Zur Einkünfteerzielungsabsicht beim sog. Disagio-Modell

Im Streitfall hatte der Kläger 2006 eine ausländische Familienstiftung im Sinne von § 15 Abs. 1 AStG a.F. errichtet und ihr ein Darlehen mit endfälliger Verzinsung zum Zwecke des Erwerbs einer KG-Beteiligung gewährt.

Die KG sollte eine fremdfinanzierte, speziell entwickelte Schuldverschreibung erwerben. Des Weiteren gewährte der Kläger der Stiftung einen Abrufkredit mit ebenfalls endfälliger Verzinsung zur Deckung der Kosten der Stiftung im Zusammenhang mit der KG-Beteiligung. Die Stiftung beteiligte sich sodann als Kommanditistin an der KG, die eine Schuldverschreibung mit einer Laufzeit vom 10 Jahren erwarb. Zur Finanzierung nahm die KG ein Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren auf; ein Disagio von 5% wurde einbehalten. 2008 brachte die Stiftung ihren Kommanditanteil an der KG im Wege der verdeckten Einlage in eine neu errichtete Gesellschaft ein, deren einzige Gesellschafterin sie war. Die KG gab in ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 2006 negative Einkünfte aus Kapitalvermögen an.

In seiner Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger neben einem Veräußerungsgewinn bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der Stiftungsbeteiligung, die das Finanzamt außer Ansatz ließ. Es fehle in der Person des Klägers als des maßgebenden Steuersubjekts an der notwendigen Einkünfteerzielungsabsicht.

Das FG Hamburg hat die Klage abgewiesen. Es ist damit im Wesentlichen dem BFH in dessen Beschluss vom 18. April 2016 in der Sache I R 2/16 gefolgt. Beiden Fällen lagen vergleichbare Modellgestaltungen zugrunde; das FA ging davon aus, dass dieselben Berater tätig gewesen seien. Wie der BFH ließ auch der 3. Senat des FG Hamburg die Klage bereits an der mangelnden Einkünfteerzielungsabsicht scheitern. Trotz unentgeltlicher Übertragung der Einkunftsquelle sei für die Überschussprognose nur auf die Nutzung des Vermögensgegenstandes durch den Steuerpflichtigen selbst abzustellen. Die Revision ist aus nachvollziehbaren Gründen nicht zugelassen worden, zum einen wegen der Vorgaben durch den BFH, zum anderen weil sich zwischenzeitlich die Rechtslage geändert hat und vergleichbaren Modellen der Boden entzogen ist. Ob die gegen die Nichtzulassung eingelegte Beschwerde Erfolg haben wird, mag angesichts dessen bezweifelt werden. Das ist letztlich bedauerlich, denn losgelöst von der konkret in Rede stehenden Gestaltung wird die Frage der „fortdauernden Einkünfteerzielungsabsicht“ durch den Rechtsnachfolger bei unentgeltlicher Übertragung der Einkunftsquelle kontrovers diskutiert (z.B. Stöber, FR 2017, 801). Zudem hat der BFH über die Revision I R 2/16 „nur“ im Beschlussverfahren nach § 126a FGO entschieden und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

(FG Hamburg, Newsletter 2019-4 zu Urteil vom 26.9.2019 – 3 K 227/17; NZB eingelegt, Az. BFH I B 62/19)

Mobilheim als Gebäude auf fremden Grund und Boden

Der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat entschieden, dass ein auf einer Mietparzelle auf einem Campingplatz stehendes Mobilheim bei einer festen Verankerung auf dem Grundstück und einer beabsichtigten Dauernutzung zu Ferienzwecken steuerlich als Gebäude zu qualifizieren sein kann (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).

Dies gilt auch dann, wenn das Mobilheim nach wie vor auf einem Fahrgestell ohne Straßenzulassung steht, die Nutzungsfunktion des Fahrgestells wegen der Verankerung des Mobilheims auf dem Grundstück jedoch faktisch aufgehoben ist.

