Im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer ist keine Masseverbindlichkeit
Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass das Finanzamt die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen darf.
Der Kläger war zum vorläufigen Sachwalter über das Vermögen einer GmbH bestellt worden, nachdem diese die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde er zum Insolvenzverwalter bestellt und focht im vorläufigen Insolvenzverfahren von der GmbH geleistete Umsatzsteuerzahlungen an, was zu einer Erstattung der Beträge führte. Diese Beträge setzte das Finanzamt nunmehr gegenüber dem Kläger als Masseverbindlichkeit fest, meldete sie aber zugleich als Insolvenzforderung an. Der Kläger wandte sich gegen die Festsetzung mit der Begründung, dass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handele.
Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Das Finanzamt habe die im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandenen Umsatzsteuern nicht als Masseverbindlichkeiten gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen dürfen, da es sich lediglich um Insolvenzforderungen handele. Durch die erfolgreiche Insolvenzanfechtung lebe die ursprünglich erloschene Steuerforderung zwar wieder auf; sie könne jedoch nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert werden.
Zunächst sei nicht davon auszugehen, dass im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründet werden können, da ansonsten die Insolvenzmasse zulasten aller Gläubiger aufgezehrt werden würde. Es handele sich auch nicht um eine von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründete Verbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 2 bzw. Abs. 4 InsO, weil bei der vorläufigen Eigenverwaltung gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werde. Diese Vorschriften seien auch nicht analog anzuwenden, weil einem vorläufigen Sachwalter – im Gegensatz zum vorläufigen Insolvenzverwalter – keine insolvenzspezifischen Befugnisse zugewiesen seien und der Gesetzgeber diese unterschiedliche Rechtsstellung bewusst eingeführt habe.
Aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folge kein Gebot, den vorläufigen Sachwalter mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzustellen. Vielmehr habe der Gesetzgeber durch die Einräumung der Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung das Ziel verfolgt, Schuldnern den Zugang zu diesem Verfahren zu erleichtern und durch Erhaltung ihrer Verfügungsbefugnisse das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu sichern. Auch das Unionsrecht gebiete keine derartige Gleichstellung. Da die vorläufige Eigenverwaltung von einer Entscheidung des Insolvenzgerichts abhinge, handele es sich nicht um eine für eine europarechtswidrige Beihilfe erforderliche selektive Vorteilsgewährung. Ein Wettbewerbsvorteil ergebe sich ebenfalls nicht, weil die Umsatzsteuer unabhängig davon einen durchlaufenden Posten darstelle, ob sie als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung qualifiziert wird.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2019 zu Urteil vom 12.03.2019 – 15 K 1535/18)