Fehlende Erdienbarkeit einer auf Entgeltumwandlung beruhenden Pensionszusage rechtfertigt keinen Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung

Der 6. Senat des FG Düsseldorf hatte sich mit der Frage der steuerlichen Anerkennung einer Pensionszusage auseinanderzusetzen.

Die Klägerin ist eine im Jahr 2012 gegründete Kapitalgesellschaft. Kurz nach ihrer Gründung erteilte sie ihrem Geschäftsführer und Alleingesellschafter, der zum damaligen Zeitpunkt sechzig Jahre und vier Monate alt war, eine Pensionszusage. Diese sollte durch eine monatliche Gehaltsumwandlung bei garantierter Verzinsung von 3 % pro Jahr finanziert werden und sah eine Altersleistung ab der Vollendung des 71. Lebensjahrs vor.

Das beklagte Finanzamt erkannte die Pensionszusage nicht an und behandelte die ab dem Jahr 2012 zur Pensionsrückstellung zugeführten Beträge als verdeckte Gewinnausschüttungen. Zur Begründung führte es u. a. an, die Pension könne nicht mehr erdient werden, da der Alleingesellschafter im Zeitpunkt der Pensionszusage das sechzigste Lebensjahr bereits vollendet habe. Zudem sei die Pension ohne Probezeit für den Geschäftsführer und unmittelbar nach Gründung der Klägerin zugesagt worden.

Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, dass im Falle einer Pensionszusage aus Entgeltumwandlung die Voraussetzungen einer Erdienbarkeit nicht erfüllt sein müssten. Eine Probezeit sei nicht erforderlich gewesen, da der Geschäftsführer über langjährige Berufserfahrung verfügt habe.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 16.11.2021 der Klage stattgegeben. Das Finanzamt habe zu Unrecht verdeckte Gewinnausschüttungen angenommen.

Die Pensionszusage enthalte eindeutige Angaben zur Höhe der in Aussicht gestellten zukünftigen Leistungen (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die steuerliche Anerkennung der Zusage scheitere auch nicht an einer fehlenden Erdienbarkeit. Dazu habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass dieses Kriterium bei einer durch Entgeltumwandlung finanzierten Altersvorsorge nicht anzuwenden sei. Denn in einem solchen Fall habe der Arbeitgeber die finanziellen Folgen der Zusage nicht zu tragen und sei durch diese wirtschaftlich nicht belastet. Aus diesem Grund seien auch weder die Erteilung der Zusage unmittelbar nach Gründung der Klägerin noch die fehlende Probezeit für deren steuerliche Anerkennung relevant, zumal der Geschäftsführer über ausreichende Berufserfahrung verfügt habe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil, in dem das Gericht keine Revision zugelassen hatte, eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. I B 89/21 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

FG Düsseldorf, Mitteilung vom 13.01.2022 zum Urteil 6 K 2196/17 K,G,F vom 16.11.2021 (nrkr – BFH-Az.: I B 89/21)

DStV zum Koalitionsvertrag: Verlustverrechnung

Die Koalitionspartner planen, die erweiterte Verlustverrechnung zeitlich bis Ende 2023 zu verlängern und den Verlustrücktrag auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume auszuweiten. So steht es im Koalitionsvertrag geschrieben. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) konstatiert: Hier sollten die Bündnispartner deutlich mehr wagen.

Bundesfinanzminister MdB Christian Lindner konkretisierte den Plan jüngst in den Medien: Verluste der Jahre 2022 und 2023 sollten mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnet werden können. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt Maßnahmen zur Verbesserung der Verlustverrechnung ausdrücklich. Seit Beginn der Pandemie hat er für eine Ausweitung des Rücktragzeitraums plädiert. Aufgrund der aktuellen Situation in der Praxis sind jedoch dringend weitreichendere Schritte als die von den Ampelpartnern erwogenen geboten. Dies hatte der Verband jüngst gegenüber Lindner adressiert.