Der steuerliche Gebäudegriff ist gesetzlich nicht definiert. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass er nicht mit dem zivilrechtlichen Gebäudebegriff gleichzusetzen ist. Demgemäß muss ein Gebäude nicht zwangsläufig wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks im Sinne des § 94 BGB sein. Auch Scheinbestandteile im Sinne des § 95 BGB wie z. B. ein nur für eine vorübergehende Zeit auf einem Pachtgrundstück aufgestelltes Ferienhaus können als Gebäude im steuerlichen Sinne zu qualifizieren sein (z. B. BFH, Beschluss vom 9. September 2010 II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305). Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch eine „feste Verbindung“ mit dem Grundstück, die sich im Einzelfall aber auch bereits aus der Eigenschwere des Objekts ergeben kann. Im Streitfall stellte die Klägerseite die feste Verbindung unter Hinweis auf das Fahrgestell des Mobilheims in Abrede und verwies ergänzend auf die „vergleichbare Situation“ bei zur Dauernutzung aufgestellten Wohnwagen. Das FA bejahte eine feste Verbindung sowohl aufgrund der Eigenschwere des Mobilheims als auch aufgrund der Art und Weise seiner Verankerung mit dem Boden. Ein Standortwechsel sei zu keiner Zeit erfolgt und von den Klägern auch nicht geplant gewesen.

Die bisher zu Mobilheimen ergangenen Entscheidungen betrafen Ferienhäuser ohne Fahrgestell, sodass sie nicht ohne weiteres mit dem Streitfall vergleichbar sind. Die gegenläufige Einschätzung der Finanzverwaltung, wonach Mobilheime unabhängig von ihrer baulichen Gestaltung und der konkreten Aufstellsituation stets als Gebäude zu qualifizieren sind (z. B. Bayerisches Landesamt für Steuern, 15. November 2013) erscheint zu weitgehend. Eine schematische, allein aus dem Begriff des Mobilheims abgeleitete Betrachtung ist nicht zielführend.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

(FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.12.2019 zu Urteil vom 12.08.2019 – 3 K 55/18)

Der Verkauf von Backwaren im Eingangsbereich von Supermärkten befindlichen Bäckereien zum dortigen Verzehr unterliegt dem Regelsteuersatz

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass in Bäckereifilialen, die in Supermärkte integriert sind, zum Verzehr an Ort und Stelle angebotene Backwaren dem vollen Umsatzsteuersatz unterliegen, wenn hierfür Mobiliar und Geschirr zur Verfügung gestellt wird.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin betrieb insgesamt 84 Konditoreien und Cafés, die sich zum größten Teil in nicht abgetrennten Eingangsbereichen von Lebensmittelmärkten (sog. Vorkassenzonen) befanden. Dabei wurden die Backwaren über den Ladentresen verkauft. Die Kunden konnten zum Verzehr die teilweise mit Tischdecken und Blumenschmuck versehenen Tische nutzen, mussten aber das Geschirr selbst abräumen. Während das beklagte Finanzamt diese Umsätze dem Regelsteuersatz unterwarf, meinte die Klägerin, dass es sich mangels Kellnerservice und Beratung nicht um Restaurationsumsätze handele. Zudem habe das Mobiliar auch von Besuchern der Supermärkte zum bloßen Verweilen genutzt werden können.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Umsätze nicht als begünstigte Lebensmittellieferungen, sondern als dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen behandelt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe ihren Kunden nicht nur Backwaren verkauft, sondern zusätzliche Dienstleistungen erbracht, indem sie für den Verzehr teilweise mit Dekoration versehene Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Geschirr zur Verfügung gestellt und das Mobiliar und das Geschirr auch gereinigt habe. Hierbei habe es sich nicht um bloß behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen gehandelt. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass das Mobiliar nach den objektiven Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der Bäckereifilialen bestimmt gewesen sei. Dies ergebe sich aus der räumlichen Anordnung in unmittelbarer Nähe der Verkaufstheken, der Farbe des Mobiliars, der vom übrigen Boden abweichenden Bodenfarbe und der entsprechenden Dekoration. Dass nicht in allen Filialen Garderoben und Toiletten vorgehalten wurden und überdies kein Kellnerservice bestanden habe, führe im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht zu einer anderen Beurteilung.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2019 zu Urteil vom 03.09.2019 – 15 K 2553/16; BFH-Az.: XI R 25/19)

EuGH-Vorlage zum Apothekenrabatt im Umsatzsteuerrecht

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) soll entscheiden, ob eine Apotheke, die verschreibungspflichtige Arzneimittel an gesetzliche Krankenkassen liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an die gesetzlich krankenversicherte Person umsatzsteuerrechtlich zu einer Steuervergütung für die an die Krankenkasse ausgeführte Lieferung berechtigt ist. Der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) betrifft grenzüberschreitende Arzneimittellieferungen im Binnenmarkt.

