Beschluss des Großen Senats des BFH zur erweiterten Kürzung bei der Gewerbesteuer

Unterliegt eine grundstücksverwaltende Gesellschaft nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer, kann sie die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer auch dann in Anspruch nehmen, wenn sie an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist. Dies hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) entschieden.

Gewerblich tätige Personen- und Kapitalgesellschaften unterliegen der Gewerbesteuer. Soweit sich allerdings solche Gesellschaften auf die Verwaltung ihres eigenen Grundbesitzes beschränken, ist der daraus erwirtschaftete Gewinn durch den Tatbestand der erweiterten Kürzung in diesem Umfang vollständig von der Gewerbesteuer ausgenommen.
Klägerin in dem Revisionsverfahren, das zur Vorlage an den Großen Senat führte, war eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, die an einer rein vermögensverwaltenden GbR beteiligt war. Diese GbR war wiederum Eigentümerin einer Immobilie. Die Klägerin machte für ihre aus der Beteiligung an der GbR bezogenen anteiligen Mieterträge die erweiterte Kürzung geltend. Das Finanzamt (FA) lehnte dies ab, weil die Beteiligung an der GbR im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kein eigener Grundbesitz der Klägerin sei, sondern Grundbesitz der GbR. Der vorlegende IV. Senat wollte dieser Auffassung des FA nicht folgen, sah sich an einer entsprechenden Entscheidung aber durch ein Urteil des I. Senats vom 19. Oktober 2010 I R 67/09 (BFHE 232,194, BStBl II 2011,367) gehindert. Er rief daher mit Vorlagebeschluss vom 21. Juli 2016 IV R 26/14, BFHE 254, 371, BStBl II 2017, 202 (vgl. Pressemitteilung Nr. 68 vom 26. Oktober 2016) den Großen Senat zur Klärung der Rechtsfrage an. Der IV. Senat war der Ansicht, dass steuerrechtlich das Eigentum einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft den hinter ihr stehenden Gesellschaftern anteilig zuzurechnen sei. Ein im zivilrechtlichen Eigentum der Personengesellschaft stehendes Grundstück sei daher eigener Grundbesitz der Gesellschafter der GbR.
Dem folgte der Große Senat. Ob eigener Grundbesitz im Sinne der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung vorliegt, richtet sich nach den allgemeinen ertragssteuerrechtlichen Grundsätzen. Nach der Systematik und dem Regelungszweck der erweiterten Kürzung sowie unter Berücksichtigung des gewerbesteuerrechtlichen Belastungsgrundes ist unter eigenem Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörende Grundbesitz zu verstehen. Auch aus dem historischen Regelungskontext und der Entstehungsgeschichte der Norm sah sich der Große Senat bei dieser Auslegung, die zugunsten der Steuerpflichtigen wirkt und für den Immobilienbereich von großer Bedeutung ist, bestätigt.
(BFH, Pressemitteilung Nr. 16 vom 27.3.2019 zu Beschluss vom 25.9.2018 – GrS 2/16)

DStV fordert faires Besteuerungsverfahren für Rentner

In Mecklenburg-Vorpommern ging es 2017 los: Finanzämter schrieben Rentner an und ermunterten sie mit dem Slogan „Es geht auch ohne Steuererklärung“, an einer neuen Verfahrensform teilzunehmen – der sog. Amtsveranlagung. Hierfür reiche es aus, wenn sie eine Einverständniserklärung unterschrieben und bestätigten, dass sie nur Renteneinkünfte erzielten.

