Erlöschen von Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuer bei Reparatur eines Segelbootes aus der Schweiz in Deutschland
Die mangels Gestellung und Zollanmeldung von Waren entstandene Zollschuld erlischt ebenso wie die Einfuhrumsatzsteuer, wenn den Zollbehörden nachgewiesen wird, dass die Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind und wenn kein Täuschungsversuch vorliegt.
Sachverhalt
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, wendet sich gegen die Festsetzung von Einfuhrabgaben für ein Segelboot. Er verbrachte das Boot, das in der Schweiz auf ihn zugelassen war, am 28. März 2017 auf einem Bootsanhänger mit seinem Pkw aus der Schweiz kommend über den Grenzübergang beim Zollamt A-Autobahn nach Deutschland, ohne hierfür an der Grenze eine Zollabfertigung durchzuführen. Eine Zollstreife folgte dem Gespann und hielt es an. Zum Sachverhalt befragt, erläuterte der Kläger den Kontrollbeamten, dass er zur Firma XY in B unterwegs sei, um an dem Außenbordmotor fällige Service- und Wartungsarbeiten durchführen zu lassen. Die Beamten leiteten daraufhin gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren ein und setzten mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28. März 2017 ausgehend von einem geschätzten Zollwert des eingeführten Bootes von 21.000 Euro Zoll in Höhe von 357,00 Euro und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 4.057,83 Euro fest. Nachdem der Kläger die Einfuhrabgaben in Höhe von 4.414,83 Euro bezahlt und eine Strafsicherheit in Höhe von 3.580,00 Euro hinterlegt hatte, setzte er seine Fahrt zur Firma XY fort. Die Kosten für deren Arbeiten beliefen sich auf insgesamt 1.173,70 Euro. Bis zur Wiederausfuhr des Segelbootes in die Schweiz, die ausweislich eines vom Zollamt A-Autobahn hierüber erstellten Beschaubefundes am 18. Mai 2017 erfolgte, wurde das Boot nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Klägers im Zollgebiet nicht anderweitig genutzt. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hob den Einfuhrabgabenbescheid auf.
Aus den Gründen
Für das streitgegenständliche Boot sei zwar nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a des Unionszollkodex (UZK) zunächst eine Zollschuld entstanden; ob dies auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelte, sei dagegen zweifelhaft. Das FG könne diese Frage allerdings offenlassen, da sowohl die Zollschuld als auch eine etwaige Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK wieder erloschen seien.
Entstehung der Einfuhrzollschuld
Nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstünde eine Einfuhrzollschuld u. a. dann, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union nicht erfüllt sei.
Im Streitfall habe der Kläger gegen die aus Art. 139 Abs. 1 UZK folgende Verpflichtung verstoßen, in das Zollgebiet der Union verbrachte Waren bei ihrer Ankunft unverzüglich zu gestellen. Der Kläger habe unstreitig am 28. März 2017 mit seinem Pkw und dem auf dem Anhänger verladenen Segelboot, das in der Schweiz auf ihn zugelassen sei, aus der Schweiz kommend den Grenzübergang A passiert, ohne gegenüber der zuständigen Zollbehörde eine entsprechende ausdrückliche Gestellungsmitteilung abzugeben. Darüber hinaus habe der Kläger für das streitgegenständliche Boot auch keine (ausdrückliche) Zollanmeldung nach Art. 158 Abs. 1 UZK abgegeben.
Gestellung und Zollanmeldung waren nicht wegen nur vorübergehender Verwendung entbehrlich
Die Gestellung der Ware und die Abgabe einer Zollanmeldung seien vorliegend nicht entbehrlich gewesen. Dies erfordere, dass in Bezug auf die eingeführte Ware die Voraussetzungen des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung erfüllt seien. Dies sei bei dem Segelboot indes nicht der Fall gewesen.
Nach Art. 250 UZK könnten in der vorübergehenden Verwendung für die Wiederausfuhr bestimmter Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein. Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel werde u. a. gewährt, wenn sie außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen seien und von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet würden. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt, denn das Boot sei weder zum Zeitpunkt seines Verbringens noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt vor seiner Wiederausfuhr am 18. Mai 2017 „eingesetzt“ worden. Der Kläger habe es vielmehr auf einem Pkw-Anhänger verladen zur Firma XY in B transportiert und nach Erledigung der Arbeiten wieder aus dem Zollgebiet der Union ausgeführt, ohne es zwischenzeitlich als Beförderungsmittel genutzt zu haben. Davon, dass das Segelboot „in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzt“ gewesen wäre, könne unter diesen Umständen keine Rede sein.