Im Streitfall lieferte die Klägerin aus den Niederlanden Arzneimittel an gesetzliche Krankenkassen im Inland für die bei diesen gesetzlich versicherten Personen. Sie gewährte den gesetzlich Versicherten für deren Bestellungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung Rabatte und macht geltend, deshalb zu Umsatzsteuerminderungen (Steuervergütungen) berechtigt zu sein.

Für die Entscheidung hierüber kommt es auf das europäische Mehrwertsteuerrecht an, das bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu berücksichtigen ist, so dass insoweit bestehende Zweifelsfragen eine Vorabentscheidung durch den EuGH erforderlich machten.

In seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH weist der BFH darauf hin, dass die Klägerin als Apotheke aus den Niederlanden an die jeweilige gesetzliche Krankenkasse im Inland geliefert habe. Diese wiederum verschaffte den bei ihr Versicherten die verschreibungspflichtigen Arzneimittel im Rahmen des Versicherungsverhältnisses und damit außerhalb eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches. Damit fehlt es an einer bis zum Rabattempfänger reichenden Umsatzkette. Dies könnte gegen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch sprechen.

Der BFH weist auch darauf hin, dass Apotheken im Inland anders als die Klägerin einem Rabattverbot unterliegen. Zudem habe die Klägerin in Bezug auf die streitigen Lieferungen (an die gesetzlichen Krankenkassen) im Inland keinen Steuertatbestand verwirklicht, so dass es an einer inländischen Steuer fehlt, die gemindert werden könne. Im Hinblick auf die Schaffung des Binnenmarkts könnte das Erfordernis einer Steuerschuld im Inland aber als unionsrechtswidrig anzusehen sein.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 71 vom 31.10.2019 zu Beschluss vom 6.6.2019 – V R 41/17)

Krankentaggelder einer Schweizer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung sind steuerfrei und erhöhen nicht den Steuersatz (sog. Progressionsvorbehalt)

So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg. Es ließ jeweils die Revision zu.

Die Kläger mit Wohnsitz im Inland waren in den Streitjahren jeweils verheiratet und bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt. Sie unterlagen als Grenzgänger im Inland der Besteuerung. Die Arbeitgeber hatten eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen. Die Kläger wurden jeweils krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ihre Arbeitgeber zahlten jeweils „Krankentaggeld“ aus und „verrechneten“ dieses mit den von der Versicherung an sie ausgezahlten Krankentaggeldern. In beiden Verfahren endete das Arbeitsverhältnis der Kläger. Im Verfahren 14 K 2647/18 trat jedoch der Kläger in eine Einzel-Taggeldversicherung ein und erhielt weiterhin Krankentaggeld. Das jeweils beklagte Finanzamt unterwarf die steuerfreien Krankentaggeldzahlungen dem Progressionsvorbehalt. Dadurch erhöhte sich der Steuersatz. Dies führte jeweils zu einer höheren Einkommensteuer.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg ermäßigte jeweils die Einkommensteuer. Die als Leistungen aus einer Krankenversicherung steuerfreien Zahlungen aufgrund Kollektiv- oder Einzel-Krankentaggeldversicherung erhöhten als Leistungen privater Krankenversicherungen den Steuersatz nicht. Die von den Arbeitgebern der Kläger ausgezahlten Leistungen seien kein Arbeitslohn. Der Lohnausweis habe keine konstitutive Wirkung. Die Arbeitgeberleistungen seien „teilweise vorweggenommene Leistungen aus der Kollektiv-Krankentaggeldversicherung“. Hierfür spreche, dass die Beträge nicht in die Berechnung der Beiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung einbezogen wurden. Die Kläger seien die Versicherten der von den Arbeitgebern abgeschlossenen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung. Arbeitslohn sei der Arbeitgeberbeitrag zur Versicherung. Einzubeziehen seien in die Steuersatzermittlung nach dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. k Einkommensteuergesetz nur dem deutschen Krankengeld vergleichbare Leistungen Schweizer Rechtsträger. Krankentaggeld gehöre nicht zum (gesetzlichen) Leistungsumfang Schweizer Krankenkassen. Handle es sich um Leistungen privater Versicherungen, seien sie nicht mit Leistungen inländischer öffentlicher Kassen vergleichbar.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 06.11.2019 zu den Urteilen 14 K 2647/18 und 14 K 1955/18 vom 08.05.2019)

Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags erhöht nicht das Kapitalkonto des Kommanditisten

Der nach § 7g Abs. 2 EStG im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts hinzuzurechnende Betrag wirkt sich nicht auf das Kapitalkonto des Kommanditisten i. S. v. § 15a EStG aus. Dies hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden.