Jüngst vernahm der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV), dass sich inzwischen eine Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern des Themas angenommen hat. Da eine Ausweitung des Verfahrens wahrscheinlich scheint, hat der DStV in seiner Stellungnahme S 04/19 rechtliche Problemstellungen dieser vereinfachten Amtsveranlagung aufgezeigt.
Aus Sicht des DStV ist es essentiell, dass sich ein neuartiges Verfahren – wie das Amtsveranlagungsverfahren für Rentner – in die bestehenden verfahrensrechtlichen Grundsätze der Abgabenordnung (AO) einbettet. Diese Grundsätze bilden ein über die Jahrzehnte gewachsenes und durch die Rechtsprechung mit Leben gefülltes, gut austariertes System. Dieses wirkt gleichermaßen zugunsten und zulasten der Steuerpflichtigen. Wird ein neues Verfahren eingeführt, bedarf es einer gründlichen Prüfung, wie ein für den Steuerpflichtigen faires Verfahren auch hier gesetzlich und untergesetzlich erhalten bleibt.
Einverständniserklärung als Steuererklärung?
Rentner sind nach § 25 Abs. 3 EStG i. V. m. § 56 EStDV zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Die Erstellung der hierfür erforderlichen amtlichen Vordrucke für die Einkommensbesteuerung obliegt dem Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder (§ 51 Abs. 4 Nr. 1 EStG). Dem Vernehmen nach wurde die Einverständniserklärung seinerzeit aber gerade nicht in entsprechenden Abstimmungen von Bund und Ländern, sondern im Alleingang von Mecklenburg-Vorpommern konzipiert.
Die amtlichen Vordrucke spielen auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine wichtige Rolle. So entschied er, dass es für eine funktionierende Finanzverwaltung erforderlich sei, von allen Tatsachen Kenntnis zu erlangen, die aus Sicht der Finanzverwaltung entscheidungserheblich sind. Diese ergäben sich eben gerade aus den amtlichen Vordrucken. Dabei seien nicht nur die positiven Angaben sondern auch verneinende Angaben von Wert. Ferner könne das Finanzamt ohne Kenntnis der wesentlichen Besteuerungs- oder Vergütungsmerkale nicht in eine Überprüfung zugunsten der Steuerpflichtigen eintreten. Daher sei eine Abweichung von amtlichen Mustern nicht möglich (BFH, Urteil vom 13.04.1972, V R 16/69, BStBl II 1972 S. 725, Rn. 6). Wird kein amtlicher oder diesem entsprechender Vordruck verwendet, liegt keine gültige Steuererklärung vor (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 150, Rn. 8).
In Summe sprechen daher gewichtige Gründe dafür, dass der Rentner mit der Einverständniserklärung keine Steuererklärung abgibt; demnach erfüllt er die ihn treffende Abgabepflicht nicht. Der DStV fordert, dass Rentner durch eine Amtsveranlagung in keinem Fall negative Folgen treffen dürfen, wie etwa Verspätungszuschläge.
Risiko des Verlusts von Rechtspositionen
Da eine Einverständniserklärung verfahrensrechtlich wohl keine Steuererklärung ersetzt, treten Verfahrensfragen auf, die zulasten der Steuerpflichtigen gehen. Insbesondere dürfte die Anwendung einiger Korrekturvorschriften erschwert sein.
So ist aus Sicht des DStV unklar, wie sich das Amtsveranlagungsverfahren etwa auf Änderungen eines Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. Der BFH entschied, dass einem Steuerpflichtigen regelmäßig grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen anzulasten sei, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte ( BFH, Urteil vom 16.05.2013, III R 12/12, BStBl II 2016 S. 512, Rn. 29 ). Es ist nicht geklärt, welcher Verschuldensmaßstab im Fall der Amtsveranlagung künftig gilt. Dies würden künftig Finanzgerichte entscheiden. Bis dahin trägt der Steuerpflichtige das Risiko, den Vorwurf des Verschuldens nicht entkräften zu können.
Auch bei Änderungen nach § 173a AO (Schreib- oder Rechenfehler bei Erstellung einer Steuererklärung) sowie nach § 175b AO (Änderung von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte) könnte es zu Schwierigkeiten kommen. Diese Normen knüpfen ausdrücklich an Vorgänge bei der Erstellung einer Steuererklärung an.
Der DStV sieht im Rahmen der Korrekturnormen gesetzlichen Handlungsbedarf, um eine Benachteiligung der Rentner, die an einem Amtsveranlagungsverfahren teilnehmen, zu verhindern.
Hinreichende Aufklärung gefordert
Aus Sicht des DStV werden Steuerpflichtige im Vergleich zu sonst üblichen Einkommensteuerformularen nicht ausreichend nach steuerrelevanten Lebenssachverhalten befragt. Soweit Bund und Länder eine verkürzte Abfrage der steuerrelevanten Umstände für geboten halten, sollte deren Erläuterung zumindest zielgenau auf die Bedürfnisse der Rentner zugeschnitten werden.
Dass die Erläuterung in Mecklenburg-Vorpommern derzeit unzureichend ist, wird insbesondere anhand der Erklärung zu dem Feld „außergewöhnliche Belastungen“ deutlich. Rentner finden in dem Beiblatt lediglich folgenden Hinweis: „Außergewöhnliche Belastungen sind Ausgaben, die aufgrund besonderer Umstände zwangsläufig anfallen, z. B. die Ausgaben, die durch Krankheit, Behinderung oder Unwetterschäden entstehen.“
Dies ist aus Sicht des DStV angesichts der Komplexität des Steuerrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung eindeutig zu wenig. Zum Vergleich: Steuerpflichtige finden in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung fast zwei Seiten Erläuterungen zu den „außergewöhnlichen Belastungen“ nebst Beispielen – etwa wann Bestattungs-, Krankheits- oder Pflegekosten angesetzt werden können. Dieses Informationsmissverhältnis zwischen Einverständniserklärung nebst Hinweisblatt sowie Broschüre und den traditionellen Anleitungen zur Steuererklärung ist nicht tragbar. Unvollständige Eintragungen werden dadurch geradezu provoziert.
Der DStV fordert, dass verkürzte Erklärungsformulare zumindest von ausführlichen, verständlichen und an der Zielgruppe orientierten Hinweisblättern begleitet werden. Angesichts der Komplexität des Steuerrechts wird nur so gewährleistet, dass ein Steuerpflichtiger vollständige Angaben vornehmen kann.
(DStV, Mitteilung vom 25.03.2019)

