Entgeltliche Überlassung eines Dorfgemeinschaftshauses nicht umsatzsteuerpflichtig

Die Überlassung eines Dorfgemeinschaftshauses an Vereine und Privatpersonen ist nicht umsatzsteuerpflichtig, sodass die Ortsgemeinde auch keinen Vorsteuerabzug für die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses geltend machen kann.

Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die entgeltliche Überlassung eines Gemeinschaftshauses einer Ortsgemeinde an Vereine und Privatpersonen nicht umsatzsteuerpflichtig ist und dass die Ortsgemeinde deshalb für die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses auch keinen Vorsteuerabzug (= Abzug der in Rechnungen anderer Unternehmer – z. B. Baufirmen – ausgewiesenen Umsatzsteuer) geltend machen kann.

Die Klägerin ist eine rheinland-pfälzische Ortsgemeinde, die in verschiedenen Bereichen unternehmerisch tätig und deshalb umsatzsteuerpflichtig ist. In den Streitjahren 2012 bis 2014 errichtete sie ein Dorfgemeinschaftshaus, das nach Fertigstellung unentgeltlich an Vereine überlassen und für Gemeinderatssitzungen genutzt wurde. Die Räumlichkeiten wurden außerdem an Privatpersonen für Familienfeiern, Beerdigungen und ähnliche Anlässe sowie an einen Musikverein zur gelegentlichen Nutzung vermietet. Dem Musikverein war es gestattet, während und nach den Proben Getränke zu verkaufen. Die vorhandene Thekeneinrichtung durfte für diesen Zweck genutzt werden. Der erzielte Überschuss sollte dem Musikverein zustehen.

In ihren Umsatzsteuererklärungen erfasste die Klägerin auch die Umsätze aus der Vermietung des Dorfgemeinschaftshauses und machte dementsprechend die auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses entfallenden Vorsteuerbeträge in Höhe von 18.664 Euro (2012), 29.436 Euro (2013) und 4.829 Euro (2014) geltend.

Das beklagte Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, weil es der Auffassung war, dass es sich bei der Nutzungsüberlassung der Veranstaltungsräume um eine zwingend nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreite Grundstücksvermietung handle, was den Abzug der Vorsteuern aus der Errichtung und Unterhaltung des Gemeindehauses ausschließe.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz wies die dagegen erhobene Klage der Ortsgemeinde ab. Es treffe zu, so das Gericht, dass die entgeltliche Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses an Vereine und Privatpersonen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei sei, sodass auch die auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses entfallenden Vorsteuern nicht abgezogen werden könnten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) liege eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG vor, wenn dem Vertragspartner gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht eingeräumt werde, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen. Würden Betriebsvorrichtungen mitüberlassen, komme es für die Annahme einer steuerfreien Vermietung oder einer steuerpflichtigen sonstigen Leistung darauf an, welche Leistung prägend sei. Im vorliegenden Fall stelle die Überlassung von Räumlichkeiten die Hauptleistung dar. Soweit die Ortsgemeinde auch andere Leistungen erbracht haben sollte wie z. B. Reinigung, Beleuchtung, Bestuhlung und Geschirrverleih, handele es sich nur um Nebenleistungen, die im Vergleich zur Grundstücksüberlassung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nebensächlich seien. Solche Leistungen dienten üblicherweise nur der Inanspruchnahme der Räumlichkeiten und hätten nur das Mittel dargestellt, um die Hauptleistung der Klägerin, die Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses bzw. von Teilen davon, unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Dies gelte auch, soweit den Mietern die Küche zur Verfügung gestellt worden sein sollte. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Räumlichkeiten gerade mit Blick auf die dort vorhandene Küche angemietet worden seien und speziell die Bewirtung der Gäste mit in dem Dorfgemeinschaftshaus zubereiteten Speisen im Vordergrund gestanden habe. Vielmehr sei es ebenso möglich, dass die Mieter keine Bewirtung angeboten oder für die Bewirtung – etwa im Rahmen der Bereitstellung durch einen Dienstleister („caterer“) – nicht auf die Küche zurückgegriffen hätten. Dies gelte auch, soweit es dem Musikverein vertraglich gestattet gewesen sei, während und nach den Proben Getränke zu verkaufen und hierfür die vorhandene Thekeneinrichtung zu verwenden. Im Vordergrund habe weiterhin die Nutzung des großen Saals als Proberaum gestanden, d. h. die Inanspruchnahme der Räumlichkeiten als solche.

