Neue Vergütungsregeln zur Grundsteuererklärung in Kraft

Zur Ermittlung der Vergütung der Feststellungserklärungen für Grundsteuerzwecke ist eine neue spezielle Abrechnungsnorm in Kraft getreten. Darauf weist der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) hin.

Mit § 24 Abs. 1 Nr. 11a Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) besteht ab sofort eine einheitliche Berechnungsgrundlage, welche unabhängig vom konkreten Ländermodell bundesweit anwendbar ist. Steuerberater erhalten danach für die Anfertigung der Erklärung zur Feststellung oder Festsetzung für Zwecke der Grundsteuer im Rahmen des ab dem Jahr 2025 anzuwendenden Grundsteuerrechts 1/20 bis 9/20 einer vollen Gebühr nach Tabelle A zur StBVV.

Im Einzelnen gilt: Für alle Bundesländer, in denen nach dem Bewertungsgesetz oder den jeweiligen Landesgesetzen ein Grundsteuerwert festgestellt wird, wird als Gegenstandswert der Grundsteuerwert, mindestens jedoch ein Betrag von 25.000 Euro zugrunde gelegt. Dies betrifft derzeit die Länder Baden-Württemberg (sog. modifiziertes Bodenwertmodell), Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie das Saarland und Sachsen (mit jeweils abweichender Steuermesszahl).

Für alle Länder, in denen abweichend vom Bundesmodell auf Grundlage der dortigen Grundsteuergesetze kein entsprechender Grundsteuerwert vorliegt, wird ein entsprechender fiktiver Grundsteuerwert für die Berechnung der Gebühr zugrunde gelegt. Auch hier sind mindestens 25.000 Euro anzusetzen. Zur Ermittlung des fiktiven Grundsteuerwerts ist der Grundsteuermessbetrag durch die jeweils geltende Grundsteuermesszahl nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Grundsteuergesetz (GrStG) zu dividieren. Dies betrifft derzeit die Länder Bayern (sog. Flächenmodell), Hamburg (sog. Wohnlagenmodell), Hessen (sog. Flächen-Faktor-Modell) und Niedersachsen (sog. Flächen-Lage-Modell).

Die neue Abrechnungsnorm ist Teil der Vierten Verordnung zur Änderung der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV). Sie wurde nach Zustimmung durch den Bundesrat am 17.06.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2022, S. 877) und ist am Folgetag in Kraft getreten. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt die rechtzeitige Schaffung einer konkreten Berechnungsgrundlage. Er hatte sich angesichts des engen Zeitrahmens zur Einreichung der Erklärungen von Anfang Juli bis Ende Oktober 2022 für eine schnelle Anpassung der StBVV ausgesprochen.

Abweichend von der speziellen Abrechnungsnorm des § 24 Abs. 1 Nr. 11a StBVV können Steuerberater mit ihren Mandanten auch eine gesonderte Vergütungsvereinbarung treffen. Dies setzt allerdings nach § 4 StBVV unter anderem eine entsprechende Erklärung des Auftraggebers in Textform voraus. Vereinbart werden kann so etwa auch eine Abrechnung nach Zeitgebühr oder eine pauschale Vergütung.

DStV, Mitteilung vom 22.06.2022

Finanzamtszinssatz künftig bei 1,8 Prozent

Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Steuerzahler gemäß Paragraph 233a der Abgabenordnung soll in Zukunft 0,15 Prozent pro Monat betragen. Der Finanzausschuss stimmte am 22.6.2022 in seiner vom Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Sitzung dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (20/1633) zu. Der Zinssatz betrug bisher sechs Prozent im Jahr. Mit der Neuregelung wird den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, den Zinssatz für diese Zinsen ab 1. Januar 2019 rückwirkend verfassungskonform auszugestalten.

