Steuerliche Anerkennung von Umzugskosten ab 1. April 2021 sowie 1. April 2022

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wurden zur Anwendung der §§ 6 bis 10 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) für Umzüge ab 1. April 2021 bzw. 1. April 2022 die Pauschbeträge neu festgelegt.

Es gilt Folgendes:

Maßgeblich für die Ermittlung der Pauschalen ist der Tag vor dem Einladen des Umzugsguts.

Der Höchstbetrag nach § 9 Absatz 2 BUKG, der für die Anerkennung von Auslagen für den durch den Umzug bedingten zusätzlichen Unterricht für ein Kind des Berechtigten (nach § 6 Absatz 3 Satz 2 BUKG) maßgebend ist, beträgt ab

  • April 2021: 1.160 Euro

  • April 2022: 1.181 Euro.

Der Pauschbetrag für sonstige Umzugsauslagen beträgt:

a) Für Berechtigte (§ 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BUKG)

  • ab 1. April 2021: 870 Euro

  • ab 1. April 2022: 886 Euro.

b) Für jede andere Person (Ehegatte, der Lebenspartner sowie die ledigen Kinder, Stief- und Pflegekinder, die auch nach dem Umzug mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben (§ 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 BUKG)

  • ab 1. April 2021: 580 Euro

  • ab 1. April 2022: 590 Euro.

Für Berechtigte, die am Tage vor dem Einladen des Umzugsgutes keine Wohnung hatten oder nach dem Umzug keine eigene Wohnung eingerichtet haben, beträgt die Pauschvergütung nach § 10 Absatz 2 BUKG:

  • ab 1. April 2021: 174 Euro

  • ab 1. April 2022: 177 Euro.

Das BMF-Schreiben vom 20. Mai 2020 – IV C 5 – S-2353 / 20 / 10004 :001; DOK: 2020/0504692 (BStBl I Seite 544) ist auf Umzüge nicht mehr anzuwenden, bei denen der Tag vor dem Einladen des Umzugsguts nach dem 31. März 2021 liegt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Eine zusätzlich gezahlte Abfindung, die nach Wahrnehmung einer sog. Sprinterklausel gezahlt wird, ist ermäßigt zu besteuern

Die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erfolgt regelmäßig (auch) im Interesse des Arbeitgebers. Eine im Gegenzug gezahlte Abfindung ist daher in der Regel als Entschädigung ermäßigt zu besteuern. Dies gilt grundsätzlich auch für eine (zusätzliche) Abfindung, die für die (vorzeitige) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung einer sog. Sprinterklausel gezahlt wird. Denn in diesem Fall kann die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht separat, sondern nur im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses insgesamt betrachtet werden.

Dies hat das Hessische Finanzgericht rechtskräftig entschieden (Az. 10 K 1597/20).

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die mit ihrem Arbeitgeber zusätzlich zu einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit einer Abfindung eine sog. Sprinterklausel vereinbart hatte. Diese besagte, dass der Klägerin das Recht eingeräumt wurde, gegen einen weiteren Abfindungsbetrag das Arbeitsverhältnis vor dem eigentlich vereinbarten Zeitpunkt zu beenden. Die Klägerin hatte dieses Recht ausgeübt und die weitere Abfindung erhalten.

Das Finanzamt unterwarf nur die aus der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses resultierende Abfindung der ermäßigten Besteuerung, nicht aber den aufgrund der Ausübung der Sprinterklausel erhaltenen Betrag. Es verwies auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 08.02.2018 (Az. 1 K 279/17), welches die Ausübung der Kündigung als neues auslösendes Ereignis gewertet hatte.

Das Hessische Finanzgericht hat nun anders entschieden und der Klage stattgegeben. Zur Begründung führte es aus, auch der weitere Abfindungsbetrag sei gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und § 24 Nr. 1a Einkommensteuergesetz ermäßigt zu besteuern, denn auch diese Abfindung finde ihren Rechtsgrund in der Aufhebungsvereinbarung und sei nicht getrennt davon zu betrachten.

(FG Hessen, Pressemitteilung vom 27.07.2021 zu Urteil vom 31.05.2021 – 10 K 1597/20)

Kein Abzug von Kindergartenbeiträgen in Höhe steuerfrei gezahlter Arbeitgeberzuschüsse

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die als Sonderausgaben abziehbaren Kindergartenbeiträge um die dazu geleisteten steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse zu kürzen sind.