Das Finanzgericht ließ die (beim Bundesfinanzhof einzulegende) Revision gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil die Frage, ob sich aus dem sekundären Unionsrecht (Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) für kurzfristige Grundstücksvermietungen etwas Anderes ergebe, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei.

(FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 11.12.2019 zu Urteil vom 18.09.2019 – 3 K 1555/17)

Steuerfreie Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt

Die entgeltliche Übertragung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt ist von der Umsatzsteuer befreit. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die von Privatpersonen abgeschlossene Kapitallebensversicherungen erwarb. Der Kaufpreis lag über dem sog. Rückkaufswert, aber unter den eingezahlten Versicherungsprämien. Anschließend änderte die Klägerin die Versicherungsverträge, indem sie die für die Ablaufleistung unerheblichen Zusatzversicherungen kündigte und die Beitragszahlung auf jährliche Zahlungsweise umstellte. Danach veräußerte sie ihre Rechte an den so modifizierten Kapitallebensversicherungen an Fondsgesellschaften. Ihre Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen behandelte die Klägerin im Streitjahr (2007) als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt (FA) ging hingegen davon aus, dass es sich bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt um eine einheitliche steuerpflichtige Leistung handele. Diese Leistung sei auf der Grundlage des von den Fondsgesellschaften gezahlten Kaufpreises zu versteuern. Die Klage beim Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg.

Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und gab der Klage statt. Nach seinem Urteil handelt es sich um steuerfreie Umsätze im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes.

Die Klägerin erbrachte mit der Veräußerung ihrer Rechte und Pflichten an den vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen eine einheitliche sonstige Leistung. Dabei ist die Übertragung der (künftigen) Forderung (Ablaufleistung) als Hauptleistung anzusehen, weil die Erwerber auf dem Zweitmarkt (Fonds) lediglich Interesse am Sparanteil der Versicherung haben.

Die Entscheidung des BFH hat erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des An- und Verkaufs von „gebrauchten“ Lebensversicherungen. Diesem wäre bei der vom FA und vom FG vertretenen Umsatzbesteuerung die Geschäftsgrundlage entzogen worden.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 78 vom 05.12.2019, Urteil vom 5.9.2019 – VR 57/17)

Führt die Besteuerung einer Altersrente zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung?

Dies verneinte das Finanzgericht Baden-Württemberg. Es ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Noch nicht höchstrichterlich geklärt seien „die Einzelheiten zur Ermittlung einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung“. Im ersten Rechtsgang hatte das FG die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hatte der BFH aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im Streitfall hatte der verheiratete Kläger ca. 10 Jahre lang als Auszubildender und Angestellter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Als freiberuflich Tätiger war er auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis zum Eintritt in den Ruhestand pflichtversichert. Seit Dezember 2007 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte einen steuerpflichtigen Besteuerungsanteil von 54 %. Dies sei verfassungswidrig – so der Kläger. Als Freiberufler habe er 89,15 % der Beiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt. Der Kläger legte Versicherungsverläufe der DRV für sich und seine Ehefrau vor sowie die als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben geltend gemachten Versicherungsaufwendungen in tabellarischer Form, kopierte Auszüge der Einkommensteuererklärungen und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1971-2007. Die DRV hatte Angaben zum Umlageverfahren und zur Höhe einer möglichen Witwenrente gemacht.