Der Kläger war alleiniger Kommanditist einer KG, die für die künftige Anschaffung diverser Wirtschaftsgüter einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG gebildet hatte. Im Folgejahr, dem Streitjahr 2008, schaffte sie einige dieser Wirtschaftsgüter an und rechnete insoweit den Investitionsabzugsbetrag außerhalb der Bilanz gewinnerhöhend hinzu. Der sich danach ergebende Verlust der KG entfiel in vollem Umfang auf den Kläger. Das Finanzamt stellte den von der KG für den Kläger erklärten Verlust jedoch nicht als ausgleichsfähig fest, da der Hinzurechnungsbetrag das Kapitalkonto des Kommanditisten nicht erhöhe und sich deshalb ein negatives Kapitalkonto des Klägers ergebe.

Die hiergegen erhobene Klage hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster abgewiesen. Der Hinzurechnungsbetrag nach § 7g Abs. 2 EStG sei nicht in die Berechnung des Kapitalkontos einzubeziehen. Dieses setze sich allein aus dem in der Steuerbilanz der KG enthaltenen Kapitalkonto des Kommanditisten und einer etwaigen Ergänzungsbilanz zusammen. Außerbilanzielle Korrekturen beeinflussten das Kapitalkonto dagegen nicht, da es sich nicht um Bilanzpositionen handele. Der Investitionsabzugsbetrag habe weder Einfluss auf das Betriebsvermögen der KG noch auf die Außenhaftung des Kommanditisten. Diese Sichtweise entspreche auch dem Regelungszweck des § 15a EStG, der eine Verlustzurechnung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung des Kommanditisten darstellen solle.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2019 zu Urteil vom 14.08.2019 – 13 K 2320/15; BFH-Az.: IV R 26/19)

EuGH soll über Beihilfecharakter der Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften entscheiden

Der Bundesfinanzhof (BFH) bittet den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung, ob die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt. Der Vorlagebeschluss betrifft § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 und ist für Städte und Gemeinden von großer Bedeutung, da sie im Bereich der Daseinsvorsorge häufig an Eigengesellschaften mit dauerdefizitären Tätigkeiten beteiligt sind.

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Da die Anteile der Klägerin zu 100 % von einer Stadt gehalten werden, handelt es sich um eine sog. kommunale Eigengesellschaft. Aus dem Betrieb einer Schwimmhalle erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 (dauerhaft) Verluste. Diese Verluste wurden vom Finanzamt nicht steuermindernd anerkannt.

Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt (BFH-Urteil vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961).

Dementsprechend sieht der BFH auch in der Hinnahme der Dauerverluste durch die Eigengesellschaft im Streitfall eine vGA an die Stadt, mit der Folge, dass das Einkommen der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen ist. Dieser Rechtsfolge steht jedoch die durch das Jahressteuergesetz 2009 auch mit Wirkung für die Vergangenheit geschaffene Regelung des § 8 Abs. 7 S.1 Nr. 2 KStG entgegen, wonach die Rechtsfolgen einer vGA bei kommunalen Eigengesellschaften nicht zu ziehen sind, wenn sie ein sog. Dauerverlustgeschäft, wie z.B. beim Betrieb von Schwimmbädern aus gesundheitspolitischen Gründen, unterhalten.

Fraglich ist aber, ob die Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG eine staatliche Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 i.V.m. Art. 108 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist. Genehmigungspflichtig sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige.

Der BFH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kommunalen Eigengesellschaften einen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten. In seinem Vorlagebeschluss geht der BFH von einem grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, überantwortet aber dem EuGH die verbindliche Klärung der im Streitfall bestehenden Auslegungsfrage.

Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.

