Kein Aktienerwerb bei einer Überführung vom Betriebs- in das Privatvermögen

Die Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebs- in das Privatvermögen steht einem Erwerb nicht gleich. Ein späterer Veräußerungsgewinn führt deshalb nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2020 entschieden (Az. 8 K 1192/18 F).

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb im Jahr 2007 ein Aktienpaket. Bis zum Jahr 2011 erzielte sie als gewerblich geprägte Gesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 2011 endete die gewerbliche Prägung und die Klägerin erklärte die Betriebsaufgabe. Fortan war sie ausschließlich vermögensverwaltend tätig. Bei den an der Klägerin beteiligten natürlichen Personen bilden die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter seither (anteilig) Privatvermögen, was im Jahr 2011 – auch im Hinblick auf das Aktienpaket – zur Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven führte. Im Jahr 2014 veräußerte die Klägerin das Aktienpaket. Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung auf den 31.12.2014 behandelte das Finanzamt den Gewinn aus der Veräußerung des Aktienpakets auch insoweit als steuerpflichtige Gewinne aus Kapitalvermögen, als der Gewinn auf die an der Klägerin beteiligten Privatpersonen entfiel. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass sie die Aktien vor Inkrafttreten der Regelungen zur Abgeltungsteuer zum Veranlagungsjahr 2009 erworben habe und ein Veräußerungsgewinn deshalb gemäß der gesetzlichen Übergangsregelung nicht steuerbar sei. Das Finanzamt blieb bei seiner Auffassung mit der Begründung, dass die später veräußerten Aktien im Rahmen der Beendigung der gewerblichen Prägung der Klägerin in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt worden seien und diese Überführung einem Erwerb im Jahr 2011 – und damit nach Inkrafttreten der Regelungen zur Abgeltungsteuer – gleichstehe.

Der 8. Senat hat der Klage stattgegeben. Zwar treffe es zu, dass Gewinne aus der Veräußerung von Aktien gemäß der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG unabhängig von der Dauer der Behaltensfrist steuerpflichtig seien. Gemäß der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 11 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung gelte dies aber nur für solche Aktien, die vor dem 31.12.2008 erworben worden seien. Unter einem Erwerb im Sinne dieser Vorschrift seien nur Vorgänge zu erfassen, die mit einem Rechtsträgerwechsel – jedenfalls im Hinblick auf das wirtschaftliche Eigentum – einhergingen. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen enthielten auch keine „Erwerbsfiktion“, nach der die Entnahme in das Privatvermögen einem Erwerb gleichstehe. Auch aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 ergebe sich nicht, dass der Gesetzgeber die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen als Erwerb ansehen wollte. Im Streitfall habe die Beendigung der gewerblichen Prägung nicht zu einem Rechtsträgerwechsel geführt.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 02.06.2020 zu Gerichtsbescheid vom 26.03.2020 – 8 K 1192/18; BFH-Az.: VIII R 12/20)

Form und Ort der Akteneinsicht richten sich nach FGO und nicht nach DSGVO

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) entschied mit Beschluss vom 17. Dezember 2019 (Az. 2 K 770/17), dass Einsicht in Papierakten grundsätzlich nur in den Räumen eines Gerichts oder einer Behörde unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten möglich sind. Es gebe keinen Rechtsanspruch auf die Übersendung von Akten oder die Überlassung vollständiger Kopien.

Form und Ort der Akteneinsicht werde durch § 78 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausdrücklich geregelt. Danach werde den Beteiligten Einsicht in die in Papierform geführten Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten „in Diensträumen“ gewährt. Kanzleiräume eines Rechtsanwalts seien keine Diensträume. Besondere Gründe, die ausnahmsweise eine Aktenübersendung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte könne nach Akteneinsicht an einem anderen Gericht oder einer Behörde dem FG eine Liste mit Aktenseiten, die er kopiert haben wolle, vorlegen. „Soweit nicht von vornherein ersichtlich wäre, dass die Klägerin bereits im Besitz entsprechender Kopien oder Mehrfertigungen ist, würde der Senat dem entsprechenden Wunsch der Klägerin vollumfänglich entsprechen.“ § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO verpflichte das FG nicht, Behördenakten zu digitalisieren. Daher müsse das FG keine elektronische Fassung der in Papierform geführten Behördenakten herstellen und hierauf einen elektronischen Zugriff ermöglichen. Aus Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ergebe sich auch kein Anspruch auf Übersendung von Aktenkopien. Dessen Anwendung im Finanzgerichtsverfahren normiere die FGO nicht. Dies entspreche Art. 23 Abs. 1 Buchst. f DSGVO zum Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und von Gerichtsverfahren. Die FGO gehe dem Datenschutzrecht und dem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO vor.

Der Prozessbevollmächtigte einer Klägerin hatte beim FG beantragt, ihm Akteneinsicht durch Übersendung der vollständigen Akten im Original oder in Kopie in seine Kanzleiräume zu gewähren. Er verwies in seinem Antrag auf das „Gebaren“ des Beklagten, der erst nach Aufforderung des Senats nach der mündlichen Verhandlung die Akten im Original vorgelegt hatte. Dies mache eine umfangreiche Recherche am Arbeitsplatz erforderlich. Eine solche sei ihm in einem Gericht weder möglich noch zumutbar. Bei den hamburgischen Gerichten gebe es auch keinen Kopierer für Externe. Die Klägerin beantragte außerdem die Übersendung vollständiger Kopien der Akten gemäß Art. 15 DSGVO.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 02.06.2020 zu Beschluss vom 17.12.2019 – 2 K 770/17)