mitglied der Beklagten gewesen. Sie sei durch ihre Taufe im Juni 1953 Mitglied der Evangelischen Kirche geworden. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin vor dem Jahr 2014 aus dieser Kirche ausgetreten sei. Insbesondere ergebe sich ihr Kirchenaustritt nicht aus den Austrittserklärungen ihrer Eltern. Die Heranziehung der Klägerin zur Zahlung von Kirchensteuer verstoße auch nicht gegen Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin; vor allem sei das Freiwilligkeitsprinzip nicht verletzt. Die Klägerin hätte mit ihrer Kirchenmitgliedschaft rechnen müssen und daher austreten können, dies aber nicht getan. Die für die Erhebung der Kirchensteuer erlangten Informationen seien auch nicht, insbesondere nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen, unverwertbar. Infolgedessen stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der als Kirchensteuer einbehaltenen Beträge zu.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.
(VG Berlin, Pressemitteilung vom 12.12.2019 zu Urteil vom 12.12.2019 – 27 K 292.15)

Gemeinnützigkeit eines Vereins zur Förderung des IPSC-Schießens

Der BFH hat mit Urteil vom 27. September 2018 (V R 48/16) entschieden, dass ein Verein, dessen Zweck in der Förderung des Schießsportes besteht – insbesondere des IPSC-Schießens (International Practical Shooting Confederation – IPSC) – im konkreten Einzelfall auch die satzungsmäßigen Anforderungen an die Feststellungen der Gemeinnützigkeit erfüllen kann. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des Urteils Folgendes:

Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nach dem konkret vorliegenden Sachverhalt bei Veranstaltungen des betreffenden IPSC-Vereins oder bei Wettkämpfen, zu denen der Verein seine Mitglieder entsendet, das Schießen auf Menschen simuliert wird bzw. die beim IPSCSchießen aufgebauten Szenarien als Häuserkampf mit der Imitation eines Schusses auf Menschen interpretiert werden müssen. Liegt ein derartiger Sachverhalt vor, ist dem betreffenden IPSC-Verein der Status der Gemeinnützigkeit zu versagen bzw. abzuerkennen.
Der BFH begründet seine Entscheidung maßgeblich damit, dass die vom Finanzgericht vorgenommene „tatsächliche Würdigung“ einer revisionsrechtlichen Prüfung standhalte (Rn. 35 ff. und Rn. 41 ff. des Urteils). Das Urteil enthält jedoch keine Bemerkung dazu, dass diese getroffene „tatsächliche Würdigung“ die einzig Mögliche ist.
Vielmehr führt der BFH in Rn. 40 seines Urteils aus:
„Bei hoher Abstraktion könnte zwar eine Ähnlichkeit der Ziele zu Teilen einer menschlichen Silhouette angenommen werden, ebenso ist es jedoch möglich, im Hinblick auf die wesentlichen Unterschiede und das Fehlen von Gesicht und Gliedmaßen mit dem FG davon auszugehen, dass keinerlei Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt besteht.“
In einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren könnte daher ein anderes oder dasselbe Finanzgericht zu einer anderen „tatsächlichen Würdigung“ mit einer anderen rechtlichen Konsequenz gelangen.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
(BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 4 – S-0171 / 19 / 10021 :002 vom 12.12.2019)

FDP fordert Berücksichtigung von Negativzinsen

Kapital für die belasteten Steuerpflichtigen negative Erträge sind und damit im Rahmen der Verlustverrechnung innerhalb der Kapitaleinkünfte verrechnet werden können, heißt es in einem Antrag (19/15771) der FDP-Fraktion.

Nicht mit positiven Kapitaleinkünften verrechenbare negative Einlagezinsen für die Überlassung von Kapital sollen als Verlustvortrag festgestellt werden.
In der Begründung des Antrages heißt es, Sparer dürften durch negative Zinsen nicht doppelt belastet werden. Das wäre jedoch die Folge, wenn sie einerseits negative Zinsen für Guthaben an die Bank entrichten müssten, aber andererseits diese nicht steuerlich geltend machen könnten. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld zwinge immer mehr Banken, die Belastungen, die durch die negativen Einlagezinsen hervorgerufen würden, an die Kunden weiterzugeben. Dass die Sparer diese Negativzinsen nicht mit positiven Einkünften bei der Steuer verrechnen könnten, sei unsystematisch und belaste die Sparer.
(Bundestag, hib-Meldung Nr. 1416/2019 vom 13.12.2019)

EuGH-Vorlage zur Umsatzsteuerfreiheit bei der Entwicklung und Vermittlung von Versicherungsprodukten

Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht es als zweifelhaft an, ob ein Versicherungsvermittler, der neben seiner Vermittlungstätigkeit der Versicherungsgesellschaft dieser auch das vermittelte Versicherungsprodukt zur Verfügung stellt, umsatzsteuerfreie Leistungen erbringt. Er hat daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung dieser Frage gerichtet.