Das FG entschied, dass die Summe der dem Kläger nach der statistischen Lebenserwartung nach der im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbaren Sterbetafel voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge höher sei als der vom Kläger aus versteuertem Einkommen geleistete Teil seiner Altersvorsorgeaufwendungen. Die Berechnung der steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nahm das FG auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vor. Es berücksichtigte weder die Lebenserwartung der jüngeren Ehefrau im Hinblick auf eine ihr möglicherweise künftig zufließende Hinterbliebenenrente, den Werbungskostenpauschbetrag, den Sonderausgaben-Pauschbetrag, die Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge und Pflegeversicherungsbeiträge noch nach § 3 Nr. 14 Einkommensteuergesetz steuerfreie Zuschüsse der Rentenversicherungsträger zu Krankenversicherungsbeiträgen. Die Einkommensteuer sei eine „Personensteuer“. Es gelte daher der „Grundsatz der Individualbesteuerung“. Sonderausgaben und Steuerbefreiungen dienten der Freistellung des Existenzminimums. Dies gelte auch für den Grundfreibetrag. Der Werbungskostenpauschbetrag verwirkliche das objektive Nettoprinzip. Das FG berücksichtigte bei der Berechnung der aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der Sozialversicherung gleichrangig einschließlich derjenigen zu privaten Kranken- oder Pflegeversicherungen, soweit sie der Erlangung eines mit dem Niveau der gesetzlichen Versicherung vergleichbaren Schutzes dienten. Sofern Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt würden, sei „der für die Veranlagungszeiträume bis 2004 gewährte Sonderausgabenabzug zwischen den Ehegatten gleichmäßig im Verhältnis der von ihnen geleisteten und geltend gemachten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen und dann der anteilig auf die Rentenversicherungsbeiträge des betroffenen Ehegatten entfallende Anteil am Sonderausgabenabzug zu ermitteln.“ Eine hälftige Aufteilung des Vorwegabzugs sei nicht sachgerecht. Nach Ansicht des FG komme es für die Frage, ob Aufwendungen für die Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen erbracht worden sind, nicht auf die Höhe der Einkommensteuer an.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung Nr. 13/2019 vom 2.12.2019 zu Urteil vom 1.10.2019 – 8 K 3195/16)

Erbschaftsteuer: Nachversteuerung des Familienheims bei Eigentumsaufgabe

Die Erbschaftsteuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortsetzt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat.

Nach dem Tod ihres Ehemannes hatte die Klägerin das gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus geerbt und war darin wohnen geblieben. Anderthalb Jahre nach dem Erbfall schenkte sie das Haus ihrer Tochter. Sie behielt sich einen lebenslangen Nießbrauch vor und zog nicht aus. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) rückwirkend nicht mehr, weil die Klägerin das Familienheim verschenkt hatte.

Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen der Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem sog. Familienheim von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner. Familienheim ist ein bebautes Grundstück, auf dem der Erblasser bis zum Erbfall eine Wohnung oder ein Haus zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Beim Erwerber muss die Immobilie unverzüglich „zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ bestimmt sein. Aufgrund eines sog. Nachversteuerungstatbestands entfällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ gehindert.

Das Finanzgericht und der BFH bestätigten das rückwirkende Entfallen der Steuerbegünstigung. Mit der Steuerbefreiung habe der Gesetzgeber den familiären Lebensraum schützen und die Bildung von Wohneigentum durch die Familie fördern wollen. Deshalb könne die Befreiung nur derjenige überlebende Ehegatte oder Lebenspartner in Anspruch nehmen, der Eigentümer der Immobilie wird und sie selbst zum Wohnen nutzt. Wird die Nutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb aufgegeben, entfällt die Befreiung rückwirkend. Gleiches gilt bei der Aufgabe des Eigentums. Andernfalls könnte eine Immobilie steuerfrei geerbt und kurze Zeit später weiterveräußert werden. Dies würde dem Förderungsziel zuwiderlaufen. Hätten in dem Nachversteuerungstatbestand Aussagen lediglich zur weiteren Nutzung des Familienheims innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb getroffen werden sollen, hätte die kürzere Formulierung „Selbstnutzung zu Wohnzwecken“ oder „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ausgereicht. Der in der Vorschrift verwendete Begriff „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ spreche dafür, dass sowohl die Nutzung als auch die Eigentümerstellung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners während des Zehnjahreszeitraums bestehen bleiben müssten.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 77 vom 28.11.2019 zu Urteil vom 11.7.2019 – II R 38/16)