Für den zuvor mit zwei Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen geänderten Entwurf stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die CDU/CSU und die AfD-Fraktion lehnten den Entwurf ab, die Fraktion Die Linke enthielt sich. Ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion wurde ebenso abgelehnt wie ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/685) zu dem Thema. Die Unionsfraktion wollte unter anderem erreichen, dass auch Stundungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen angepasst werden. Abgelehnt wurde zudem ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (20/1744), die den Zinssatz flexibilisieren wollte. Danach sollte sich der Zinssatz am Basiszinssatz gemäß Paragraf 247 Bürgerliches Gesetzbuch orientieren. Darauf sollte ein Aufschlag von zwei Prozentpunkten erhoben werden.

Die Bundesregierung hatte einen flexiblen Zinssatz abgelehnt. Bei sehr häufigen Zinssatzänderungen werde die Verständlichkeit von Zinsbescheiden erheblich vermindert. Die Regierung hatte auch erläutert, warum sie die Verzinsung nicht völlig abschafft. Davon würden vor allem solche Steuerpflichtige profitieren, die unvollständige und unrichtige Steuererklärung abgeben oder den Abschluss von Betriebsprüfungen hinauszögern würden. Als weiteres Argument war genannt worden, dass die Wiedereinführung einer Vollverzinsung bei steigendem Zinsniveau mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Bundestag, hib-Meldung 315/2022 vom 22.06.2022

Kein Rechtsschutzbedürfnis bei geringem Streitwert

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit eines Säumniszuschlags in Höhe von 4,50 Euro geltend gemacht wird, kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Das Finanzamt erteilte gegenüber der Antragstellerin, einer Aktiengesellschaft, einen Abrechnungsbescheid, in dem es einen Säumniszuschlag zu Umsatzsteuer 2020 in Höhe von 4,50 Euro feststellte. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch mit der Begründung ein, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen verfassungswidrig sei. Einen zeitgleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.

Der daraufhin bei Gericht gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist ebenfalls erfolglos geblieben. Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat ausgeführt, dass der Antragstellerin bereits ein Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen sei, dass es nicht die Inanspruchnahme der starken Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertige, sei nicht schutzwürdig. Da die Antragstellerin nur die Verfassungsmäßigkeit des in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteils angreife, liege ihr Begehren deutlich unterhalb von 4,50 Euro.

Eine allgemeine Bagatellgrenze für die Einlegung eines Rechtsbehelfs sehe das Gesetz zwar nicht vor. Ein Unterschreiten der Bagatellgrenzen der Kleinbetragsverordnung sei jedoch als Indiz dafür zu würdigen, ob nach allgemeiner Anschauung ein Rechtsschutzbedürfnis als schutzwürdig anzuerkennen sei.

Darüber hinaus seien auch die Kosten der Rechtsverfolgung in den Blick zu nehmen. Die nach dem RVG ersatzfähigen Kosten des Prozessvertreters beliefen sich im vorliegenden Verfahren auf knapp 112 Euro und überstiegen den Streitwert damit um ein Vielfaches. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim Finanzgericht Münster in einer Vielzahl von Verfahren die Aussetzung der Vollziehung von Abrechnungsbescheiden über Säumniszuschläge beantrage. Dabei gehe es offensichtlich nicht ernsthaft um die Aussetzung der Kleinstbeträge, sondern um die Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung.

FG Münster, Mitteilung vom 15.06.2022 zum Beschluss 15 V 408/22 vom 30.05.2022

Vermietung und Veräußerung von Containern im Rahmen eines Investments als gewerbliche Tätigkeit

Der 13. Senat des FG Düsseldorf hatte sich mit der steuerlichen Qualifizierung von Einkünften aus der Vermietung sowie Veräußerung von Containern auseinanderzusetzen.

Die Klägerin schloss dazu mehrere Kauf- und Verwaltungsverträge ab. Ausweislich dieser Verträge erwarb die Klägerin als „Investor“ eine bestimmte Anzahl von Containern und beauftragte die Verkäufer zugleich mit der Verwaltung der erworbenen Container zu einem garantierten Mietzins für die Dauer von fünf Jahren. Die Verkäufer sollten alle mit der Verwaltung zusammenhängenden Verträge eigenverantwortlich abschließen und garantierten dem Investor, dass bereits zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragungen ein Miet- oder Agenturverhältnis bestehe. Zugleich erklärten sie sich bereit bzw. behielten sich vor, ein Angebot zum Rückkauf der Container zu unterbreiten.