Die verheirateten Kläger zahlten für die Betreuung ihrer minderjährigen Tochter einen Kindergartenbeitrag in Höhe von 926 €. Zugleich erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber einen steuerfreien Kindergartenzuschuss in Höhe von 600 €.

Das Finanzamt kürzte die von den Klägern mit ihrer Einkommensteuererklärung in voller Höhe (926 €) geltend gemachten Sonderausgaben um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuss. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Der BFH bestätigte das finanzgerichtliche Urteil.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG können Kinderbetreuungskosten und damit auch Kindergartenbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Sonderausgaben setzen nach der gesetzlichen Regelung aber Aufwendungen voraus.

Der BFH vertrat die Ansicht, dass als Sonderausgaben daher nur solche Ausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist. Gewährt der Arbeitgeber einen steuerfreien zweckgebundenen Arbeitgeberzuschuss zu den Kinderbetreuungskosten (§ 3 Nr. 33 EStG), werde die wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen in diesem Umfang gemindert. Damit würden auch unberechtigte Doppelbegünstigungen vermieden. Die Kürzung der Sonderausgaben um die steuerfreien Arbeitgeberleistungen erfolge gleichermaßen bei verheirateten als auch bei unverheirateten Elternteilen.

(BFH, Pressemitteilung vom 22.07.2021 zu Beschluss vom 14.04.2021 – III R 30/20)

Online-Klavierkurse unterliegen nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz

Online-Klavierkurse unterliegen dem umsatzsteuerlichen Regelsteuersatz. Dies hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Der Kläger bietet Video-Klavierkurse zum Teil mit eigenen Kompositionen auf seiner Homepage an, mit denen seine Kunden das freie Klavierspiel erlernen und erweitern können. Darüber hinaus veranstaltet er Webinare für eine größere Teilnehmerzahl und Online-Tastentrainings in Form von Einzelunterricht.

Die Umsätze aus diesen Tätigkeiten unterwarf das Finanzamt dem Regelsteuersatz von 19 %. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage und machte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes geltend. Er verkaufe keine Massenware, sondern erbringe Online-Konzerte, da Hauptbestandteil seiner Videos die Wiedergabe von Eigenkompositionen sei. Zudem räume der Kläger seinen Kunden urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Kompositionen ein.

Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster sah dies anders und hat es bei der Besteuerung der Umsätze nach dem Regelsteuersatz belassen. Der Kläger habe keine Darbietungen im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG erbracht, die mit Theatervorführungen und Konzerten vergleichbar seien. Die Online-Kurse und Tastentrainings enthielten zwar darbietende Elemente wie Vorspiele selbst komponierter Stücke. Allerdings stehe nicht die Unterhaltung eines Publikums, sondern der unterrichtende Charakter im Vordergrund. Den Kunden des Klägers gehe es weniger um kulturellen Konsum, sondern um ihren eigenen Unterrichtserfolg.

Die Umsätze des Klägers seien auch nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG begünstigt, da die Einräumung der urheberrechtlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte nicht Hauptbestandteil seiner Leistungen seien. Zwar habe der Kläger den Kunden nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch Rechte übertragen, die unter das Urheberrechtsgesetz fallen. Der Schwerpunkt der als einheitlich zu beurteilenden Leistungen liege jedoch in der Gewährung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Produkte zum Erlernen oder Verbessern des Klavierspiels. Eine Aufteilung dieses Gesamtpakets in verschiedene Elemente sei wirklichkeitsfremd.

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.07.2021 zu Urteil vom 17.06.2021 – 5 K 3185/19 U

Tausch von Genussrechten führt zu Kapitaleinkünften

Ein Verlust aus dem Tausch von Genussrechten gegen Genossenschaftsanteile und Schuldverschreibungen ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig.

Der Kläger war Inhaber von Genussrechten an einer GmbH. Im Rahmen des über das Vermögen der GmbH eröffneten Insolvenzverfahrens wurde die GmbH entsprechend eines Insolvenzplans in eine eG umgewandelt und der Kläger erhielt für seine bisherigen Genussrechte Genossenschaftsanteile, Schuldverschreibungen und einen Spitzenausgleich. Aus diesem Umtausch erklärte der Kläger einen Verlust, den er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung geltend machte. Diesen erkannte das Finanzamt nicht an, da sich um einen steuerlich unbeachtlichen Vorgang auf der privaten Vermögensebene handele.