Eingeschränkte Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bei gemeinnützigen Einrichtungen

Betreibt ein gemeinnütziger Verein neben einer Werkstatt für behinderte Menschen ein der Öffentlichkeit zugängliches Bistro, in dem auch Menschen mit Behinderung arbeiten, unterliegen die Gastronomieumsätze des Bistros nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. In der Folge werden viele gemeinnützige Einrichtungen entgegen derzeit allgemein geübter Praxis prüfen müssen, ob sie für die Umsätze ihrer Zweckbetriebe weiterhin den ermäßigten Steuersatz anwenden können.

Der Kläger unterstützt als gemeinnütziger Verein Menschen mit Behinderung, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Hilfe bedürfen. Seinem Begehren, die im öffentlichen Betrieb (Bistro und Toilette) erbrachten Umsätze mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% zu besteuern, weil auch behinderte Menschen dort arbeiteten, folgte das Finanzamt nicht. Die Klage beim Finanzgericht (FG) blieb aufgrund fehlender Nachweise erfolglos.

Demgegenüber verneint der BFH die Steuersatzermäßigung bereits dem Grunde nach. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) stellt unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen darauf ab, dass der Zweckbetrieb entweder nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmern tätig ist oder mit dessen Leistungen die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht werden. Bei der Entscheidung hierüber sind zwingende Vorgaben des Unionsrechts im Bereich der Mehrwertsteuer zu beachten. Danach muss es sich um Leistungen von Einrichtungen handeln, die sowohl gemeinnützig als zusätzlich auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind.

Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt. Zum einen war der Kläger mit seinen Gastronomieumsätzen in Wettbewerb zu anderen Unternehmern mit vergleichbaren Leistungen getreten. Zum anderen dienten die Gastronomieumsätze in erster Linie den Zwecken der Bistrobesucher und waren daher keine originär gemeinnützigen Leistungen. Allerdings verwies der BFH die Sache an das FG zurück, weil nicht ermittelt worden war, ob der ermäßigte Steuersatz aus anderen Gründen anzuwenden sein könnte (Abgabe von Speisen zur Mitnahme).

(BFH, Pressemitteilung Nr. 76 vom 21.11.2019 zu Urteil vom 23.7.2019 – XI R 2/17)

Unwirksame Bekanntgabe an gemeinsame Anschrift von Ehegatten bei Zusammenveranlagung trotz beantragter Einzelveranlagung

Haben Ehegatten durch die Abgabe zweier getrennter Steuererklärungen konkludent erklärt, dass sie in steuerlichen Angelegenheiten keine gemeinsame Bekanntgabe von Bescheiden wünschen, kann ein Bescheid nicht gemäß § 122 Abs. 7 Satz 1 AO wirksam an die gemeinsame Anschrift der Ehegatten bekannt gegeben werden.

Der seit September 2000 verheiratete Kläger hatte ebenso wie seine Ehefrau für das Jahr der Eheschließung die besondere Veranlagung nach § 26c des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragt. Das beklagte Finanzamt (FA) führte aber zunächst in einem an beide Ehegatten gerichteten Bescheid eine Zusammenveranlagung durch, in der nur die Einkünfte der Ehefrau berücksichtigt wurden, was zu einer Erstattung auf ihr Konto in Höhe von gerundet 1.500 Euro führte. Nachdem das FA den Fehler bemerkt hatte, hob es den Zusammenveranlagungsbescheid wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO auf. Der Aufhebungsbescheid wurde erneut an beide Ehegatten gerichtet. Die nur von der Ehefrau des Klägers erhobene Klage gegen den Aufhebungsbescheid wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) im Januar 2010 abgewiesen (Az. III R 22/08). Das FA stellte daraufhin den Erstattungsbetrag von 1.500 Euro gegenüber beiden Ehegatten fällig und erließ gegen beide einen Zinsbescheid über gerundet 700 Euro. Der Erstattungsbetrag und die Zinsen wurden vom Kläger im Juni bzw. Juli 2010 an das FA per Banküberweisung bezahlt.