Das Finanzamt stufte die Einkünfte aus der Containervermietung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG ein, da der Rahmen privater Vermögensverwaltung nicht überschritten sei. Der An- und Verkauf der Container folge keinem einheitlichen Konzept und die Betätigung der Klägerin erschöpfe sich in der Anschaffung und Finanzierung sowie der Vereinnahmung des vereinbarten Mietzinses. Ein Rückkauf der Container sei nicht fest vereinbart worden und es habe der Klägerin freigestanden, ein etwaiges Kaufangebot anzunehmen oder die Vermietung weiter zu betreiben.

Die Klägerin begehrte dagegen die Berücksichtigung der erklärten Verluste aus ihrer Tätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie habe nachhaltig gehandelt, indem sie mit den Verkäufern insgesamt fünf Kauf- und Verwaltungsverträge abgeschlossen habe. Ihr wirtschaftliches Gesamtkonzept ergebe sich aus dem Anlageprospekt zum Investment, wonach der Veräußerungserlös der Container den wesentlichen Teil der prognostizierten Rendite ausmache.

In seinem Urteil vom 21.12.2021 stufte der 13. Senat die Vermietung und beabsichtigte Veräußerung der Container als gewerblich ein. Die Grenze privater Vermögensverwaltung sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Verklammerung überschritten. Denn bereits im Zeitpunkt der Investitionen der Klägerin habe festgestanden, dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung der Erlöse aus dem Verkauf der vermieteten Container erzielen lasse. Es sei kein alternatives Geschäftskonzept ersichtlich, dessen Prognose ein positives Gesamtergebnis ohne Einbeziehung eines Veräußerungserlöses in Aussicht stelle. Dabei sei unschädlich, dass die Rückveräußerungen tatsächlich nicht wie geplant erfolgt seien. Denn die Qualifikation der Einkunftsart sei nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge vorzunehmen. Die zur Weiterveräußerung bestimmten Container stufte der Senat als Umlaufvermögen ein und versagte deshalb u. a. eine gewinnmindernde Berücksichtigung der geltend gemachten AfA.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat gegen das Urteil eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. III B 9/22 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

FG Düsseldorf, Mitteilung vom 13.06.2022 zum Urteil 13 K 2755/20 vom 21.12.2021 (nrkr – BFH-Az.: III B 9/22).

Bei Forderungsverlusten aus einer mittelbaren GmbH-Beteiligung ist auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen

Hält eine GmbH mittelbar über eine vermögensverwaltende KG GmbH-Beteiligungen, ist für die Ermittlung der für die Überschreitung der in § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG enthaltenen Schädlichkeitsgrenze von 25% zur Berücksichtigung von Forderungsverlusten auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen. Dies hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin, eine GmbH, war zu 2,02% an einer vermögensverwaltenden KG beteiligt, die ihrerseits 100%ige Beteiligungen an zwei weiteren GmbHs hielt. Diesen hatte die KG Darlehen gewährt, die wegen Insolvenz uneinbringlich wurden. Die anteilig auf die Klägerin entfallenden Forderungsverluste erkannte das Finanzamt unter Verweis auf § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht an. Für die 25%-Grenze sei auf die KG als darlehensgewährende Alleingesellschafterin und nicht auf die mittelbare Beteiligungsquote der Klägerin abzustellen.

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Der Klägerin könne der Abzug der Forderungsabschreibungen nicht nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG versagt werden. Nach dieser Vorschrift sind Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung nicht abziehbar, wenn das Darlehen von einem zu mehr als einem Viertel an der Körperschaft beteiligten Gesellschafter gewährt wird. Die Klägerin habe, so der Senat, die Beteiligungsquote von 25% nicht erreicht, da sie an den beiden Beteiligungsgesellschaften nur zu 2,02 % beteiligt gewesen sei. Die Klägerin sei als Gesellschafterin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, weil über vermögensverwaltende Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen als unmittelbare Beteiligungen anzusehen seien. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass die Personengesellschaft nicht selbst Schuldnerin der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sei.

