Ausschlussfrist für die rückwirkende Gewährung von Kindergeld

Nach einer durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz mit Wirkung ab 01.01.2018 in das Kindergeldrecht eingefügten Ausschlussfrist (§ 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Regelung ist nur auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 eingehen.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, ist diese Ausschlussfrist bereits bei der Festsetzung des Kindergeldes im Kindergeldbescheid zu berücksichtigen und nicht erst bei der nachfolgenden Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes. Setzt die Familienkasse das Kindergeld dagegen über den Sechsmonatszeitraum hinaus fest, muss sie es auch vollständig auszahlen.

Der Kläger ist der Vater einer im Februar 1997 geborenen Tochter. In einem bereits 2015 gestellten Antrag gab der Kläger an, dass seine Tochter ab September 2015 eine Ausbildung zur Erzieherin aufnehmen wolle. Die Familienkasse setzte daraufhin zunächst Kindergeld fest, hob die Kindergeldfestsetzung aber im Juli 2015 mangels Vorlage eines Ausbildungsnachweises wieder auf. Mit einem dann erst im April 2018 bei der Familienkasse eingegangenen Antrag begehrte der Kläger erneut Kindergeld für den Zeitraum ab August 2015. Die Familienkasse setzte in einem Bescheid vom April 2018 laufendes Kindergeld ab dem Monat August 2015 fest. Die Nachzahlung von Kindergeld beschränkte sie jedoch auf den Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt und erkannte einen Nachzahlungsanspruch auch für die Monate August 2015 bis September 2017 an.

Der BFH hielt die dagegen gerichtete Revision der Familienkasse für unbegründet. Danach ist die Vorschrift über die Ausschlussfrist bereits bei der Festsetzung des Kindergeldes zu berücksichtigen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Gesetzgeber die Ausschlussfrist im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen geregelt hat, die ebenfalls die Festsetzung des Kindergeldes betreffen. Zudem wird der Zweck der Norm, den Anspruchsteller zu einer zeitnahen Stellung seines Kindergeldantrags zu bewegen und der Familienkasse dadurch die notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen, auch erreicht, wenn bereits die rückwirkende Festsetzung des Kin-dergeldes auf den Sechsmonatszeitraum beschränkt wird. Da die Familienkasse im Streitfall das Kindergeld über den Sechsmonatszeitraum hinaus rückwirkend festgesetzt hatte, hielt sie der BFH auch für verpflichtet, das Kindergeld in diesem Umfang an den Kläger auszuzahlen.

Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.07.2019 wurde die bisherige Regelung über die Ausschlussfrist aufgehoben. Dafür wurde eine neue Regelung über eine Ausschlussfrist mit etwas verändertem Wortlaut in § 70 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes eingefügt.

(BFH, Pressemitteilung Nummer 031/20 vom 30.07.2020 zu Urteil vom 19.02.2020 – III R 66/18)

Künstliche Befruchtung einer alleinstehenden Frau führt zu außergewöhnlichen Belastungen

Bei der im Streitjahr 40 Jahre alten Klägerin, die zu ihrem Beziehungsstatus keine Angaben macht, wurde eine krankheitsbedingte Fertilitätsstörung (Unfruchtbarkeit) festgestellt. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie Kosten für eine Kinderwunschbehandlung in Höhe von ca. 12.000 Euro, worin auch Aufwendungen für eine Samenspende enthalten sind, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, dass solche Kosten nur bei verheirateten oder in einer festen Beziehung lebenden Frauen abzugsfähig seien.

Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Gericht hat die gesamten Aufwendungen für die Kinderwunschbehandlung als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Die Unfruchtbarkeit der Klägerin stelle – so der 1. Senat des Finanzgerichts Münster – einen Krankheitszustand dar und sei nicht auf ihr Alter zurückzuführen. In der heutigen Zeit seien Schwangerschaften von Frauen über 40 nicht ungewöhnlich. Aus den anzuerkennenden Kosten seien die Aufwendungen für die Samenspende nicht herauszurechnen, da diese mit der Behandlung eine untrennbare Einheit bildeten.