Im Übrigen ist in Bezug auf die Besteuerungszeiträume ab 2009 –anders als im Streitfall– auch die sog. Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG zu beachten. Diese ändert aber nichts am Entfallen der vGA, mit dem der BFH sein Vorabentscheidungsersuchen maßgeblich begründet hat. Ein vom EuGH auf dieser Grundlage bejahter Beihilfetatbestand könnte sich daher auch auf die heute bestehende Rechtslage auswirken.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 69 vom 24.10.2019 zu Beschluss vom 13.3.2019 – I R 18/19)

Kein ermäßigter Steuersatz für eine Rentennachzahlung, die sich auf zwei Veranlagungszeiträume erstreckt

Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 34 EStG auf eine Rentennachzahlung, die sich auf zwei Veranlagungszeiträume bezieht, keine Anwendung findet, wenn die Nachzahlung im zweiten Veranlagungszeitraum erfolgt.

Der Kläger erhielt nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses im Jahr 2017 zunächst Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte im Streitjahr 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und zahlte diese ab dem 1. März 2018 laufend an den Kläger aus. Für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis zum 28. Februar 2018 ergab sich eine Rentennachzahlung in Höhe von rund 14.000 Euro, die jedoch fast in vollem Umfang mit Erstattungsansprüchen der Agentur für Arbeit und der Krankenkasse verrechnet wurde.

Das Finanzamt berücksichtigte im Streitjahr 2017 den verrechneten Betrag mit dem Besteuerungsanteil als Renteneinkünfte des Klägers. Der Kläger beantragte hierfür die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, da sich die Rentennachzahlung über zwei Veranlagungszeiträume erstrecke und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasse.

Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben. Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat zunächst ausgeführt, dass die Rentennachzahlung in Höhe der Verrechnung aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X bereits im Streitjahr 2017 zu erfassen sei. Der ermäßigte Steuersatz finde jedoch keine Anwendung, da es sich nicht um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten handele. Die Nachzahlung habe sich zwar auf zwei Veranlagungszeiträume erstreckt. Für die Frage, ob sie einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst habe, sei jedoch nur auf den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2017 abzustellen. Die Nachzahlung für die Monate Januar und Februar 2018 stelle dagegen lediglich eine zeitlich verzögerte Auszahlung der das Jahr 2018 betreffenden laufenden Rentenzahlungen und damit von vornherein keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Diese beiden Monate seien daher bei der Beurteilung des Nachzahlungszeitraums außer Betracht zu lassen.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2019 zu Urteil vom 19.09.2019 – 5 K 371/19)

Zuwendung einer Schweizer Stiftung als Unterstützungsleistung unterliegt nicht der Schenkungsteuer

Die satzungskonforme Zuwendung einer ausländischen Stiftung an einen inländischen Empfänger, der keine Rechte an oder Ansprüche auf Vermögen oder Erträge der Stiftung besitzt, unterliegt nicht der Schenkungsteuer. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Eine Schweizer Familienstiftung hatte einem in Deutschland ansässigen 29-jährigen Begünstigten (Destinatär) eine Einmalzahlung zugewandt. Die Stiftungssatzung sieht Unterstützungsleistungen zur Anschubfinanzierung an Familienangehörige in jugendlichen Jahren vor. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Die Stiftung wählt die Empfänger nach ihrem Ermessen aus.

Aus Sicht von Finanzamt und Finanzgericht (FG) hatte die Familienstiftung hierfür Schenkungsteuer zu zahlen. Zum einen sei ein 29-jähriger nicht mehr „jugendlich“, die Zuwendung deshalb satzungswidrig und damit eine Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Zum anderen habe es sich um den Erwerb durch einen Zwischenberechtigten während des Bestehens einer Vermögensmasse ausländischen Rechts nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG gehandelt.

Der BFH ist beiden Überlegungen nicht gefolgt und hat den angefochtenen Steuerbescheid sowie das FG-Urteil aufgehoben und damit der Revision der Familienstiftung stattgegeben. Die Stiftung verfüge für die Frage der Satzungskonformität über eine Einschätzungsprärogative, deren Grenzen im Streitfall noch nicht überschritten seien. Ein Erwerb durch Zwischen“berechtigte“ könne nicht vorliegen, wenn der Empfänger in keiner Weise „Berechtigter“ an Vermögen oder Erträgen der Stiftung sei und keinen Rechtsanspruch auf die Zuwendung habe.