Dass auf die mittelbare Beteiligungsquote abzustellen sei, ergebe sich zudem daraus, dass § 8b Abs. 3 KStG Regelungen zur Ermittlung des Einkommens von Körperschaften enthalte. Daher könne Darlehensgeber im Sinne des Satzes 4 nur eine (mittelbar oder unmittelbar beteiligte) Körperschaft, nicht aber eine zwischengeschaltete Personengesellschaft sein.

Ein anders Ergebnis folge auch nicht aus § 8b Abs. 6 KStG, der eine entsprechende Anordnung der vorigen Absätze auf Mitunternehmerschaften anordne, denn bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft handele es sich gerade nicht um eine Mitunternehmerschaft. Die KG sei schließlich auch nicht als eine der Klägerin nahestehende Person anzusehen, da die Klägerin nur zu 2,02 % und damit nicht – wie von § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG gefordert – zu mehr als einem Viertel beteiligt war.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 21/22 anhängig.

FG Münster, Mitteilung vom 15.06.2022 zum Urteil 13 K 3550/19 vom 06.04.2022 (nrkr – BFH-Az.: I R 21/22)

BRAK hält Zinsschranke zur Bemessung des zu versteuernden Einkommens für verfassungswidrig

Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu einem Vorlageverfahren Stellung genommen, das die sog. Zinsschranke bei der Bemessung des der Einkommensteuer unterfallenden Einkommens betrifft. Die entsprechende Regelung in § 4h EStG hält die BRAK für verfassungswidrig.

Dem beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren liegt ein Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH, I R 20/15) aus dem Jahr 2015 zugrunde. Gegenstand des dortigen Verfahrens ist die in § 4h EStG in der für die Steuerjahre 2008 und 2009 geltenden Fassung geregelte sog. Zinsschranke. Diese bewirkt, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, das die Grundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet, Zinsaufwendungen nur eingeschränkt als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Zum einen können Zinsaufwendungen nur insoweit abgezogen werden, als im Veranlagungszeitraum Zinserträge erzielt wurden; zum anderen wird ein danach abzugsfähiger positiver Zinssaldo nur in Höhe von 30 % des Gewinns als Betriebsausgabe berücksichtigt.

Nach Ansicht des BFH verstößt das durch die Zinsschranke ausgelöste Abzugsverbot für Zinsaufwendungen gegen Art. 3 I GG, weil die Zinsabzugsbeschränkung ergebnisabhängig sei und damit das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragssteuerrechts bzw. des Körperschaftssteuerrechts nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verletze. Die Leistungsfähigkeit beurteile sich nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip. Ersteres gebiete, dass nur Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben Gegenstand der Einkommensbesteuerung sein dürfen; zweiteres verhindere die Besteuerung des Existenzminimums. Die Zinsschranke durchbreche das objektive Nettoprinzip, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gebe. Die vom Gesetzgeber angeführten Argumente, u.a. Verhinderung von missbräuchlichen Steuergestaltungen, Gegenfinanzierung von Steuerentlastungen und Investitionsanreize, rechtfertigen aus Sicht des BFH die Beschränkung nicht.

Die BRAK hält die Vorlage des BFH für begründet. In ihrer Stellungnahme setzt sie sich eingehend damit auseinander, ob die vom Gesetzgeber angeführten Gründe hinreichend gewichtig sind, um eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Die Regelungen in § 4h EStG 2009 verstoßen auch aus Sicht der BRAK gegen Art. 3 I GG. Sie weist allerdings darauf hin, dass die Ausgestaltung der Zinsschranke inzwischen weitgehend unionsrechtlich determiniert ist und dass daher die Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Prüfung der konkreten Regelungen zur Zinsschranke in den Jahren 2008 und 2009 für die künftige steuerrechtliche Ausgestaltung dieses Lebenssachverhalts kaum von Bedeutung seien.

