Zur Annahme einer Dividende im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Lux 1958/1973

1. Für die Annahme einer Dividende im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Lux 1958/1973 bedarf es grundsätzlich nicht realer, am Markt erzielter Einkünfte der ausschüttenden ausländischen Kapitalgesellschaft. Ausschüttungen aus der Vermögenssubstanz der Gesellschaft stehen der Annahme einer Gewinnausschüttung nicht entgegen.

2. Die Gewinnausschüttung einer luxemburgischen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer SARL an die inländische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer KGaA stellt sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn die KGaA der SARL ein Darlehen zur Verfügung gestellt und kurze Zeit später auf die Rückzahlung verzichtet hat und der SARL die Gewinnausschüttung allein aufgrund dieses Verzichts möglich war und soweit die Verluste – im Rahmen eines Gesamtplans -, die auf der ausschüttungsbedingte Wertminderung der SARL beruhen, von den Gesellschaftern der hinter der KGaA stehenden Personengesellschaft steuerwirksam genutzt werden sollen.

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat entschieden, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO gegeben ist, wenn eine inländische KGaA im Rahmen eines Gesamtplanes auf ein an eine ausländische Tochtergesellschaft zur Verfügung gestelltes Darlehen verzichtet und der Tochtergesellschaft dadurch das Kapital verschafft, um in Höhe der Darlehenssumme eine Gewinnausschüttung zu Gunsten der Muttergesellschaft zu tätigen.

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Gesellschaft in der Form der GmbH & Co. KG. In den Streitjahren war diese als Komplementärin zu etwa 99 % am Gewinn und Verlust der G GmbH & Co. KGaA (KGaA) beteiligt. Kurz nach Tätigkeitsbeginn der KGaA wurde die G Lux S.a.r.l. (SARL) mit Sitz in Luxemburg als Tochtergesellschaft der KGaA gegründet. Die KGaA hielt als Muttergesellschaft im Kalenderjahr 2011 und bis zum Verkauf der SARL im Dezember 2012 zu 100 % eine Beteiligung an der SARL als Tochter. Mit Vertrag vom 25. November 2011 gewährte die KGaA (als KGaA in Gründung) ihrer Tochter ein Darlehen in Höhe von … Euro. Das Kapital für das Darlehen stammte aus Sondereinlagen der Kommanditisten der Klägerin. Mit Erlassvertrag vom 5. Dezember 2011 verzichtete die KGaA gegenüber der SARL auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderungen buchte die KGaA den ursprünglichen Forderungsbetrag gegenüber der Tochter auf die Anschaffungskosten der Beteiligung um. Hierdurch erhöhten sich die ursprünglichen Anschaffungskosten um … Euro. Indessen löste die Tochter die Verbindlichkeiten auf und erfasste die Beträge in ihrer Handelsbilanz als Ertrag. Die SARL erstellte auf den 12. Dezember 2011 eine Zwischenbilanz, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von … Euro (entspricht der Darlehenssumme) ergab. Auf der Grundlage dieser Zwischenbilanz wurde per Gesellschafterbeschluss dieser Betrag am 23. Dezember 2011 an die KGaA ausgeschüttet. Die KGaA erfasste die Ausschüttungen als Ertrag aus Beteiligung. Da die SARL nach erfolgter Ausschüttung zum Bilanzstichtag über kein nennenswertes Kapital mehr verfügte, erfolgte bei der KGaA eine Korrektur des Beteiligungsansatzes. Die KGaA buchte eine entsprechende Teilwertabschreibung. Zu Beginn des Folgejahres kam es nochmals zu einer gleichen Gestaltung zwischen den beteiligten Firmen (Darlehen, Verzicht, Ausschüttung).

Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam der Betriebsprüfer zu der der Ansicht, dass die Ausschüttungen keine Dividenden im Sinne des Schachtelprivilegs darstellten und damit nicht nach DBA steuerbefreit seien. Die Ausschüttungen unterlägen vielmehr zu 60 % der Besteuerung bei der Klägerin. Die Klägerin war der Auffassung, bei der Ausschüttung handele es sich um eine steuerfreie Dividende.

Der 5. Senat folgte der Auffassung des Finanzamts insoweit nicht und ging im Grundsatz vom Vorliegen einer Dividende nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg aus. Es wies die Klage aber dennoch unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO ab. Die vorliegende Konstellation weise im Hinblick auf die zeitliche Nähe der jeweils geschlossenen Rechtsgeschäfte und der übrigen Handlungen sowie aufgrund des Umstandes, dass die Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks nicht erkennbar sei, auf einen von vornherein getroffenen Gesamtplan der Beteiligten hin. Die Fallgestaltung sei im Rahmen der Plandurchführung nur darauf ausgerichtet, Verluste, die auf die ausschüttungsbedingte Wertminderung der SARL zurückzuführen sind, steuerwirksam zu nutzen. Dabei habe der steuerliche Vorteil letztlich den Kommanditisten der Klägerin, also natürlichen Personen, zu Gute kommen sollen. Ein wirtschaftlicher Verlust sei aber tatsächlich nur auf dem Papier entstanden.

Die rechtliche Beurteilung des Besprechungsfalls war anhand der im VZ 2011 und 2012 geltenden Rechtslage vorzunehmen. Die Besonderheit bestand darin, dass auf Ebene der Klägerin als GmbH & Co. KG über die Höhe der Einkünfte der KGaA aus ihrer Beteiligung an der SARL zu entscheiden war.

Unter den Az. 5 K 197/18 und 5 K 198/18 hat der 5. Senat zudem im Hinblick auf die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 und 2012 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bzw. 31.12.2012 über die auch insoweit erhobenen Klagen der KGaA entschieden. Eine Veröffentlichung ist insoweit nicht erfolgt. Die Urteile beruhen auf demselben Sachverhalt und sind in Bezug auf das jeweilige Jahr deckungsgleich mit der hier vorliegenden Entscheidung. Das Verfahren 5 K 197/18 ist unter dem Az. I R 12/21 und das Verfahren 5 K 198/18 unter dem Az. I R 13/21 beim BFH durch die dortige Klägerin anhängig gemacht worden. Die Revision im hiesigen Verfahren ist unter dem Az. I R 14/21 beim BFH anhängig.

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 23.12.2021 zum Urteil 5 K 199/18 vom 10.02.2021