Fahrschulunterricht ist kein von der Mehrwertsteuer befreiter Schul- und Hochschulunterricht

Fahrschulunterricht für die Fahrerlaubnisklassen B und C1 ist kein von der Mehrwertsteuer befreiter Schul- und Hochschulunterricht.

Die private Fahrschule A & G Fahrschul-Akademie wendet sich vor den deutschen Gerichten gegen die Weigerung der deutschen Steuerbehörden, den von ihr erteilten Fahrunterricht von der Umsatzsteuer zu befreien. Konkret geht es um Unterricht im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1, also für Kraftwagen, die zur Beförderung von Personen ausgelegt und gebaut sind und deren zulässige Gesamtmasse 3,5 bzw. 7,5 Tonnen nicht überschreitet.
A & G macht geltend, der von ihr erteilte Unterricht umfasse die Vermittlung von zugleich praktischen und theoretischen Kenntnissen, die für den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 erforderlich seien. Dieser Unterricht verfolge keinen bloßen Freizeitzweck, da mit dem Besitz der betreffenden Fahrerlaubnisse u. a. beruflichen Anforderungen entsprochen werden könne. Für den zu diesem Zweck erteilten Unterricht müsse daher die von der Mehrwertsteuerrichtlinie für den „Schul- und Hochschulunterricht“ vorgesehene Befreiung gelten.
Der Bundesfinanzhof (Deutschland) möchte wissen, ob der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts den in Rede stehenden Fahrunterricht umfasst.
Der Gerichtshof verneint dies mit seinem Urteil vom 14.03.2019.
Er führt dazu aus, dass der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen verweist.
Dieser Begriff umfasst nicht Fahrunterricht, der von einer Fahrschule wie A & G im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 erteilt wird.
Der Fahrunterricht mag sich zwar vielleicht auf verschiedene Kenntnisse praktischer und theoretischer Art beziehen. Er bleibt aber ein spezialisierter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt.
(EuGH, Pressemitteilung vom 14.03.2019 zu Urteil vom 14.03.2019 – C-449/17)

Steuerliche Behandlung der Überlassung von (Elektro-)Fahrrädern

Überlässt der Arbeitgeber oder auf Grund des Dienstverhältnisses ein Dritter dem Arbeitnehmer ein betriebliches Fahrrad zur privaten Nutzung, gilt vorbehaltlich der Regelung des § 3 Nr. 37 EStG für die Bewertung dieses zum Arbeitslohn gehörenden geldwerten Vorteils Folgendes:

1 Nach § 8 Abs. 2 Satz 10 EStG wird hiermit als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (einschließlich Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG und Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) 1 % der auf volle 100 Euro abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt.
2 Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das betriebliche Fahrrad erstmals nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2022, wird als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (einschließlich Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG und Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) 1 % der auf volle 100 Euro abgerundeten halbierten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt. In diesen Fällen kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber dieses Fahrrad angeschafft, hergestellt oder geleast hat. Wurde das betriebliche Fahrrad vor dem 1. Januar 2019 vom Arbeitgeber bereits einem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen, bleibt es bei einem Wechsel des Nutzungsberechtigten nach dem 31. Dezember 2018 für dieses Fahrrad bei den Regelungen der Rdnr. 1 und die Regelungen dieser Randnummer sind nicht anzuwenden.
3 Die Freigrenze für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG ist weder bei Anwendung der Rdnr. 1 noch bei Anwendung der Rdnr. 2 anzuwenden.
4 Gehört die Nutzungsüberlassung von Fahrrädern zur Angebotspalette des Arbeitgebers an fremde Dritte (z. B. Fahrradverleihfirmen), kann der geldwerte Vorteil auch nach § 8 Abs. 3 EStG ermittelt und der Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro berücksichtigt werden, wenn die Lohnsteuer nicht nach § 40 EStG pauschal erhoben wird.
5 Die vorstehenden Regelungen gelten auch für Elektrofahrräder, wenn diese verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen (u. a. keine Kennzeichen- und Versicherungspflicht) sind.
6 Ist ein Elektrofahrrad verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen (z. B. gelten Elektrofahrräder, deren Motor auch Geschwindigkeiten über 25 Kilometer pro Stunde unterstützt, als Kraftfahrzeuge), ist für die Bewertung des geldwerten Vorteils § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anzuwenden.
7 Dieser Erlass ergeht mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen und im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder. Er ersetzt den Erlass vom 23. November 2012 (BStBl I S. 1224) und ist erstmals für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden.
Dieser Erlass wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
(Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder; hier: FinMin Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) 3 – S-233.4 / 187 vom 13.03.2019)

Prozess für Umgangs- und Namensrecht eines Kindes führt nicht zu außergewöhnlichen Belastungen

Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Beurkundung des Nachnamens eines minderjährigen Kindes sowie mit dem Umgangsrecht für dieses Kind entstehen, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Dies hat der 2. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Die Klägerin ist Mutter eines 2010 geborenen Sohnes, der im Streitjahr 2014 noch bei ihr gelebt hatte. Mit dem Kindesvater, einem Niederländer, führte sie rechtliche Auseinandersetzungen in Bezug auf den Sohn. Hierbei ging es zum einen um die vom Vater in den Niederlanden vorgenommene standesamtliche Beurkundung des Nachnamens des Sohnes, die nach Auffassung der Klägerin ohne ihre Zustimmung und damit widerrechtlich erfolgt sei. Zum anderen wollte die Klägerin dem Vater das Umgangsrecht mit dem Sohn wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs entziehen lassen. Da der Vater den Sohn im Jahr 2015 in die Niederlande verbracht habe, hätten sich die Rechtsstreitigkeiten zwischenzeitlich dorthin verlagert.
Die Klägerin beantragte den Abzug von Anwaltskosten für eine niederländische Kanzlei in Höhe von ca. 3.800 Euro als außergewöhnliche Belastungen und führte hierzu aus, dass ihre seelische und finanzielle Belastung inzwischen so hoch sei, dass der Verlust ihrer Existenzgrundlage drohe. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Kosten ab, da die Klägerin eine konkrete Gefährdung ihrer Existenzgrundlage nicht nachgewiesen habe.
Auch die Klage blieb erfolglos. Dem Abzug der Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen stehe – so der 2. Senat des Finanzgerichts Münster – § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG entgegen, wonach nur solche Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig seien, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien hiermit nur die materiellen Lebensgrundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor, da die Existenzgrundlage der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag nicht aufgrund des Kindesnamens oder des Umgangsrechts gefährdet sei, sondern aufgrund der finanziellen Belastung durch die Prozesse.
Selbst wenn man (wie das Finanzgericht Düsseldorf im Urteil vom 13. März 2018 13 K 3024/17) den Begriff der Existenzgrundlage im immateriellen Sinne verstünde, sodass auch soziale Bedürfnisse wie die Liebe zu seinem Kind und die Fürsorge für sein Kind darunter fielen, käme ein Abzug der Prozesskosten nicht in Betracht. Die Erfassung des Nachnamens des Sohnes in den Niederlanden stelle bereits kein lebensnotwendiges Bedürfnis der Klägerin dar, zumal er in Deutschland ihren Nachnamen trage. Hinsichtlich des Umgangsrechts liege zwar ein dringendes soziales Bedürfnis wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs vor. Dieses sei aber ohne den geführten Rechtsstreit nicht gefährdet gewesen, da die erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des Umgangs, von Amts wegen durch das Jugendamt zu treffen seien, was im Streitfall auch geschehen sei.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2019 zu Urteil vom 12.02.2019 – 2 K 750/17)