BRAK, Mitteilung vom 15.06.2022

BMF-Schreiben: Einzelfragen zur Abgeltungsteuer

In den Entscheidungen

  • BFH-Urteile vom 1. Juli 2021 – VIII R 9/19, VIII R 28/19, VIII R 6/20, VIII R 19/20 und VIII R 27/20 (Kapitalmaßnahme Hewlett-Packard Company – USA)

  • BFH-Urteil vom 1. Juli 2021 – VIII R 15/20 (Kapitalmaßnahme eBay Inc. – USA)

  • BFH-Urteil vom 19. Oktober 2021 – VIII R 7/20 (Kapitalmaßnahme Kraft Foods Inc. – USA)

legt der BFH den Begriff der „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG typusorientiert aus. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich. Entscheidend sei bei einer „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.

Nach den Feststellungen des BFH liegen für die oben genannten Kapitalmaßnahmen die Voraussetzungen für eine „Abspaltung“ im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG vor. Hiernach ist § 20 Absatz 4a Satz 1 und 2 EStG entsprechend anzuwenden. Dabei treten die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Da die „alten“ Anteile im Falle einer Abspaltung – anders als bspw. bei einem Anteilstausch im Rahmen einer Verschmelzung nicht untergehen, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die „alten“ und „jungen“ Anteile aufzuteilen. Hierbei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abspaltung abzustellen. Es bestehen keine Bedenken, die Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Schlusskurse der „alten“ und „jungen“ Anteile am ersten Handelstag nach der Abspaltung vorzunehmen. Ein möglicher Bestandsschutz der „alten“ Anteile, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, geht auf die „jungen“ Anteile über.

Die depotführenden Stellen buchten für die „jungen“ Anteile die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Abwicklung der vorgenannten Kapitalmaßnahmen Folgendes:

Die Urteilsgrundsätze des BFH sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und führen zu einer Minderung des bisher angesetzten steuerpflichtigen Kapitalertrags.

Von Seiten der depotführenden Stellen ist in diesem Zusammenhang nichts Weiteres zu veranlassen. Insbesondere erfolgt weder bei den „alten“ noch bei den „jungen“ Anteilen eine Korrektur der Anschaffungsdaten. § 43a Absatz 3 Satz 7 und § 20 Absatz 3a EStG sind nicht anzuwenden.

Die Folgewirkungen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung sind ausschließlich im Rahmen der Veranlagung der betroffenen Anleger zu beachten.

Die Prüfung und ggf. Erstattung der anlässlich der Kapitalmaßnahme einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgt gemäß § 32d Absatz 4 und 6 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch das zuständige Wohnsitzfinanzamt, sofern der Einkommensteuerbescheid des betreffenden Veranlagungszeitraums noch nicht bestandskräftig geworden ist. Bei einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid kann eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht mehr erfolgen.

Für die Besteuerung bei der Veräußerung der Anteile sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

I. Erwerb der „alten“ Anteile vor dem 1. Januar 2009 (Fallgruppe 1)

Sofern die „alten“ Anteile vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, unterliegen sowohl die „alten“ Anteile als auch die „jungen“ Anteile der Bestandsschutzregelung des § 52 Absatz 28 Satz 11 EStG.

Der im Rahmen der Veräußerung der „jungen“ Anteile erzielte Gewinn unterliegt grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug, da die Anteile im Zeitpunkt der Einbuchung von den depotführenden Stellen als Neuanteile (Erwerb nach dem 31. Dezember 2008) behandelt wurden.

Der Gewinn aus der Veräußerung der „jungen“ Anteile ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 32d Absatz 4 EStG im Rahmen der Veranlagung zu korrigieren. Im Falle eines im Steuerabzugsverfahren berücksichtigten Veräußerungsverlustes besteht eine Veranlagungspflicht nach § 32d Absatz 3 EStG.

