Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei Umzug ins Ausland

Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei Umzug ins Ausland

Fasst der Steuerpflichtige den Entschluss, seine Wohnung im Inland aufzugeben und dauerhaft ins Ausland umzuziehen, wird der inländische Wohnsitz bis zum tatsächlichen Verlassen der Wohnung am Umzugstag beibehalten. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland endet in diesem Fall in dem Moment, in dem der Steuerpflichtige am Umzugstag das Inland verlässt. Der Tag des Umzugs ins Ausland zählt noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht. Bei einer Nettolohnvereinbarung fließt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung eines sonstigen Bezuges grundsätzlich auch der Lohn in Form der vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer zu.

Dieser Entscheidung des FG Hamburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Streitig war die Haftung des Klägers für eine seinem Arbeitnehmer A gewährte Abfindungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die in drei Tranchen zu begleichen war, und zwar die erste bei Auflösung des (befristeten) Arbeitsvertrages und die weiteren in den beiden Folgejahren. Im Februar 2003 wurde der Auflösungsvertrag zum Ablauf dieses Monats geschlossen. Nachdem A sich am 08.02.2003 bei seinem künftigen Arbeitgeber in China vorgestellt, einen Anstellungsvertrag unterschrieben und ein Haus ausgesucht hatte, kehrte er zunächst nach Hamburg zurück und flog am 20.02.2003 mit seiner Ehefrau und seinen Haustieren um 14.35 h von Hamburg über Frankfurt (Abflug 17.40 h) nach China und nahm dort seine Tätigkeit auf. Die streitige erste Abfindungsrate wurde seinem Konto am 20.02.2003 um 15.00 h gutgeschrieben.

Das Finanzamt nahm den Kläger für die auf diese Zahlung entfallende Lohnsteuer in Haftung, weil A am 20.02.2003 seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthaltsort noch im Inland gehabt habe. Dem ist das Gericht gefolgt. A habe mit dem Verlassen seiner Wohnung am Morgen dieses Tages seinen Wohnsitz nicht aufgegeben, sondern erst mit Ablauf dieses Tages; der Tag des Umzugs in das Ausland zähle noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht. Jedenfalls habe A zum Zeitpunkt des Zuflusses der Zahlung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland noch nicht aufgegeben, weil er sich zu diesem Zeitpunkt noch körperlich im Inland aufgehalten habe.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

FG Hamburg, Mitteilung vom 01.07.2022 zum Urteil 5 K 141/18 vom 12.05.2022 (nrkr)

FG Hamburg zur vorläufigen Festsetzung von Erstattungszinsen

Die vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen für Zeiträume ab 2019 kann nicht ermessensfehlerfrei aufgehoben und die Entscheidung über die Zinsfestsetzung ausgesetzt werden nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i. V. m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO.

Eine auf Aufhebung eines Vorläufigkeitsvermerks zur Festsetzung von Erstattungszinsen gerichtete Klage ist nicht deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig, weil eine Änderung des Zinsbescheides zuungunsten der Kläger ohnehin nicht erfolgen kann (so aber FG Münster, Urteil vom 14. September 2006, 3 K 4376/04 Erb, EFG 2007, 83), denn der Kläger ist bereits durch die sich aus der Vorläufigkeit ergebende Rechtsunsicherheit beschwert.

Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied.

Dieser Entscheidung des FG Hamburg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2017 vom 20.09.2019 waren Erstattungszinsen festgesetzt worden, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk bzgl. der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat versehen waren. Gegen diesen Vorläufigkeitsvermerk richtete sich die Klage. Während des Klageverfahren erging am 18.07.2021 der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der Zinssatz nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 2014 für verfassungswidrig, aber erst ab 2019 eine Neuregelung eingefordert wurde mit Frist bis 31.07.2022. Daraufhin änderte der Beklagte den angegriffenen Zinsbescheid in der Weise, dass er die Zinsfestsetzung aufhob und „teilweise“ für Verzinsungszeiträume ab 2019 nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO aussetzte; ausgenommen waren vor der Veröffentlichung der Entscheidung festgesetzte Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.

Das Gericht hat die Klage trotz der Aussetzung des Zinsbescheides als zulässig angesehen, weil sich dadurch das klägerische Begehren nicht erledigt, sondern sogar verschlechtert habe. Statt einer vorläufigen Zinsfestsetzung in bezifferter Höhe, die eine Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO habe auslösen können, würden die Kläger nun ohne jegliche Zinsfestsetzung auf eine künftige Neuregelung verwiesen. Auch in der Sache haben die Kläger in voller Linie Recht bekommen. Mit der Aufhebung des Zinsbescheides und der Aussetzung der Zinsfestsetzung habe der Beklagte seine Ermessengrenzen überschritten und die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 17.09.2021 zum Umgang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts missachtet.

Darüber hinaus durfte die Festsetzung der Zinsen nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden. Der diesbezügliche Klageantrag sei – entgegen der abweichenden Annahme des FG Münster (Urteil vom 14.09.2006, 3 K 4376/04 Erb) – zulässig, weil von dem Vorläufigkeitsvermerk eine beschwerende Rechtsunsicherheit ausgehe, und habe auch in der Sache Erfolg. Bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung habe festgestanden, dass eine spätere Änderung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausgeschieden sei.

Die Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Revision eingelegt, Az. des BFH VIII R 12/22).

FG Hamburg, Mitteilung vom 01.07.2022 zum Urteil 1 K 126/20 vom 14.04.2022 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 12/22)