Der Familienstand der Klägerin sei unerheblich, da die Behandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen worden sei. Jedenfalls in dem Bundesland, in dem die Klägerin behandelt wurde, seien künstliche Befruchtungen alleinstehender Frauen nicht durch diese Richtlinien ausgeschlossen. Zudem werde die Zwangslage unfruchtbarer Frauen durch die Krankheit hervorgerufen, nicht durch eine Ehe oder eine Partnerschaft. Schließlich sei erwiesen, dass Kinder alleinerziehender Eltern in ihrer Entwicklung nicht beeinträchtigt seien.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 03.08.2020 zu Urteil vom 24.06.2020 – 1 K 3722/18)

Anforderungen an die zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Insbesondere muss die Rechnung eine ausreichende Leistungsbeschreibung enthalten

Im entschiedenen Fall hatten die Rechnungen, mit denen die Klägerin und Beschwerdeführerin den Vorsteuerabzug begehrte, keine ausreichende Leistungsbeschreibung enthalten, anhand derer man hätte erkennen können, was Gegenstand der Leistung war.

Ergänzende Unterlagen, zu deren Berücksichtigung über die Rechnungen hinaus das erstentscheidende Finanzgericht (FG) des Saarlandes hätte verpflichtet sein können, lagen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG mangels schriftlicher Vereinbarungen ebenfalls nicht vor, so dass auch auf einer solchen Grundlage ein Vorsteuerabzug in den Streitjahren nicht möglich war.

(BFH, Beschluss vom 18.5.2020 – XI B 105/19)

Aufwendungen für eine Erstausbildung nicht als Werbungskosten abzugsfähig

Aufwendungen für die Erstausbildung sind ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat.

Im Streitfall hatte eine Studentin Aufwendungen für ihr Erststudium als Werbungskosten geltend gemacht. Da sie in den Streitjahren keine bzw. nur geringfügige Einkünfte erzielte, wollte sie die dadurch entstehenden Verluste mit künftigen, nach dem Studium erzielten Einkünften verrechnen. Der BFH wollte der Klage der Studentin stattgeben, sah sich daran aber auf Grund des § 9 Abs. 6 EStG gehindert, der mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in das EStG aufgenommen worden ist. Danach sind die Aufwendungen für eine Erstausbildung nicht als Werbungskosten abziehbar. Deren Abzug kommt nur als Sonderausgaben begrenzt auf 4.000 € bzw. ab dem Jahr 2012 auf 6.000 € in Betracht. Da der Sonderausgabenabzug nicht zu einem vortragsfähigen Verlust führt, wirken sich — wie auch im Fall der Studentin — die Aufwendungen auf Grund der während der Ausbildung erzielten geringen Einkünfte regelmäßig nicht bzw. nicht in vollem Umfang steuerlich aus.

Der BFH hielt § 9 Abs. 6 EStG für verfassungswidrig und holte im Rahmen eines sog. Normenkontrollverfahrens die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 19.11.2019 2 BvL 22-27/14 entschieden hat, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs von Berufsausbildungskosten für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat der BFH das zunächst ausgesetzte Verfahren der Studentin wieder aufgenommen und deren Klage abgewiesen.

Beim BFH war eine Vielzahl von Revisionen zu derselben Rechtsfrage anhängig. Sie betrafen ebenfalls den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Erststudium sowie insbesondere den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für die Pilotenausbildung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses stattfand. Diese Verfahren wurden nach der Entscheidung des BVerfG auf entsprechenden rechtlichen Hinweis des BFH zurückgenommen und durch Einstellungsbeschluss erledigt.

(BFH, Pressemitteilung Nummer 029/20 vom 23.7.2020 zu Urteil vom 12.2.2020 – VI R 17/20)

Sachbezug oder Geldleistung – das ist hier die Frage

Seit Jahresbeginn sind Sachbezüge steuerlich neu definiert. In der Praxis herrscht gerade bei Gutscheinen und Geldkarten Verunsicherung. Nun liegt das BMF-Schreiben zur Abgrenzung von Sachbezug und Geldleistung im Entwurf auf dem Tisch. Es dürfte in vielen Fällen Klarheit bringen. In seiner Stellungnahme moniert der Deutsche Steuerberaterverband (DStV), dass die Verwaltungsmeinung bereits rückwirkend zum Jahresstart gelten soll.

Das Jahressteuergesetz 2019 normierte neue Beurteilungskriterien für Sachbezüge. Seither gelten unter anderem bestimmte Gutscheine und Geldkarten, die bis Ende letzten Jahres noch als Sachbezug behandelt wurden, als Geldleistung. Dies hat zur Folge, dass sie nicht unter die 44 Euro-Freigrenze für Sachbezüge oder die 60 Euro-Freigrenze für Aufmerksamkeiten zu besonderen Anlässen fallen. Vielmehr stellt die Abgabe an Arbeitnehmer steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Von dieser strikten Sichtweise ausgenommen sind Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erfüllen. Gerade der Verweis auf die Regelungen des ZAG verunsichert die Praxis. Zwar gibt es ein Merkblatt zum ZAG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Nach Auffassung des Gesetzgebers sollte die aufsichtsrechtliche Einordnung aber nicht 1:1 für das Steuerrecht gelten. Insofern blieben in der Praxis Fragen offen.