Vorteile der Verlustverrechnung liegen auf dem Tisch

Das Instrument der Verlustverrechnung wird von führenden Forschungsinstitutionen als eine der bedeutendsten Hilfsmaßnahmen in Krisenjahren hervorgehoben und dessen Ausweitung zur Stabilisierung der Wirtschaft angemahnt (u. a. ifo-Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, ifo Standpunkt 220 vom 26.10.2020 „Es ist Zeit für eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags“). Zugleich ist allseits bekannt, dass eine solche zeitliche Verlängerung der Verlustverrechnung keine dauerhaften Mindereinnahmen, sondern lediglich einen Steuerstundungseffekt bewirkt.

Mehr Mut bei der Ausweitung des zeitlichen Rücktragzeitraums

Können Verluste jedoch – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – nur auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume zurückgetragen werden, heißt das in der gegenwärtigen Pandemie im Klartext: Krisenverluste aus Krisenjahren dürfen nur in ebenso von der Krise betroffene Jahre zurückgetragen werden. Der Rücktrag dürfte damit in der Praxis allzu oft ins Leere laufen. Schließlich dürften in den 2023 vorangegangenen Jahren krisenbedingt kaum nennenswerte Gewinne erwirtschaftet worden sein, die eine Verlustverrechnung ermöglichen würden. Folglich können Unternehmen nur mit einer geringen Freisetzung von zusätzlicher Liquidität rechnen. Ein Verlustrücktrag ist vielfach nur sinnvoll, wenn die Verluste mit Gewinnen aus der Zeit vor der Pandemie verrechenbar sind.

Mit Blick auf die hohe Effektivität, Zielgenauigkeit und branchenübergreifende Wirkung des Instruments fordert DStV-Präsident StB Torsten Lüth: „Eine Ausweitung der Verlustverrechnung darf nicht ins Leere laufen. Damit das Instrument ein tatsächlicher Liquiditäts-Booster insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen wird, müssen die Koalitionspartner deutlich mehr wagen!“

Der DStV plädiert daher zur Stärkung der Liquidität insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen für eine Ausweitung des zeitlichen Rücktragzeitraums zurück bis in das Jahr 2016.

Deutscher Steuerberaterverband e.V., www.dstv.de, Mitteilung vom 11.01.2022

Zur Annahme einer Dividende im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Lux 1958/1973

1. Für die Annahme einer Dividende im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Lux 1958/1973 bedarf es grundsätzlich nicht realer, am Markt erzielter Einkünfte der ausschüttenden ausländischen Kapitalgesellschaft. Ausschüttungen aus der Vermögenssubstanz der Gesellschaft stehen der Annahme einer Gewinnausschüttung nicht entgegen.

2. Die Gewinnausschüttung einer luxemburgischen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer SARL an die inländische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer KGaA stellt sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn die KGaA der SARL ein Darlehen zur Verfügung gestellt und kurze Zeit später auf die Rückzahlung verzichtet hat und der SARL die Gewinnausschüttung allein aufgrund dieses Verzichts möglich war und soweit die Verluste – im Rahmen eines Gesamtplans -, die auf der ausschüttungsbedingte Wertminderung der SARL beruhen, von den Gesellschaftern der hinter der KGaA stehenden Personengesellschaft steuerwirksam genutzt werden sollen.

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat entschieden, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO gegeben ist, wenn eine inländische KGaA im Rahmen eines Gesamtplanes auf ein an eine ausländische Tochtergesellschaft zur Verfügung gestelltes Darlehen verzichtet und der Tochtergesellschaft dadurch das Kapital verschafft, um in Höhe der Darlehenssumme eine Gewinnausschüttung zu Gunsten der Muttergesellschaft zu tätigen.