II. Erwerb der ursprünglichen Anteile nach dem 31. Dezember 2008 (Fallgruppe 2)

Sofern die „alten“ Anteile nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft wurden, sind die Anschaffungskosten der „alten“ Anteile zum Zeitpunkt der Abspaltung auf die „alten“ und „jungen“ Anteile aufzuteilen (s. o.). Die auf Ebene der depotführenden Stellen vorhandenen Anschaffungskosten sind dementsprechend zu hoch, da sich die Verpflichtung zur Aufteilung der Anschaffungskosten erst aus der Beurteilung des BFH ergibt, dass es sich bei den Kapitalmaßnahmen um steuerneutrale Abspaltungen handelte. Die korrekten Gewinne aus der späteren Veräußerung der „alten“ und der „jungen“ Anteile können daher nur unter Berücksichtigung der korrigierten Anschaffungskosten im Rahmen der Veranlagung zutreffend berechnet werden, § 20 Absatz 4 Satz 1 EStG. Der Steuereinbehalt auf den Veräußerungsgewinn durch die depotführende Stelle (§§ 44 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit 43 Absatz 1 Satz 1

Nummer 9 EStG) ist nach § 32d Absatz 3 bzw. 4 EStG entsprechend zu korrigieren.

Soweit die Anteile nach der Abspaltung bereits veräußert wurden, sind die betroffenen Einkommensteuerbescheide zu korrigieren, soweit dies verfahrensrechtlich noch möglich ist.

III. Vereinfachungsregelungen

a) Jahr der Kapitalmaßnahme ist bestandskräftig veranlagt; Anteile sind noch nicht veräußert

Kann die Besteuerung für das Jahr der Kapitalmaßnahme aus verfahrensrechtlichen Gründen (z. B. Bestandskraft der Steuerfestsetzung) nicht mehr korrigiert werden, kann aus Billigkeitsgründen eine Korrektur der Gewinne aus der Veräußerung der „alten“ und „jungen“ Anteile in der Fallgruppe 2 unterbleiben, da in der Gesamtschau eine zutreffende (Gesamt-)Besteuerung vorliegt.

b) Jahr der Kapitalmaßnahme ist offen; Anteile sind bereits veräußert

Wurden in der Fallgruppe 2 bereits sämtliche „alten“ und „jungen“ Anteile veräußert, bestehen keine Bedenken, von einer Korrektur der bisher angesetzten Gewinne aus der Veräußerung der „alten“ und „jungen“ Anteile abzusehen, sofern der Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid des Veranlagungszeitraums, in dem die „jungen“ Anteile eingebucht wurden, zurückgenommen wird.

Unabhängig von den vorangestellten Billigkeitsregelungen kann hinsichtlich der dargestellten Fallgruppen 1 und 2 aus Vereinfachungsgründen eine Korrektur unterbleiben, wenn die bisher angesetzte Sachausschüttung im Zeitpunkt der Einbuchung der „jungen“ Anteile nicht mehr als 500 € beträgt.

Nach der BFH-Entscheidung VIII R 7/20 vom 19. Oktober 2021 fallen Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung im Sinne des § 123 Absatz 2 UmwG vergleichbar sind, bis zum Inkrafttreten des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 20 Absatz 4a Satz 1 EStG.

Die vorgenannten Grundsätze sind daher für die Abwicklung in vergleichbaren Altfällen entsprechend anzuwenden.

Zur Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze auf Abspaltungen im Sinne des § 15 UmwStG, vgl. das BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022 (BStBl I S. 842).

Das BMF-Schreiben vom 20. März 2017 (BStBl I S. 431) ist nicht mehr anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Stromsteuerentlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten als unzulässige Beihilfe

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erstmals entschieden, dass Unternehmen in Schwierigkeiten keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden kann.

Im Streitfall wies die Klägerin in ihrer Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre Anträge auf Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 StromStG lehnte das HZA mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sogenanntes Unternehmen in Schwierigkeiten sei und daher nach Maßgabe des unionsrechtlichen Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH entschied, dass die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG aufgrund ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen sind und als solche dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unterliegen. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergibt sich auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen. Im Kern ging es im Streitfall um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.