Die Klägerin hatte ein Versicherungsprodukt entwickelt, mit dem Schiffe und deren Crews gegen Piraterie bei der Durchfahrt durch den Golf von Aden versichert werden konnten. Sie gewährte einer Versicherungsgesellschaft eine Lizenz für die Nutzung dieses Versicherungsprodukts. Zusätzlich übernahm sie die Vermittlung dieser Versicherungen sowie weitere Leistungen bei der Durchführung der Versicherungsverträge wie etwa im Bereich der Schadensabwicklung.

Das Finanzamt (FA) ging davon aus, dass keine einheitliche Leistung, sondern drei getrennte Leistungen vorliegen. Dabei sei – unter Berücksichtigung einer verbindlichen Auskunft – nur die unmittelbare Tätigkeit der Versicherungsvermittlung nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Die Lizenzüberlassung unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, während auf weitere Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Daher unterwarf das FA 25% der Gesamtvergütung für die Lizenzüberlassung dem ermäßigten Steuersatz und 8% der Gesamtvergütung für die verwaltungsbezogenen Leistungen dem Regelsteuersatz. Demgegenüber begehrte die Klägerin die volle Umsatzsteuerfreiheit. Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg, da umsatzsteuerrechtlich nur eine Leistung vorliege, die insgesamt steuerpflichtig sei.

Auch der BFH geht von einer einheitlichen Leistung aus. Der BFH hat aber Zweifel an der zutreffenden Auslegung des unionsrechtlichen Steuerbefreiungstatbestandes für die Versicherungsvermittlung. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) sind Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, steuerfrei. Der EuGH soll hierzu klären, ob eine einheitlichen Leistung bestehend aus Versicherungsvermittlung, Lizenzgewährung zur Bereitstellung eines Versicherungsprodukts sowie weiteren Leistungen zur Vertragsdurchführung einschließlich Schadensregulierung insgesamt steuerfrei ist, obwohl nur eine Nebenleistung (Versicherungsvermittlung) bei eigenständiger Betrachtung steuerfrei wäre.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 80 vom 12.12.2019 zu Beschluss vom 5.9.2019 – V R 58/17)

Vorsteuerabzug aus Bewirtungsaufwendungen

Bei der steuerlichen Behandlung von Bewirtungsausgaben wird deutlich, wie stark sich die Wege von Einkommensteuer und Umsatzsteuer trennen können. Was Sie beachten müssen, um die Kosten steuerlich anerkannt zu bekommen.

Während bei geschäftlich veranlassten Bewirtungsaufwendungen lediglich 70 % der angemessenen Ausgaben in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gewinnmindernd geltend gemacht werden können, steht dem vollen Vorsteuerabzug aus umsatzsteuerlicher Sicht grundsätzlich nichts im Wege.

Auch beim Thema „separate Aufzeichnungspflicht“ lässt sich ein wesentlicher Unterschied feststellen: Aus einkommensteuerlicher Sicht ist der Betriebsausgabenabzug nur zulässig, wenn die Bewirtungsausgaben einzeln und getrennt von den übrigen Ausgaben aufgezeichnet werden. Das Umsatzsteuerrecht zeigt sich von dieser Auflage unbeeindruckt. Hier ist der Vorsteuerabzug selbst dann noch möglich, wenn die aus ertragsteuerlicher Sicht erforderlichen Aufzeichnungen nicht vorliegen.

Das FG Berlin-Brandenburg hat nun durch ein Urteil für ein weiteres Trennungsmerkmal gesorgt. Anders als beim Betriebsausgabenabzug ist der Vorsteuerabzug nämlich nach Ansicht des Gerichts auch dann zulässig, wenn die Pflichtangaben auf Bewirtungsbelegen nicht zeitnah und (zunächst) auch nicht vollständig erfasst wurden. Der Entscheidung ging folgender Konflikt voraus: Ein Betriebsprüfer hatte formale Mängel bei Bewirtungsbelegen festgestellt. Der Prüfer beanstandete, dass sowohl die Bewirtungsanlässe als auch die Teilnehmer der Bewirtungen auf den Belegen fehlten. Daraufhin strich der Betriebsprüfer nicht nur den Betriebsausgabenabzug, sondern auch den Vorsteuerabzug.

Gegen den daraufhin erlassenen Umsatzsteuerbescheid legte der Unternehmer Einspruch ein und vervollständigte die Belegangaben. Es kam zum Rechtsstreit vor dem Finanzgericht. Dort rückte die Frage in den Mittelpunkt, ob es hinsichtlich der Formalien einen direkten Zusammenhang zwischen Einkommensteuer und Umsatzsteuer gibt. Denn dann wäre nicht nur der Betriebsausgabenabzug hinfällig, sondern – so wie vom Finanzamt angenommen – auch der Vorsteuerabzug.

Einen solchen direkten Zusammenhang verneinte das Gericht. Durch das nachträgliche Aufzeichnen der Bewirtungsanlässe und der Teilnehmer an den Bewirtungen könne die unternehmerische Veranlassung der Aufwendungen dokumentiert werden. Dadurch ist der Weg zum Vorsteuerabzug frei. Mit diesem Ergebnis wollte sich das im Rechtsstreit unterlegene Finanzamt allerdings nicht abfinden. Es wurde daher Revision beim BFH eingelegt. Ein Aktenzeichen liegt allerdings bisher noch nicht vor.

(FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom vom 9.4.2019 – 5 K 5119/18)