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Gesellschaft in der Form der GmbH & Co. KG. In den Streitjahren war diese als Komplementärin zu etwa 99 % am Gewinn und Verlust der G GmbH & Co. KGaA (KGaA) beteiligt. Kurz nach Tätigkeitsbeginn der KGaA wurde die G Lux S.a.r.l. (SARL) mit Sitz in Luxemburg als Tochtergesellschaft der KGaA gegründet. Die KGaA hielt als Muttergesellschaft im Kalenderjahr 2011 und bis zum Verkauf der SARL im Dezember 2012 zu 100 % eine Beteiligung an der SARL als Tochter. Mit Vertrag vom 25. November 2011 gewährte die KGaA (als KGaA in Gründung) ihrer Tochter ein Darlehen in Höhe von … Euro. Das Kapital für das Darlehen stammte aus Sondereinlagen der Kommanditisten der Klägerin. Mit Erlassvertrag vom 5. Dezember 2011 verzichtete die KGaA gegenüber der SARL auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderungen buchte die KGaA den ursprünglichen Forderungsbetrag gegenüber der Tochter auf die Anschaffungskosten der Beteiligung um. Hierdurch erhöhten sich die ursprünglichen Anschaffungskosten um … Euro. Indessen löste die Tochter die Verbindlichkeiten auf und erfasste die Beträge in ihrer Handelsbilanz als Ertrag. Die SARL erstellte auf den 12. Dezember 2011 eine Zwischenbilanz, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von … Euro (entspricht der Darlehenssumme) ergab. Auf der Grundlage dieser Zwischenbilanz wurde per Gesellschafterbeschluss dieser Betrag am 23. Dezember 2011 an die KGaA ausgeschüttet. Die KGaA erfasste die Ausschüttungen als Ertrag aus Beteiligung. Da die SARL nach erfolgter Ausschüttung zum Bilanzstichtag über kein nennenswertes Kapital mehr verfügte, erfolgte bei der KGaA eine Korrektur des Beteiligungsansatzes. Die KGaA buchte eine entsprechende Teilwertabschreibung. Zu Beginn des Folgejahres kam es nochmals zu einer gleichen Gestaltung zwischen den beteiligten Firmen (Darlehen, Verzicht, Ausschüttung).

Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam der Betriebsprüfer zu der der Ansicht, dass die Ausschüttungen keine Dividenden im Sinne des Schachtelprivilegs darstellten und damit nicht nach DBA steuerbefreit seien. Die Ausschüttungen unterlägen vielmehr zu 60 % der Besteuerung bei der Klägerin. Die Klägerin war der Auffassung, bei der Ausschüttung handele es sich um eine steuerfreie Dividende.

Der 5. Senat folgte der Auffassung des Finanzamts insoweit nicht und ging im Grundsatz vom Vorliegen einer Dividende nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg aus. Es wies die Klage aber dennoch unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO ab. Die vorliegende Konstellation weise im Hinblick auf die zeitliche Nähe der jeweils geschlossenen Rechtsgeschäfte und der übrigen Handlungen sowie aufgrund des Umstandes, dass die Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks nicht erkennbar sei, auf einen von vornherein getroffenen Gesamtplan der Beteiligten hin. Die Fallgestaltung sei im Rahmen der Plandurchführung nur darauf ausgerichtet, Verluste, die auf die ausschüttungsbedingte Wertminderung der SARL zurückzuführen sind, steuerwirksam zu nutzen. Dabei habe der steuerliche Vorteil letztlich den Kommanditisten der Klägerin, also natürlichen Personen, zu Gute kommen sollen. Ein wirtschaftlicher Verlust sei aber tatsächlich nur auf dem Papier entstanden.

Die rechtliche Beurteilung des Besprechungsfalls war anhand der im VZ 2011 und 2012 geltenden Rechtslage vorzunehmen. Die Besonderheit bestand darin, dass auf Ebene der Klägerin als GmbH & Co. KG über die Höhe der Einkünfte der KGaA aus ihrer Beteiligung an der SARL zu entscheiden war.

Unter den Az. 5 K 197/18 und 5 K 198/18 hat der 5. Senat zudem im Hinblick auf die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 und 2012 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bzw. 31.12.2012 über die auch insoweit erhobenen Klagen der KGaA entschieden. Eine Veröffentlichung ist insoweit nicht erfolgt. Die Urteile beruhen auf demselben Sachverhalt und sind in Bezug auf das jeweilige Jahr deckungsgleich mit der hier vorliegenden Entscheidung. Das Verfahren 5 K 197/18 ist unter dem Az. I R 12/21 und das Verfahren 5 K 198/18 unter dem Az. I R 13/21 beim BFH durch die dortige Klägerin anhängig gemacht worden. Die Revision im hiesigen Verfahren ist unter dem Az. I R 14/21 beim BFH anhängig.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 23.12.2021 zum Urteil 5 K 199/18 vom 10.02.2021

Durchführung der Günstigerprüfung gemäß § 10a Abs. 2 EStG

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat entschieden, dass die Günstigerprüfung gemäß § 10a Abs. 2 EStG zwischen der Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen und des Altersvorsorgezulagenanspruchs vor dem Abzug der Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. 1 EStG durchzuführen ist.