Hierzu traf der BFH zwei wesentliche Aussagen: Erstens stellt die AGVO bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO konkret auf die einzelne GmbH ab, welche die Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund. Zweitens kommt es auf eine positive Fortführungsprognose nicht an, weil eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen ist. Dem Unionsgesetzgeber kam es gerade darauf an, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.

BFH, Pressemitteilung vom 9.6.2022 zu Urteil vom 19.1.2022, VII R 28/19

Steuerliche Behandlung von Beiträgen an eine öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass eine Erhöhung des steuerpflichtigen Arbeitslohns um überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer umhüllenden öffentlich-rechtlichen Pensionskasse rechtmäßig und die von der Finanzverwaltung vorgenommene Schätzung des obligatorischen Anteils der Beiträge zur Schweizer Pensionskasse sachgerecht ist. Das Finanzgericht Baden-Württemberg ließ die Revision zu.

Die Klägerin wohnt im Inland. Sie arbeitet an einer Schule in der Schweiz und wird in Deutschland als sog. Grenzgängerin besteuert. Mit Tätigkeitsbeginn im Februar 2005 wurde sie in die Pensionskasse, eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt eines Schweizer Kantons (PK), aufgenommen. Die PK gilt als vollkapitalisiert. Sie ist im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen. Die PK führt die obligatorische berufliche Vorsorge durch und erbringt auch überobligatorische Leistungen. Nach dem Reglement der PK werden die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern jeweils zu leistenden Beiträge in Prozenten der beitragspflichtigen Besoldung bemessen.

Die Klägerin erklärte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2016 bis 2018 Beiträge zur beruflichen Vorsorge. Den obligatorischen Anteil der Beiträge berechnete sie, indem sie die im Reglement zur Bemessung der Beiträge festgelegten Prozentsätze auf den sog. koordinierten Lohn nach dem Schweizer Gesetz über die berufliche Vorsorge, dem BVG, anwandte. Das beklagte Finanzamt folgte dieser Berechnung nicht. Es sah als obligatorischen Anteil der Beiträge die auf den koordinierten Lohn zu leistenden Altersgutschriften nach dem BVG, Risikobeiträge in Höhe von 1 % des koordinierten Lohns, Sanierungs- und Verwaltungskostenbeiträge an.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, wies die Klage ab.

Zum Arbeitslohn gehörten auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer mit der Beitragszahlung durch den Arbeitgeber einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Leistung erlange – so im Streitfall nach dem Reglement der PK. Zu den als Arbeitslohn anzusetzenden Beiträgen gehörten neben den Sparbeiträgen auch die vom Arbeitgeber geschuldeten Risikobeiträge, Verwaltungskosten und Sanierungsbeiträge. Die überobligatorischen Beiträge seien steuerpflichtig. Die Aufteilung der Arbeitgeberbeiträge in obligatorische und überobligatorische Beiträge erfolge im Wege der Schätzung. Die Finanzbehörde sei zur Schätzung berechtigt, soweit sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen könne. Im Streitfall gehe es um Beiträge zu einer umhüllenden Vorsorgeeinrichtung. Eine solche lege in ihren Reglementen einheitliche Beiträge und Leistungen fest, die den gesamten obligatorischen und überobligatorischen Bereich umfassten. Die Festlegung der Beitragshöhe sei im Wesentlichen der Vorsorgeeinrichtung überlassen. „Eine mathematisch korrekte Aufschlüsselung der Beiträge in obligatorische und überobligatorische Beiträge“ sei nach dem Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) nicht möglich. Eine Bescheinigung der PK über die Höhe der obligatorischen Beiträge liege nicht vor. Die Schätzung des Finanzamts sei sachgerecht. Sie orientiere sich an der Empfehlung des BSV und der Fachmitteilung Nr. 105 des Schweizer Pensionskassenverbands (ASIP).