Vermehrt Umsatzsteuer-Voranmeldungen angefordert

Insbesondere Kleinunternehmer, deren Umsatzsteuer weniger als 1.000 Euro pro Jahr beträgt, bekommen seit Jahresbeginn häufig Post vom Finanzamt. Sie sollen künftig Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben. Bislang verzichtete die Finanzverwaltung bei solch geringer Steuerlast regelmäßig auf die unterjährige Abgabe.

Schuld an dem Richtungswechsel ist eine Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) durch das BMF-Schreiben vom 14.12.2018 . Aufgrund etlicher Rückmeldungen aus der Praxis adressierte der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) seine Bedenken hierzu in seiner Stellungnahme S 02/19.
Was wurde geändert?
Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE hält die Finanzverwaltung an, Unternehmer mit nicht mehr als 1.000 Euro Umsatzsteuer pro Jahr von der Abgabe von unterjährigen Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu befreien. Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE hingegen schränkt seit jeher ein, wann solche Voranmeldungen doch verlangt werden sollen. Dieser Katalog wurde Ende letzten Jahres um die Fälle des § 18 Abs. 4a UStG erweitert.
§ 18 Abs. 4a UStG bestimmt die generelle Pflicht (auch bei Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG) zur Abgabe von Voranmeldungen und Steuererklärungen für:
Unternehmer, die die Steuer für innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland gegen Entgelt schulden (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG),
Unternehmer, die als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG die Steuer schulden (Reverse-Charge-Verfahren),
Unternehmer, die die Steuer gem. § 25b Abs. 2 UStG als letzter Abnehmer eines innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfts schulden, sowie Fahrzeuglieferer gem. § 2a UStG.
Was heißt das für die Praxis?
Die Ergänzung um § 18 Abs. 4a UStG hat zur Folge, dass ein Unternehmer bei Verwirklichung der genannten Sachverhalte in jedem Fall eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben muss. Die 1.000 Euro-Grenze spielt aus Sicht des BMF-Schreibens keine Rolle mehr.
Dies führt insbesondere bei umsatzsteuerlichen Kleinunternehmern, die bislang von der Abgabe unterjähriger Voranmeldungen befreit waren, zu überbordenden Belastungen. Die umsatzsteuerpflichtigen Vorgänge wurden bis dato im Rahmen der jährlich erstellten Buchhaltung identifiziert. Sie wurden sodann im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung ordnungsgemäß gemeldet und die entstandene Steuer entsprechend abgeführt.
Die Ergänzung in Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE zwingt die Steuerpflichtigen nun, zumindest quartalsweise ihre Geschäftsvorfälle auf umsatzsteuerrelevante Sachverhalte hin zu überprüfen. Angesichts der komplexen Regelungen des Umsatzsteuerrechts sind sie dabei zumeist auf steuerliche Beratung angewiesen. Die Steuerpflichtigen müssen ihrem Berater entsprechend quartalsweise alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen, um mögliche umsatzsteuerrelevante Sachverhalte melden zu können.
Sowohl für betroffene Steuerpflichtige als auch für deren Berater bedeutet dies zusätzlichen Aufwand. Insbesondere bei geringem Steuerergebnis ist dieser unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt. Die Kosten und der zeitliche Aufwand einer mindestens quartalsweisen Überprüfung der Geschäftsvorfälle dürften die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze bzw. die geschuldete Steuer regelmäßig übersteigen.
Was fordert der DStV?
Aus Sicht des DStV wird durch die Anpassung des Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE das gesetzlich vorgesehene Ermessen der Finanzbehörden, auf die unterjährige Abgabe von Voranmeldungen zu verzichten (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG), in den beschriebenen Fällen unangemessen ausgehebelt.
Der DStV regt daher dringend an, die Ergänzung des Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE zurückzunehmen. Es entstünde insbesondere kein Minderaufkommen auf Seiten des Fiskus. Vielmehr würden meldepflichtige Sachverhalte – wie bisher – im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung gemeldet. Diese etablierte und bürokratiearme Möglichkeit sollte im Interesse aller Beteiligten beibehalten werden.
(DStV, Mitteilung vom 07.03.2019)