Mehr als fünf Jahre später, am 23. Dezember 2015, forderte der Kläger vom FA die Erstattung der von ihm insgesamt bezahlten 2.200 Euro. Er sei aufgrund der an beide Ehegatten gerichteten Bescheide davon ausgegangen, als Gesamtschuldner zur Zahlung der gegenüber der Ehefrau festgesetzten Beträge verpflichtet gewesen zu sein. Das FA habe aber zu Unrecht beide Ehegatten zur Zahlung aufgefordert, obwohl allein seine Ehefrau die Leistung erhalten habe. Das FA lehnte die vom Kläger beantragte Erstattung ab.

Das Finanzgericht gab der Klage statt und verpflichtete das FA, zu Gunsten des Klägers Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 2.200 Euro festzustellen. Der Kläger habe sowohl im Juni 2010 einen Betrag von 1.500 Euro als auch im Juli 2010 einen Betrag von 700 Euro rechtsgrundlos bezahlt (§ 37 Abs. 2 AO).

1. Die Zahlung des Betrags von 1.500 Euro beruhe auf der Aufhebung des Zusammenveranlagungsbescheides, der dem Kläger aber nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Der Aufhebungsbescheid hätte nicht an beide Ehegatten unter ihrer gemeinsamen Anschrift gerichtet werden dürfen. Die Ehegatten hätten sich im Zusammenhang mit der Einreichung ihrer jeweiligen Steuererklärungen für das Jahr 2000 nicht mit einer Bekanntgabe von Verwaltungsakten an einen Ehegatten mit Wirkung für und gegen den jeweils anderen Ehegatten einverstanden erklärt (§ 122 Abs. 6 AO). Auch eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 AO an die gemeinsame Anschrift der Ehegatten sei nicht zulässig gewesen. Der Kläger und seine Ehefrau hätten zwar eine gemeinsame Anschrift gehabt und nicht ausdrücklich eine Einzelbekanntgabe beantragt. Durch die Abgabe zweier getrennter Steuererklärungen hätten sie jedoch zumindest konkludent erklärt, dass sie in steuerlichen Angelegenheiten keine gemeinsame Bekanntgabe von Bescheiden wünschten. Denn bei einer ihrem Antrag entsprechenden Einzelveranlagung wäre eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 Satz 1 AO von vornherein ausgeschlossen gewesen. Nicht anders verhalte es sich, wenn das Finanzamt gegen den erklärten Willen der Eheleute eine Zusammenveranlagung durchführe.

Dem Kläger könne nicht die durch das Urteil des BFH eingetretene Rechtskraft des Aufhebungsbescheides entgegengehalten werden. Das Urteil sei ausschließlich gegenüber der Ehefrau ergangen, so dass es auch nur ihr gegenüber Bindungswirkung entfalte.

Selbst wenn man aufgrund der vom FA vorgenommenen Zusammenveranlagung § 122 Abs. 7 Satz 1 AO für anwendbar hielte und das Vorliegen eines konkludenten Antrags auf Einzelbekanntgabe durch die Beantragung einer getrennten Veranlagung verneinen würde, hätte der Kläger die 1.500 Euro rechtsgrundlos gezahlt, da im Zeitpunkt der Zahlung ihm gegenüber bereits Zahlungsverjährung nach § 228 AO eingetreten gewesen sei.

2. Die Zahlung der 700 Euro aufgrund des gegenüber beiden Ehegatten erlassenen Zinsbescheides sei ebenfalls rechtsgrundlos erfolgt. Auch der Zinsbescheid sei den Ehegatten in einem gemeinsamen Bescheid bekannt gegeben worden. Außerdem habe nur die Ehefrau einen Aussetzungsantrag gestellt und auch nur ihr gegenüber sei die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden. Dem Kläger gegenüber hätte der Zinsbescheid daher keine Wirksamkeit erlangen können.