Keine aktive Veredelung
Das Boot sei auch nicht ordnungsgemäß in das Verfahren der aktiven Veredelung überführt worden. Die Inanspruchnahme der aktiven Veredelung bedürfe gemäß Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK der Bewilligung und müsse beantragt werden. Die Bewilligung könne zwar in vereinfachter Form beantragt und erteilt werden, setze dann aber die Abgabe einer Standard-Zollanmeldung zur Überführung der Waren in die aktive Veredelung voraus. Eine Überführung in das Verfahren durch konkludentes Verhalten sei nicht möglich. Die Zollschuld sei deshalb wegen Verstoßes gegen die Gestellungspflicht (Art. 139 Abs. 1 UZK) und die Verpflichtung zur Abgabe einer (ausdrücklichen) Zollanmeldung (Art. 158 Abs. 1 UZK) nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden.
Zweifel am Entstehen von Einfuhrumsatzsteuer
Ob neben der Zollschuld darüber hinaus Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei, sei dagegen zweifelhaft. Für die Verwirklichung des Tatbestands der Einfuhrumsatzsteuer reiche es nicht aus, dass Gegenstände (körperlich) in das Gebiet der EU gelangten. Vielmehr setze eine Einfuhr im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie weiter voraus, dass der in das Gebiet der Union verbrachte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf der Union eingehe und einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei nach Auffassung des FG nicht erfüllt. Das streitgegenständliche Segelboot sei weder Gegenstand einer Lieferung noch sei mit ihm eine Dienstleistung erbracht worden; der Kläger selbst habe es im Zollgebiet auch nicht als Beförderungsmittel genutzt, sondern an ihm lediglich die Kielschwerthalterung abändern, den Motor kontrollieren, die Kraftstofffilteranlage instandsetzen sowie den Abgasschwamm erneuern lassen.
Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuer sind erloschen
Aber selbst wenn man die Entstehung von Einfuhrumsatzsteuer vorliegend abweichend beurteilen wollte, wäre eine etwa entstandene Einfuhrumsatzsteuer – wie auch die Zollschuld – jedenfalls nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erloschen. Nach dieser Vorschrift erlösche eine entstandene Zollschuld, wenn den Zollbehörden nachgewiesen werde, dass die Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden seien, und wenn kein Täuschungsversuch vorliege (Art. 124 Abs. 6 UZK).
Der Begriff der Verwendung im Sinne des Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK sei nach Auffassung des FG restriktiv und insbesondere unter Berücksichtigung des Wirtschaftszollgedankens auszulegen. Vor diesem Hintergrund stelle die Einfuhr des Bootes und die Vornahme von Arbeiten an demselben keine das Erlöschen der Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK ausschließende Verwendung dar. Das Segelboot selbst sei vom Kläger im Zollgebiet nicht als Beförderungsmittel genutzt und deshalb nicht in Konkurrenz zu unionsansässigen Vermietern oder Verkäufern von Booten getreten. Die im Zollgebiet der Union durchgeführten Arbeiten am Segelboot, die im Rahmen eines (bewilligten) Verfahrens der aktiven Veredelung unstreitig möglich gewesen wären, ohne dass für das Boot Einfuhrabgaben entstanden wären, beeinträchtigten ebenfalls keine wirtschaftlichen Interessen einheimischer Unternehmen.
Die weiteren Voraussetzungen für das Erlöschen der Zollschuld seien, ebenfalls erfüllt. Insbesondere sei dem Kläger nach den konkreten Umständen kein Täuschungsversuch vorzuwerfen, sondern er habe das Boot ohne vorherige Zollabwicklung nach Deutschland verbracht, weil er eine solche aufgrund der geplanten Wiederausfuhr – rechtsirrig – nicht für erforderlich gehalten habe. Darüber hinaus sei nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Segelboot am 18. Mai 2017 wieder aus dem Zollgebiet der Union verbracht wurde. Damit sei nicht nur die Zollschuld, sondern auch eine etwa entstandene Einfuhrumsatzsteuer erloschen.
FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 26.08.2022 zum Urteil 11 K 2900/21 vom 25.01.2022 (nrkr – BFH-Az.: VII R 17/22)