Die Klage hatte in Bezug auf den erklärten Verlust Erfolg. Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat ausgeführt, dass der Verlust steuerlich zu berücksichtigen sei, weil es sich bei den Genussrechten um sonstige Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG handele. Da die Genussrechte nach den Genussscheinbedingungen kein Recht am Liquidationsgewinn vermittelten, stellten sie keine Beteiligung an der GmbH dar. Die Hingabe der Genussrechte gegen Erhalt der Genossenschaftsanteile und der Schuldverschreibungen sei als Tauschgeschäft zu behandeln, welches einer Veräußerung gleichstehe. Der Berücksichtigung des Verlustes stehe nicht entgegen, dass der Kläger keine Verlustbescheinigung im Sinne von § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG habe, da diese nur von einer „auszahlenden Stelle“ ausgestellt werden könne. Im Fall von frei handelbaren Genussrechten existiere eine solche Stelle nicht.

FG Münster, Mitteilung vom 15.07.2021 zu Urteil vom 09.06.2021 – 13 K 207/18 E,F

Keine Streitwertreduzierung bei unechter Eventualklage

Keine Streitwertreduzierung bei unechter Eventualklage

Wird bei einem einheitlichen Klagegegenstand mit dem Hauptantrag lediglich ein Teilbetrag und hilfsweise für den Fall des Obsiegens der Gesamtbetrag eingeklagt (sog. unechte Eventualklage), richtet sich der Streitwert gleichwohl nach dem Wert des gesamten Klagegegenstands.

Der Erinnerungsführer ist selbstständiger Steuerberater. Er stellte eine Rechnung an einen anderen Steuerberater, in der er Umsatzsteuer i. H. v. 23.750.000 Euro auswies. Mit Abgabe seiner Umsatzsteuervoranmeldung teilte er mit, dass dieser Umsatzsteuerausweis überhöht sei und die tatsächliche Steuer lediglich 237,50 Euro betrage. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer gemäß § 14c UStG dennoch in Höhe des ausgewiesenen Betrages fest. Hiergegen erhob der Erinnerungsführer Klage, deren Hauptantrag lediglich einen Teilbetrag von 5.000 Euro und hilfsweise für den Fall des Obsiegens den Gesamtbetrag umfasste. Ausgehend vom höheren Streitwert setzte die Justizkasse einen Gerichtskostenvorschuss i. H. v. 348.944 Euro fest. Hiergegen wandte der Erinnerungsführer ein, dass der Streitwert lediglich 5.000 Euro und die Verfahrensgebühr damit 584 Euro betrage. Ein Hilfsantrag sei erst dann maßgeblich, wenn über ihn entschieden werde.

Die Erinnerung hatte keinen Erfolg. Aus § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ergebe sich nicht zwingend – so der für die Erinnerung gegen den Kostenansatz zuständige Einzelrichter des 5. Senats – dass ein Hilfsantrag für die Streitwertbestimmung nur dann erheblich sein könne, wenn über ihn entschieden worden sei. Vielmehr solle für den Streitwert bei demselben Gegenstand von Haupt- und Hilfsantrag derjenige Wert maßgebend sein, der den Gegenstand der Entscheidung bildet. Dies verhindere eine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Streitgegenstands. Maßgeblich sei grundsätzlich die tatsächliche finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger. Vorliegend sei die Klage ausgehend vom wirklichen Willen des Erinnerungsführers dahingehend auszulegen, dass eine Verurteilung des Beklagten auf den gesamten im Hilfsantrag genannten Betrag angestrebt werde.

FG Münster, Mitteilung vom 15.07.2021 zu Beschlüssen vom 19.05.2021 und 01.06.2021 – 5 Ko 1247/21

FG Baden-Württemberg: Keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung von Altersrenten

Eine doppelte Besteuerung von Altersrenten liegt vor, wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer sind als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen.

Geklagt hatten zusammenveranlagte Eheleute. Sie erhalten seit dem Jahr 2014 jeweils eine Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Im Streitjahr 2017 erklärte der Kläger neben Versorgungsbezügen aus einem früheren Beamtenverhältnis in Höhe von 24.560 Euro Einnahmen aus Leibrenten von 5.785 Euro und die Klägerin von 18.975 Euro. Das beklagte Finanzamt unterwarf die Altersrenten der Einkommensteuer.