Festsetzung eines Verzögerungsgeldes muss ermessensgerecht sein

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat zur Frage der Ermessensausübung bei Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO wegen Nichteinräumung eines Datenzugriffs Stellung genommen.

Das Finanzamt ordnete beim Kläger, der als Rechtsanwalt und Notar auch steuerliche Mandate betreut, eine Außenprüfung an. Nachdem sich der Kläger erfolglos gegen die Prüfungsanordnung und andere damit verbundene Einzelmaßnahmen gewehrt hatte, versuchte der Prüfer mehrfach vergeblich, mit dem Kläger Termine abzustimmen, um die Prüfung fortzusetzen. Mehrere Anforderungen des Prüfers, Buchführungsunterlagen in digitaler Form vorzulegen, hob er nach Anfechtung durch den Kläger wieder auf. Gegen eine weitere Aufforderung zur Vorlage von Daten legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Ohne hierüber entschieden zu haben, setzte das Finanzamt zwei Wochen nach Fristablauf wegen der Nichteinräumung des Datenzugriffs ein Verzögerungsgeld in Höhe von 4.000 Euro gegen den Kläger fest. Hierbei stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass beim Kläger eine potenzielle Wiederholungsgefahr in Bezug auf die von ihm betreuten steuerlichen Mandate vorliege, der Kläger sich hartnäckig geweigert habe, die digitalen Daten vorzulegen und er die Gründe für die Verzögerung nicht ausreichend entschuldigt habe.
Die hiergegen erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzamt habe – so der 4. Senat des Finanzgerichts Münster – sein Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeübt. Die angenommene potentielle Wiederholungsgefahr wegen der Betreuung steuerlicher Mandate als Rechtsanwalt und Notar stelle eine sachfremde Erwägung dar, die mit dem Zweck des Verzögerungsgeldes nicht vereinbar sei. Vielmehr komme es ausschließlich auf Verzögerungen beim betroffenen Steuerpflichtigen, nicht aber auf generalpräventive Aspekte an.
Das Finanzamt habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass es noch gar nicht über den Aussetzungsantrag zur Datenüberlassung entschieden hatte. Da solche Anträge unverzüglich zu bearbeiten seien, habe es Ermessenserwägungen dazu anstellen müssen, warum auf die Datenanforderung vor der Entscheidung weitere belastende Maßnahmen wie das Verzögerungsgeld gestützt werden.
In Bezug auf die vom Finanzamt als gewichtig und hartnäckig gewerteten Pflichtverletzungen des Klägers habe das Finanzamt nicht in seine Ermessenerwägungen einbezogen, dass der Prüfer jede seiner früheren Datenanforderungen aufgehoben hatte. Der seit der einzigen noch bestehenden Anforderung vergangene Zeitraum von lediglich zwei Wochen, der letztlich für die Festsetzung des Verzögerungsgelds entscheidend war, könne gerade nicht als hartnäckig bezeichnet werden. Schließlich habe das Finanzamt nicht beachtet, dass das Fehlen von Entschuldigungsgründen nicht zu einer Vorprägung des Entschließungsermessens führe.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.03.2019 zu Urteil vom 08.02.2019 – 4 K 590/17)