Nicht entschieden wurde über die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche Zuwendung der Einkommensteuer unterliegt und ob eine Destinatszahlung im Einzelfall sowohl einkommen- als auch schenkungsteuerpflichtig sein kann.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 63 vom 10.10.2019 zu Urteil vom 3.7.2019 – II R 6/16)

Ermessensausübung bei der Inanspruchnahme mehrerer Geschäftsführer als Haftungsschuldner

Der 1. Senat des FG Schleswig-Holstein hat erkannt, dass es regelmäßig ermessenswidrig ist, einige von mehreren Geschäftsführern wegen derselben haftungsbegründenden Pflichtverletzung in weiterem Umfang in Haftung zu nehmen, wenn zugleich die Haftung anderer auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt wird.

Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Inanspruchnahme der Geschäftsführer für ein- und dieselbe Pflichtverletzung, nämlich die Nichtzahlung der Körperschaftsteuer 2008, erfolgen sollte, aber unterschiedliche Haftungszeiträume zugrunde zu legen waren, weil die Geschäftsführer die Geschäftsführerstellung unterschiedlich lange innehatten. Angesichts dessen hatte sich das FA auf den Standpunkt gestellt, auch in solchen Fällen sei der durch die Pflichtverletzung entstandene Steuerschaden stets für beide Geschäftsführer getrennt jeweils unter Anwendung des „Grundsatzes der anteiligen Tilgung“ bezogen auf die unterschiedlichen Haftungszeiträume zu berechnen. Das hatte dazu geführt, dass sich für die Geschäftsführer unterschiedliche Tilgungsquoten ergeben hatten. Im Ergebnis war der Kläger daraufhin in Höhe eines erheblichen fünfstelligen Betrages in Anspruch genommen worden, die (Mit-)Geschäftsführerin hingegen gar nicht.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Das FA habe sein (Auswahl-)Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Bei mehreren Haftungsschuldnern, von denen nur einige in Anspruch genommen werden, sei das Auswahlermessen nur dann ausreichend begründet, wenn aus der Verwaltungsentscheidung hervorgehe, warum die einen in Anspruch genommen werden, die anderen aber nicht. Das sei nicht der Fall gewesen, denn die diesbezüglichen Ausführungen des FA, die erstmals in der Einspruchsentscheidung erfolgt waren, hätten sich auf einen Hinweis auf die unterschiedlichen maßgeblichen Tilgungsquoten beschränkt.

Angesichts eines vom Bekl. eventuell unterstellten daraus resultierenden „Automatismus“ erscheine es schon zweifelhaft, ob der Bekl. das ihm eröffnete Ermessen überhaupt erkannt habe. Soweit dies der Fall gewesen sei, habe der Bekl. seine Abwägung allein auf die unterschiedlichen Haftungsquoten gestützt, die sich rechnerisch ergeben hätten.

Eine solche Betrachtung werde jedoch dem Schadensersatzcharakter der Haftungsvorschriften nicht gerecht. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Geschäftsführers sei eine durch ihn begangene Pflichtverletzung, die einen entsprechenden Steuerschaden verursacht habe. Das sei für den Kläger und die weitere (Mit-)Geschäftsführerin ein- und dieselbe Handlung gewesen, nämlich die Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2008.

Durch ein- und dieselbe Pflichtverletzung könne aber grundsätzlich nur ein einziger Steuerschaden herbeigeführt werden, für den die Geschäftsführer – grundsätzlich gesamtschuldnerisch – einzustehen hätten. Auch wenn sich bei Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung – rechnerisch – unterschiedlichen Haftungsbeträge ergäben, führe dies nicht dazu, dass aus ein- und derselben Pflichtverletzung unterschiedlich hohe Steuerschäden entstünden. Es sei vielmehr Aufgabe der FÄ, nach pflichtgemäßem Ermessen auch darüber zu entscheiden, für welchen Schaden (der Höhe nach) die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollen. Dabei sei im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass für eine Differenzierung der Inanspruchnahme der Höhe nach kein Ansatz und keine Veranlassung bestehe, solange und soweit für alle Geschäftsführer derselbe Pflichtenverstoß in Rede stehe. Dementsprechend könne eine Differenzierung nach der Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer allenfalls unter besonderen Umständen im Einzelfall ermessensgerecht sein. Regelmäßig sei es jedoch in solchen Fällen ermessenswidrig, einen Geschäftsführer für rückständige Steuern mit einem höheren Betrag in Anspruch zu nehmen, wenn zugleich die Haftung eines Mitgeschäftsführers auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt werde.

Das Urteil ist rechtskräftig.

(FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zu Urteil vom 05.02.2019 – 1 K 42/16)