Das Finanzamt war davon ausgegangen, dass das bundeseinheitliche Einkommensteuerprogramm die Rechtsgrundlage für die Berechnung der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 6 EStG) zutreffend umsetze. Der Wortlaut des Gesetzes (§ 2 Abs. 6 Satz 1 EStG) gebe vor, dass bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer im ersten Schritt die Steuerermäßigungen (z. B. nach § 35a EStG) zu berücksichtigen seien.

Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, dass die vorzunehmende Günstigerprüfung nach § 10a Abs. 2 EStG einen Vergleich der Höhe der Einkommensteuer-Ersparnis (im Sinne der Differenz zwischen der Einkommensteuer ohne Abzug der Altersvorsorgebeträge als Sonderausgaben und der Einkommensteuer mit Abzug der Altersvorsorgebeträge als Sonderausgaben) einerseits und der Höhe der zustehenden Zulage andererseits erfordere. Die Steuerermäßigungen seien erst in einem weiteren Schritt abzuziehen.

Der 5. Senat hat die Auffassung der Klägerin bestätigt. Wortlaut und Systematik der §§ 2 Abs. 6 und 10a Abs. 2 EStG sowie Sinn und Zweck der Einkommensbesteuerung sprächen für den Abzug des § 35a EStG im Anschluss an die Hinzurechnung der Zulage auf die tarifliche Einkommensteuer. Dabei hat der 5. Senat berücksichtigt, dass bei Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung bei zwei möglich erscheinenden Varianten der Berechnung diejenige zu wählen ist, die dem Steuerpflichtigen die größtmögliche Steuerersparnis verschafft, sofern sie vom Gesetz gedeckt ist.

Der 5. Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen X R 11/21 anhängig.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 23.12.2021 zum Urteil 5 K 18/19 vom 12.05.2021 (nrkr – BFH-Az.: X R 11/21)

Erlass von Säumniszuschlägen

Ob eine natürliche oder juristische Person als pünktlicher oder nicht pünktlicher Steuerzahler zu betrachten ist, beurteilt sich nicht anhand einer einzelnen Steuerart, sondern ist in einer Gesamtschau zu prüfen, bei der alle für das Verhältnis zwischen dem Steuerzahler und der Finanz- bzw. Zollverwaltung relevanten Umstände heranzuziehen sind.

Säumniszuschläge, die gegenüber einem an sich pünktlichen Steuerzahler erhoben werden, verlieren ihren Zweck als Druckmittel, den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung seiner steuerrechtlichen Verbindlichkeiten anzuhalten, was bereits für sich genommen einen hälftigen Erlass der verwirkten Säumniszuschläge rechtfertigt.

Hat die Säumnis des Steuerzahlers keinen oder nur einen geringfügigen Verwaltungsaufwand verursacht, ist auch der weitere, mit der Erhebung von Säumniszuschlägen verfolgte Zweck entfallen mit der Folge, dass als ermessensfehlerfreie Entscheidung allein ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht kommt.

Das Urteil des 4. Senats betrifft die Überprüfung einer Ermessensentscheidung über den Billigkeitserlass von Säumniszuschlägen. Das beklagte Hauptzollamt hatte den Erlass von Säumniszuschlägen auf Energiesteuer (Fälligkeit am 12.6.2017, Zahlung am 29.6.2017) abgelehnt, weil die Klägerin auch in der Vergangenheit in insgesamt 19 Fällen verspätet, allerdings innerhalb der Schonfrist gezahlt habe und damit kein pünktlicher Steuerzahler sei. Das Gericht hat diese Entscheidung als rechtswidrig angesehen und den Beklagten verpflichtet, den Billigkeitsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Es hat zunächst beanstandet, dass die Klägerin bereits deshalb als nicht pünktliche Steuerzahlerin angesehen wurde, weil sie die Energiesteueranmeldungen verspätet abgegeben hatte; tatsächlich seien auch die anderen Steuerarten wie Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer etc. in die Betrachtung mit einzubeziehen gewesen. Im Übrigen seien die Energiesteuerzahlungen lediglich geringfügig – bei 17 Anmeldungen um einen Tag und bei zwei Anmeldungen um zwei Tage – verspätet erfolgt. Des Weiteren hat das Gericht darauf abgestellt, inwieweit die Säumnis zu Verwaltungsaufwand führt, der ebenfalls durch die Verwirkung von Säumniszuschlägen abgegolten werden solle. Verursache die Säumnis im konkreten Fall keinen oder nur geringen Verwaltungsaufwand, komme ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht.