Ein BMF-Schreiben soll nun Licht ins Dunkel bringen. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat sich hierzu in seiner DStV-Stellungnahme S 07/20 geäußert.
Gutscheine für Zeitungen und Zeitschriften nur für physische Produkte begünstigt

Gutscheine für Zeitungen und Zeitschriften in Papier sollen nach dem vorliegenden Entwurf die Voraussetzungen des ZAG (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b ZAG) erfüllen. Das heißt, sie können unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei zugewendet werden. Gutscheine oder Geldkarten, die auf den Download von Zeitungen und Zeitschriften begrenzt sind, sollen die genannte Voraussetzung des ZAG nicht erfüllen.

Diese Ungleichbehandlung von Gutscheinen und Geldkarten für Zeitungen und Zeitschriften in physischer Form einerseits und elektronischer Form andererseits erscheint dem DStV nicht sachgerecht. Er fürchtet neue Abgrenzungsschwierigkeiten: So etwa, wenn mit dem physischen Erwerb von Zeitungen und Zeitschriften gleichzeitig Online-Zugänge erworben werden. Er regt daher an, Gutscheine und Geldkarten für den Download von Zeitungen und Zeitschriften genauso zu behandeln, wie Gutscheine und Geldkarten für ihre physischen Pendants.
Achtung bei Gutscheinen und Geldkarten für persönliche Aufmerksamkeiten

Gutscheine oder Geldkarten, die aufgrund von Akzeptanzverträgen zwischen Aussteller/Emittent und Akzeptanzstellen berechtigen, Waren oder Dienstleistungen ausschließlich für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke im Inland zu beziehen (sog. Zweckkarten), gelten nach dem ZAG nicht als Zahlungsinstrument (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c ZAG). Grundsätzlich können sie daher die Sachbezugseigenschaft erfüllen.

Der Entwurf des BMF stellt erfreulicherweise klar, dass unter anderem Papier-Essensmarken (Essensgutscheine, Restaurantschecks) und arbeitstägliche Zuschüsse zu Mahlzeiten (sog. digitale Essensmarken) unter den Anwendungsbereich fallen sollen. Gutscheine, die ausgegeben werden, um die 44 Euro-Freigrenze bzw. die Richtlinienregelung des R 19.6 LStR (Aufmerksamkeiten) oder die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG in Anspruch zu nehmen, sollen per se hingegen keine Zweckkarten darstellen.

Dies verwundert insofern, als die BaFin unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten bei Karten für persönliche Aufmerksamkeiten ausdrücklich von Zweckkarten ausgeht. Der DStV hat in seiner Stellungnahme angeregt, dieser Sichtweise auch unter lohn- und einkommensteuerlichen Gesichtspunkten zu folgen. Andernfalls könnten Geldkarten bzw. Gutscheine für persönliche Aufmerksamkeiten nur noch dann als Sachbezug gelten, wenn sie eine der engen übrigen Ausnahmen nach dem ZAG erfüllen.
Konkretisierungen könnten rückwirkend gelten

Die Grundsätze des BMF-Entwurfs sollen bereits ab Jahresbeginn 2020 gelten. Problematisch ist, dass viele Arbeitgeber Mitarbeitern seitdem (aus ihrer Sicht) Sachbezüge zugewendet haben dürften, die nunmehr – nach den ersten Hinweisen zur Verwaltungsauffassung – als Barlohn hätten bewertet werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen Arbeitgeber sich an dem Merkblatt der BaFin orientiert haben. Steuerpflichtigen fehlte schließlich bislang ein Anhaltspunkt, inwieweit die lohn- bzw. einkommensteuerliche Würdigung von diesen Ausführungen abweichen würde.

Für Arbeitgeber heißt das: Hoher Korrekturaufwand. Neben lohnsteuerlichen Korrekturen ist insbesondere die Berichtung der Sozialversicherungsbeiträge umständlich und mitunter eine finanzielle Belastung. So darf ein unterbliebener Beitragsabzug der Arbeitnehmeranteile nur bei den drei nächsten Entgeltabrechnungen nachgeholt werden. Für weiter zurückliegende Monate muss der Arbeitgeber auch die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen übernehmen.

In Anbetracht der ohnehin durch die Corona-Krise angespannte Unternehmenslage spricht sich der DStV dafür aus, dass die geplanten Grundsätze der Finanzverwaltung erst ab der Veröffentlichung des Schreibens angewendet werden sollten.