3. Dem Kläger könne auch nicht entgegengehalten werden, er habe mit seinen Zahlungen auf die Schuld seiner Ehefrau leisten wollen. Zwar habe der Kläger bei der Überweisung des Erstattungsbetrags als Verwendungszweck „ESt 2000 [St.Nr. Ehegatten neu] [Kl und Ehefrau]“ und bei der Überweisung des Zinsbetrages als Verwendungszweck „[St.Nr. Ehegatten neu] ESt 2000 AdV-Zinsen“ angegeben; auch sei ihm im Zeitpunkt der Leistung bekannt gewesen, dass der zurückgeforderte Einkommensteuerbetrag ausschließlich auf das Konto der Ehefrau erstattet worden sei. Gleichwohl könne nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe zumindest auch auf die Schuld seiner Ehefrau leisten wollen. Vielmehr bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht auf eine gemeinsame Schuld, sondern nur auf seine eigene Schuld geleistet habe. So hätten der Kläger und seine Ehefrau für das Jahr der Eheschließung nicht nur getrennte Steuererklärungen abgegeben und erklärt, im Wege der besonderen Veranlagung veranlagt werden zu wollen. Sie hätten auch in der Folgezeit durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass sie steuerlich unterschiedlich handeln und auch entsprechend behandelt werden wollten. Unter diesen Umständen hätte das FA nicht davon ausgehen dürfen, der Kläger habe mit seiner Überweisung auch die Schuld der Ehefrau tilgen wollen. Er habe gezahlt, weil er, wenn auch ohne rechtlichen Grund, vom FA dazu aufgefordert worden sei.

Keine Haftungsbeschränkung auf Nachlass bei Arztpraxis-Veräußerung durch einen nicht approbierten Erben

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass der Erbe auch dann mit seinem gesamten Vermögen für Steuerschulden aus der Veräußerung einer geerbten Arztpraxis haftet, wenn er mangels Approbation die Praxis nicht fortführen darf.

Der Kläger erbte eine Pathologie, die er nach den berufsrechtlichen Vorschriften mangels eigener Approbation weder selbst noch durch Einsatz angestellter Ärzte fortführen durfte. Daher veräußerte er die Praxis und erzielte hieraus einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn. Über den Nachlass ordnete das Amtsgericht ein Nachlassinsolvenzverfahren an.

Seine Klage richtete der Kläger gegen die vom beklagten Finanzamt im Hinblick auf die Einkommensteuerschulden durchgeführte Zwangsvollstreckung. Er führte aus, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuerschulden auf den Nachlass beschränkt seien. Da ihm keine anderen Handlungsoptionen als die Veräußerung geblieben seien, seien auch die Steuerschulden zwangsläufig entstanden.

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass auch für Steuerschulden die zivilrechtliche Abgrenzung zwischen Nachlassverbindlichkeiten und Eigenschulden des Erben maßgeblich sei. Während Eigenschulden, für die der Erbe unbeschränkt haftet, durch ein eigenes Verhalten des Erben verursacht würden, lägen Nachlassverbindlichkeiten nur dann vor, wenn die Verbindlichkeiten abschließend und allein durch den Erblasser angelegt waren. Nach diesen Grundsätzen liege im Streitfall eine Eigenschuld des Klägers vor, da die rechtsgeschäftliche Veräußerung der Pathologie auf einem eigenen Verhalten des Klägers beruhe. Ihm hätten neben der Veräußerung mit der Betriebsaufgabe oder der allmählichen Betriebsabwicklung auch andere Handlungsoptionen zur Verfügung gestanden. Dabei sei unerheblich, dass alle Möglichkeiten eine Einkommensteuerschuld ausgelöst hätten, denn die steuerlichen Folgen wären jeweils unterschiedlich gewesen, insbesondere im Hinblick auf die Versteuerung eines Geschäfts- oder Firmenwerts.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.11.2019 zu Urteil vom 24.09.2019 – 12 K 2262/16)