Im Einspruchsverfahren rügten die Kläger eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung. Das zu versteuernde Einkommen sei um die – vermeintlich – steuerpflichtigen Teile der Renten zu kürzen, so dass sich richtigerweise ein zu versteuerndes Einkommen i. H. von 15.232 Euro ergebe (32.335 Euro ./. 17.103 Euro). Nach der Splittingtabelle betrage die Einkommensteuer daher 0 Euro und nicht 3.054 Euro.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Kläger keine Nachweise über die von ihnen behauptete Doppelbesteuerung vorgelegt hätten. Im Klageverfahren legten die Kläger Aufstellungen über die von ihnen aufgewandten Altersvorsorgeaufwendungen und über die steuerfreigestellten Rententeilbeträge vor.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die steuerpflichtigen Teile der Leibrenten der Kläger seien gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 2 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) in zutreffender Höhe zugrunde gelegt worden. Dabei könne offen bleiben, ob die Einwände der Kläger bereits im Verfahren der Steuerfestsetzung geprüft oder nur in einem gesondert – vorliegend noch nicht durchgeführten – Billigkeitsverfahren auf der Grundlage von § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) gehört werden könnten, denn eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung der Rentenbezüge der Kläger sei nicht gegeben.

Voraussetzung einer doppelten Besteuerung von Altersrenten

Eine doppelte Besteuerung liege vor, wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge geringer seien als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen. Diese Voraussetzung sei weder beim Kläger noch bei der Klägerin erfüllt. Die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge des Klägers summierten sich auf 31.752,19 Euro und die der Klägerin auf 121.346 Euro. Sie seien damit höher als die aus ihrem versteuertem Einkommen geleisteten Teile ihrer Altersvorsorgeaufwendungen, nämlich die des Klägers von 4.000,76 Euro und der Klägerin von 54.682,63 Euro.

Ermittlung der künftig (voraussichtlich) steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nach dem Nominalwertprinzip

Die den Klägern künftig (voraussichtlich) steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge ermittelten sich dergestalt, dass der jeweilige steuerfreie Jahresbetrag der Rente i. S. v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts gegebenen durchschnittlichen weiteren statistischen Lebenserwartung zu multiplizieren sei, wobei die Berechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen sei.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zu Gerichtsbescheid vom 08.03.2021 – 1 K 937/19; BFH-Az.: X R 6/21)

Sonderausgabenabzug für ein unter Denkmalschutz stehendes Wohneigentum?

Kein Sonderausgabenabzug für ein zum deutschen kulturgeschichtlichen Erbe gehörendes, in Frankreich gelegenes und unter Denkmalschutz stehendes Wohneigentum mangels Abstimmung mit den französischen Denkmalbehörden: Das ist das Fazit des FG Baden-Württemberg im nachfolgend beschriebenen Fall.

Geklagt hatte ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz und Praxis in Deutschland. Mit seiner Lebensgefährtin hat er eine gemeinsame Tochter. Der Familienwohnsitz befand sich in den Streitjahren 2010 bis 2014 im Elsass (Frankreich). Der Kläger hatte 2008 das Alleineigentum an 47 % eines nach französischem und deutschem Recht denkmalgeschützten Gebäudes für einen Kaufpreis von 950.000 Euro erworben. Sein Eigentumsanteil umfasst eine Wohnung im Unter- und Erdgeschoss nebst Garten.

In den Jahren 2008 bis 2010 wurden im Auftrag des Klägers und seiner Lebensgefährtin in dem im Eigentum des Klägers stehenden Gebäudeteil umfangreiche Bau- und Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Hierdurch entstanden insgesamt Aufwendungen in Höhe von 370.112,39 Euro (brutto).

Eine (vorherige) Abstimmung der Baumaßnahmen mit den Denkmalbehörden in Deutschland oder in Frankreich hat nach den Angaben des Klägers nicht stattgefunden. Der Kläger beantragte für die Baumaßnamen einen Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG. Einen solchen lehnte das beklagte Finanzamt (FA) ab.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Das Finanzamt habe den Sonderausgabenabzug nach § 10f Abs. 1 i. V. m. § 7i EStG für die Baumaßnahmen an dem im Eigentum des Klägers stehenden Teil des im Elsass gelegenen Baudenkmals zu Recht versagt.