DStV, Mitteilung vom 21.07.2020

Schätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen

Aus dem Vorhandensein eines bestimmten Vermögens kann nicht ohne Weiteres mit der für die Feststellung einer Steuerhinterziehung erforderlichen Sicherheit auf das Vorhandensein dieses Vermögens bereits zu einem früheren Zeitpunkt – lediglich in abgezinster Höhe – geschlossen werden.

Dazu bedarf es vielmehr der weiteren Feststellung, dass ein zwischenzeitlicher Vermögenszuwachs ausgeschlossen werden kann, entschied der BFH und führt weiter aus:

Das Vorhandensein eines Vermögens zu einem bestimmten Zeitpunkt reicht – selbst bei Annahme eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten – nicht aus, um dem Steuerpflichtigen den entsprechenden Kapitalstamm auch in den Folgejahren unverändert als Grundlage der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass das Depotkonto im betreffenden Zeitraum nicht mehr vorhanden war.

Der Grundsatz in dubio pro reo schließt es aus, die – grundsätzlich zulässige Schätzung der Höhe der hinterzogenen Steuern auf ein reduziertes Beweismaß und bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen zu stützen und an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens auszurichten.

Erforderlich ist vielmehr, dass das FG auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) von der Höhe der Steuerhinterziehung in jedem Jahr der Schätzung überzeugt ist.

(BFH, Urteil vom 3.12.2019 – VIII R 23/16)

Veräußerung eines Mobilheims löst Grunderwerbsteuer aus

Der 8. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 18. Juni 2020 (Az. 8 K 786/19 GrE,F) entschieden, dass die Übertragung eines Mobilheims grunderwerbsteuerpflichtig ist.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2018 ein „Kleinwochenendhaus“auf einem Pachtgrundstück nebst Zubehör für 10.000 Euro und verpflichtete sich zugleich, mit dem Grundstückseigentümer einen Pachtvertrag abzuschließen. Über das Haus existiert ein vom Deutschen Mobilheim Verband e.V. ausgestellter „Mobilheimbrief“, der u. a. eine Fahrgestellnummer und die Maße des Hauses (8,35 m Länge, 3,10 m Breite, 2,98 m Höhe) sowie dessen Gewicht (4.250 kg) enthält. Es steht auf Holzbalken und ist an die Kanalisation und das Stromnetz angeschlossen. Im Pachtvertrag, der für zehn Jahre abgeschlossen wurde, verpflichtete sich die Klägerin unter anderem, den Verpächter bei einer Veräußerung des Hauses zu informieren, damit dieser entscheiden könne, mit wem er einen Pachtvertrag abschließt. Die Klägerin zog in das Haus ein und meldete dort ihren Wohnsitz an.

Das Finanzamt unterwarf den Vorgang der Grunderwerbsteuer und ging dabei von einer Bemessungsgrundlage i. H. v. 9.000 Euro (Kaufpreis abzgl. 1.000 Euro für Inventar) aus. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass es sich bei dem Mobilheim nicht um ein Gebäude handele, weil es keine feste Verbindung zum Grundstück aufweise. Zudem sei der Wert des Inventars höher anzusetzen, weil sie einen vorhandenen Zaun, eine Terrasse und Bepflanzung übernommen habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Vertrag über das Mobilheim unterliege – so der 8. Senat des Finanzgerichts Münster – der Grunderwerbsteuer.

Das Mobilheim sei zunächst als Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) anzusehen. Es weise die für die Gebäudeeigenschaft erforderliche feste Verbindung zur Grundfläche sowie die nötige Ortsfestigkeit und Beständigkeit auf. Aus dem Gewicht des Hauses (4.250 kg) und dessen Alter von fast 40 Jahren sei davon auszugehen, dass es nur mit großem Aufwand und nicht ohne Risiko einer Zerstörung transportiert werden könne. Zudem müsse vorher die Terrasse entfernt werden. Für eine ortsfeste Aufstellung spreche auch, dass es sich seit mindestens 30 Jahren an derselben Stelle befinde, an die Kanalisation sowie an das Stromnetz angeschlossen und umzäunt sei.

Der Senat ließ offen, ob es sich bei dem über das Mobilheim abgeschlossenen Vertrag um einen Kaufvertrag im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG oder um einen Vertrag im Sinne von § 1 Abs. 2 GrEStG handele, der die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis einräume. Wäre das Gebäude als Scheinbestandteil anzusehen, hätte die Klägerin zivilrechtliches Eigentum durch einen Kaufvertrag über ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden erworben. Anderenfalls wäre das Mobilheim zwar Grundstücksbestandteil, aber die Klägerin hätte durch den Vertrag eine eigentümerähnliche Stellung erlangt, denn der Verpächter beanspruche kein Eigentum am Gebäude und die Klägerin dürfe es abtransportieren.