Nach bislang herrschender Auffassung sollen die Säumniszuschläge zur Hälfte Druckmittelcharakter haben, weshalb üblicherweise die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge erlassen wird, wenn mit ihnen kein Druck mehr auf das Zahlungsverhalten ausgeübt werden kann. Die „andere Hälfte“ soll zinsähnlichen Charakter haben und den besagten Verwaltungsaufwand abgelten. Interessant an der Entscheidung des 4. Senats ist, dass ein vollständiger Erlass in Betracht kommen soll, wenn kein oder nur geringer Verwaltungsaufwand entstanden ist; dessen Höhe im konkreten Einzelfall zu prüfen ist. Der (abstrakt) Zinscharakter spielt danach nicht unbedingt eine Rolle.

FG Hamburg, Newsletter 4/2021 zu Urteil vom 4.8.2021 (4 K 11/20), NZB eingelegt, Az. des BFH VII B 135/21.

Bedeutung von Betriebsvermögen für Befreiungsanspruch gem. § 150 Abs. 8 AO

Der 1. Senat des Finanzgerichts Schleswig-Holstein hatte sich in einem Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2021 mit der Frage zu befassen, ob der Klägerin ein Anspruch gem. § 150 Abs. 8 AO auf Befreiung von der Verpflichtung zur Übermittlung ihrer Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung im Wege der Datenfernübertragung für das Streitjahr 2019 zustand, weil ihr dies wirtschaftlich unzumutbar war.

Die Klägerin hatte die Unzumutbarkeit damit begründet, dass sie nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügte, um eine Übermittlung per Datenfernübertragung vorzunehmen. Die Anschaffung einer solchen Ausstattung sei ihr angesichts ihrer Ertragslage im Streitjahr (Verlustjahr ohne Umsätze), auf die es nach der BFH-Rechtsprechung allein ankomme nicht zuzumuten. Das beklagte Finanzamt hatte das Vorliegen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zum einen deshalb verneint, weil er meinte, die Klägerin auf die Nutzung der mutmaßlich bei ihr nahestehenden Dritten vorhandenen Ausstattung verweisen zu können. Zum anderen vertrat er die Ansicht, dass auch die Vermögensverhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen seien und es ihr angesichts ihres Barvermögens in Höhe von etwa 19.000 Euro durchaus zumutbar sei, die technischen Voraussetzungen für die Datenfernübertragung herzustellen.

Der 1. Senat ist der Sichtweise des Finanzamts im Ergebnis nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Es stellt zunächst klar, dass allein auf die bei der Klägerin selbst vorhandene technische Ausstattung abzustellen sei und sie sich die bei anderen Rechtssubjekten vorhandene Ausstattung nicht zurechnen lassen müsse, was auch für eine etwaige Ausstattung ihres Geschäftsführers gelte.

Die Anschaffung der technischen Ausstattung durch die Klägerin sei dieser wirtschaftlich nicht zuzumuten. Zwar weise das Finanzamt zu Recht darauf hin, dass insofern nicht allein auf die Ertragslage der Klägerin abzustellen sei, sondern vielmehr auch ihre Vermögensverhältnisse in den Blick zu nehmen seien. Allerdings müsste die Klägerin vorliegend bei zu erwartenden Aufwendungen in Höhe von 1.500 bis 2.000 Euro etwa 8 – 10 % ihrer gesamten Vermögenssubstanz einsetzen, um die erforderlichen technischen Voraussetzungen für eine Datenfernübertragung herzustellen. Damit sei die Zumutbarkeitsgrenze überschritten.

Die vom 1. Senat zugelassene Revision ist nicht eingelegt worden. Die Entscheidung ist daher rechtskräftig.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 23.12.2021 zum Urteil 1 K 12/21 vom 08.07.2021 (rkr)