Zur Begründung führte das Gericht aus, die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) könne für nachträgliche Herstellungskosten für ein Baudenkmal i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG nur gewährt werden, wenn die Baumaßnahmen mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde vor Beginn der Baumaßnahmen abgestimmt waren (§ 7i Abs. 1 Satz 6 EStG).

Ist das Baudenkmal, für welches die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG beantragt wird, in Frankreich belegen, muss eine Abstimmung i. S. d. § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG von nach französischem Recht grundsätzlich genehmigungspflichtigen Arbeiten an einem eingetragenen historischen Gebäude mit der zuständigen französischen Denkmalbehörde erfolgen.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zu Urteil vom 14.01.2021 – 3 K 1948/18; BFH-Az.: X R 4/21)

Hausnotrufsystem: Senioren können Steuerbonus nutzen

Senioren, die ein Hausnotrufsystem nutzen, damit sie im Ernstfall schnell Hilfe erhalten, können die Kosten dafür in ihrer Einkommensteuererklärung geltend machen. Das hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in einer vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützten Musterklage entschieden.

Das Urteil ist für viele alleinlebende Senioren wichtig: Bislang gingen diese beim Finanzamt oft leer aus, wenn sie die Kosten für ihren Hausnotruf absetzen wollten, so die Experten beim Bund der Steuerzahler.

Im Musterfall lebte die 1939 geborene Klägerin allein in ihrem Haushalt und nutzte ein sog. Hausnotrufsystem. Die Ausgaben dafür setzte die Seniorin in ihrer Einkommensteuererklärung als haushaltsnahe Dienstleistung an. Das Finanzamt strich aber den Steuerabzug. Begründung der Finanzbeamten: Diese Kosten seien nur absetzbar, wenn der Steuerzahler im Heim wohnt. Doch das Finanzgericht gab der Seniorin recht und erkannte – wie bei haushaltsnahen Dienstleistungen gesetzlich vorgesehen – 20 Prozent der Kosten des Hausnotrufsystems als haushaltsnahe Dienstleistung steuermindernd an. Da üblicherweise Haushaltsangehörige im Bedarfsfall Hilfe holen, ersetze das Notrufsystem bei Alleinlebenden die Überwachung im Haushalt, urteilten die Richter.

Das Finanzgericht hat allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Es ist zu erwarten, dass das Finanzamt diese Möglichkeit nutzen wird, um das steuerzahlerfreundliche Urteil überprüfen zu lassen, weil auch in einem Parallelfall aus Sachsen das Finanzamt zum Bundesfinanzhof gezogen ist (Az. VI R 7/21). Betroffene können sich dennoch auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg berufen. Sie sollten Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen, wenn das Finanzamt die Kosten für den Hausnotruf nicht akzeptiert. Dann bleibt der eigene Steuerfall zumindest offen, bis der Bundesfinanzhof abschließend über den Streit entschieden hat, rät der Bund der Steuerzahler.

BdSt, Pressemitteilung vom 02.07.2021 zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 – 5 K 2380/19

Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk

Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat entschieden, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Abgabe von selbst produzierter Wärme aus einem Blockheizkraftwerk nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Einkaufspreis für die selbst produzierte Wärme abzustellen ist, wenn sich hierfür aus Wärmelieferungen an Dritte ein Marktpreis feststellen lässt.

Die Klägerin, eine KG mit zwei Gesellschaftern, produziert mittels eines an eine Biogasanlage angeschlossenen Blockheizkraftwerks (BHKW) Strom und Wärme. Der im BHKW erzeugte Strom wird entgeltlich an den Netzbetreiber geliefert. Der Netzbetreiber zahlte der Klägerin in den Streitjahren 2008 bis 2013 neben dem Entgelt für den gelieferten Strom den sog. KWK-Bonus in Höhe von 0,02 Euro/kWh für die im BHKW produzierte Wärme. Die Klägerin lieferte der E-GmbH in den Streitjahren über eine Fernwärmeleitung Wärme im Umfang von jeweils ca. 500.000 kWh zum Preis von 0,03 Euro/kWh (netto). Ein weiterer Teil der im BHKW produzierten Wärme im Umfang von ca. 1,6 Mio. kWh pro Jahr wurde ab dem Streitjahr 2012 durch eine beteiligungsidentische Schwestergesellschaft über eine Gasleitung an die G-GmbH geliefert. Für die ersten 400.000 kWh wurde hierbei ein Preis von 0,0275 Euro/kWh bzw. 0,0294 Euro/kWh (jeweils netto) in Rechnung gestellt.