Hinsichtlich der Sparbeiträge sei es sachgerecht, diese unter Rückgriff auf die Altersgutschriften nach dem BVG aufzuteilen. Reglementarische Beiträge in Höhe der Altersgutschriften nach dem BVG seien als obligatorische Beiträge anzusehen. Insoweit dienten sie nach Schweizer Recht dem Aufbau des BVG-Altersguthabens. Bei den darüberhinausgehenden Sparbeiträgen handle es sich um überobligatorische Beiträge. Eine gesetzliche Regelung zu den im Umlageverfahren erhobenen Risikobeiträgen fehle. Insoweit werde den Einschätzungen des BSV und ASIP gefolgt. Die Behandlung der gesamten Verwaltungskosten und Sanierungsbeiträge als obligatorische Beiträge erachtete der 3. Senat im Hinblick auf die für die Berechnung der reglementarischen Altersrenten maßgeblichen und gegenüber dem BVG Umwandlungssatz regelmäßig niedrigeren reglementarischen Umwandlungssätze als sachgerecht. Die als Arbeitslohn behandelten überobligatorischen Beiträge zur PK seien nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Insoweit handle es sich nicht um ein mit der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbares Rechtsverhältnis. Die überobligatorischen Leistungen würden neben der gesetzlichen Versorgung geleistet. Die PK lasse eine Kapitalisierung von Ansprüchen zu. Der Senat sah keinen tragfähigen Grund für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Schweizer Vorsorgeeinrichtungen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Pressemitteilung Nr. 2/2022 vom 7.6.2022 zu Urteil vom 18. November 2021 (3 K 1213/20)

Kindergeld: Ermittlung des Lebensbedarfs eines behinderten Kindes

Kindergeld wird einem Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen sei. Das Finanzgericht setzte sich außerdem mit verfahrensrechtlichen Fragen, dem Bekanntgabezeitpunkt bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters und der von der beklagten Familienkasse angewandten Änderungsnorm, auseinander. Es ließ die Revision beim Bundesfinanzhof zu.

Die beklagte Familienkasse hatte für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Sie hob diese Festsetzung mit Bescheiden vom März 2021 auf. Der Kindsvater machte geltend, es gebe keine Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kinds fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden. Die abweisende Einspruchsentscheidung datiert vom 28. Juli 2021, der Absendevermerk vom 29. Juli 2021. Die Familienkasse schilderte die interne Organisation der Postaufgabe unter Einschaltung eines privaten Postdienstleisters. Nach den Angaben des Vertreters des Klägers ging ihm die Einspruchsentscheidung am 3. August 2021 zu. Seine Klage vom 3. September 2021 sei fristgemäß.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Ein Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an die Postausgangsstelle weiterleite, reiche nicht aus. Erforderlich sei ein Absendevermerk der Poststelle. Die Schilderungen der organisatorischen Abwicklung lasse zwar auf eine Postaufgabe am 29. Juli 2021 schließen. Die Zugangsfiktion am dritten Tag sei jedoch erschüttert. Der Verfahrensablauf des Postdienstleisters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3. August 2022 möglich und die Klage zulässig.

Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es nicht gegeben. Die Familienkasse habe bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Rente des Kinds gehabt. Der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid sei daher rechtswidrig.

Außerdem sei der Kläger kindergeldberechtigt. Sein Kind sei nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Es sei „(neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen“. Es komme auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Laufende oder einmalige Geldzuwendungen von Eltern seien unschädliches Kindesvermögen. Es dürfe keinen Unterschied machen, wie das Kind das ererbte Vermögen verwende, ob es die geerbten Mittel abhebe oder mit diesen eine private Lebensversicherung abschließe und die Rente zum Lebensunterhalt einsetze. Nichts Anderes gelte, wenn das Kind den von der Mutter geerbten Geldbetrag vor Abschluss der privaten Rentenversicherung um (im Verhältnis zum geerbten Vermögen geringe) eigene Mittel aufstocke. Die monatlichen Rentenzahlungen stellten, soweit sie deren steuerpflichtigen Ertragsanteil überstiegen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kinds deckten damit dessen existenziellen Lebensbedarf nicht. Die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit scheide aufgrund der Behinderung aus. Werde der Aufhebungsbescheid vom 10. März 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben, lebe die Kindergeldfestsetzung wieder auf.

FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 07.06.2022 zum Urteil 1 K 2137/21 vom 14.04.2022