Die im BHKW produzierte Wärme wurde in den Streitjahren ferner in den landwirtschaftlichen Betrieben und in den Vermietungsobjekten und Privathäusern der Gesellschafter eingesetzt. Der jährliche Umfang der Wärmeabgabe lag pro Gesellschafter zwischen 289.000 kWh und 370.000 kWh. Die Wärmeabgabe an die Gesellschafter erfolgte nicht gegen gesonderte Rechnung. Ab dem Streitjahr 2010 wurde für die Wärmeabgabe eine Belastung der Kapitalkonten vorgenommen. Die Gesellschafter verfügten in den Streitjahren über eigene Ölheizungsanlagen, die jedoch nicht betrieben wurden. Ein Anschluss an die örtliche Erdgasleitung wäre jederzeit mit einem finanziellen Aufwand von 5.000 Euro bis 6.000 Euro möglich gewesen. Der Beklagte sah die Wärmeabgabe an die Gesellschafter als unentgeltliche Wertabgabe an, deren Bemessungsgrundlage aufgrund des Fehlens eines Marktpreises durch Ansatz des fiktiven Einkaufspreises zu ermitteln sei, da die Gesellschafter die Wärme ohne erheblichen Aufwand auch alternativ mit eigenen Heizungsanlagen hätten erzeugen können. Den fiktiven Einkaufspreis berechnete der Beklagte auf Grundlage der Heizölpreise aus den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichten Energiedaten unter Ansatz von Preisen zwischen 0,0408 Euro/kWh und 0,0730 Euro/kWh. Der Einspruch der Klägerin gegen die Umsatzsteuerbescheide blieb erfolglos.

Der 4. Senat gab der Klage teilweise statt. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Wärmeabgabe nahm das Finanzgericht auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG vor, da diese Vorschrift im Streitfall über die Mindestbemessungsgrundlage auch bei Vorliegen einer entgeltlichen Lieferung an die Gesellschafter anwendbar war. Die Bemessungsgrundlage ermittelte der 4. Senat durch den Ansatz des fiktiven Einkaufspreises für die selbst produzierte Wärme, der nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG vorrangig vor den Selbstkosten heranzuziehen ist. Im Hinblick auf die Höhe des Einkaufspreises folgte der Senat dem Klagebegehren und setzte den Einkaufspreis in Höhe von 0,03 Euro/kWh an, da sich aus den entgeltlichen Wärmelieferungen an die E-GmbH und die G-GmbH ein entsprechender Marktpreis ergab. Der Ansatz des Marktpreises berücksichtigt nach Auffassung des Senats die speziellen Gegebenheiten des Marktes für selbst produzierte Wärme und gibt die Preisverhältnisse am genauesten wieder. Dies führt entsprechend dem Zweck des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dazu, dass der Unternehmer infolge der Wärmeabgabe mit der Umsatzsteuer belastet wird, die anhand der aktuellen Marktsituation auf der konkret abgegebenen Wärme lastet. Der Unternehmer wird durch den Ansatz des Marktpreises für die selbst produzierte Wärme so behandelt, als habe er die Wärme – in gleicher Weise wie fremde Dritte – bei sich selbst eingekauft. Die vom Beklagten angesetzten Heizölpreise waren nach Auffassung des 4. Senats bei der Ermittlung des fiktiven Einkaufspreises nicht zu berücksichtigen, da sie nach der Vereinfachungsregelung in Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 8 UStAE nur für die subsidiäre Ermittlung der Selbstkosten von Bedeutung sind.

Die von der Klägerin begehrte Anrechnung der KWK-Umlage in Höhe von 0,02 Euro/kWh auf den fiktiven Einkaufspreis wurde vom 4. Senat hingegen abgelehnt. Er schloss sich insoweit der BFH-Rechtsprechung an, der zufolge der KWK-Bonus als zusätzliches Entgelt für den im Blockheizkraftwerk erzeugten Strom anzusehen ist und damit nicht als Entgelt von dritter Seite i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG der Wärmeabgabe zugeordnet werden kann.

(FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.06.2021 zu Urteil vom 24.11.2020 – 4 K 3/16; BFH-Az.: XI R 38/20)