Schließlich sei die Höhe der Bemessungsgrundlage im Hinblick auf den für das Inventar angesetzten Abzugsbetrag nicht zu beanstanden, da die Klägerin den Wert des Zaunes, der Terrasse und der Bepflanzung nicht konkretisiert habe.

(FG Münster, Mitteilung vom 15.07.2020 zu Urteil vom 18.06.2020 – 8 K 786/19)

Kein Zeugnisverweigerungsrecht volljähriger Kinder im Kindergeldprozess

Im Streitfall ging es darum, ob im Falle geschiedener Eltern der Vater oder die Mutter das Kindergeld für das gemeinsame Kind beanspruchen konnten. Der Vater hatte beantragt, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, weil das Kind nicht mehr bei der Mutter lebe und er den höheren Unterhaltsbeitrag leiste. Das Finanzgericht wies die Klage des Vaters mit der Begründung ab, das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Es stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Das FG verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.

Der BFH entschied, dass das Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat, weil sich die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt. Nach § 68 Absatz 1 S. 2 EStG haben volljährige Kinder in Kindergeldsachen umfassende Mitwirkungspflichten. Daher gilt der Grundsatz, dass Angehörige, also auch volljährige Kinder, nach § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 101 AO zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ausnahmsweise nicht im Kindergeldprozess. Volljährige Kinder sind dementsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltselemente, insbesondere – wie im Streitfall – auf die Haushaltszuordnung, also auf die Tatsachen, nach denen sich bestimmt, ob ein Kind noch dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 11 vom 05.03.2020 zu Urteil vom 18.9.2019 – III R 59/18)

Ermessensfehler bei Ablehnung einer Stundung

Die Ablehnung einer Stundung ist ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht (hier: Bezug von Leistungen zur Grundsicherung).

Der Umstand, dass ein Antragsteller im Kindergeldverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um die Stundungswürdigkeit des Antragstellers zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten.

Sachverhalt

Die als Arbeitnehmerin beschäftigte Klägerin hatte für ihre beiden Kinder S und T Kindergeld bezogen, das sie in Höhe eines Teilbetrages von 1.296 Euro zurückzahlen musste. Für die Rückforderung war der Inkasso-Service der Familienkasse zuständig, bei dem die Klägerin einen Stundungsantrag stellte. Der Inkasso-Service lehnte den Stundungsantrag ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Die beklagte Familienkasse war der Auffassung, dass die Rückforderung auf einer Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin beruhe. Sie habe nicht rechtzeitig das Ende der Ausbildung ihres Kindes S mitgeteilt. Daher sei es zur Überzahlung von Kindergeld gekommen. Die Klägerin habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Erlassbedürftigkeit sei auch nicht anzunehmen. Die Klägerin beziehe Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und sei durch die Pfändungsfreigrenzen geschützt. Ihr Existenzminimum sei gesichert und vor Vollstreckungseingriffen geschützt. Vorliegend könne im Rahmen einer Interessenabwägung weder eine Stundungswürdigkeit noch eine Stundungsbedürftigkeit angenommen werden.

Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Sie habe weder ihre Mitwirkungspflichten verletzt noch sei sie derzeit in der Lage, die Rückstände auf einmal oder in Raten zu begleichen. Derzeit müsse sie an fünf Gläubiger 375 Euro monatlich bezahlen sowie einen Dispo-Kredit mit monatlich 80 Euro zurückführen. Ab 1. Januar 2020 könne sie mit den bestehenden Gläubigern kleinere Ratenzahlungen vereinbaren. Bis dahin hätten sich ihre Schulden an diese verringert und sie könnte dann die Familienkasse bedienen.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht hob die Ablehnungsentscheidung über die Stundung auf und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Fehlerhafte Tatsachenannahmen führen zu einer Ermessensunterschreitung

Die Beklagte habe die gesetzlich gezogenen Grenzen ihres Ermessens bei ihrer Stundungsentscheidung nach § 222 der Abgabenordnung (AO) infolge einer Ermessensunterschreitung nicht eingehalten. Die Beklagte unterschreite ihr Ermessen, wenn sie von fehlerhaften Tatsachen ausgehe. Die Klägerin habe entgegen den Ausführungen der Beklagten keine Leistungen zur Grundsicherung bezogen. Infolgedessen sei eine Einziehung der Forderung möglich und könne eine erhebliche Härte für die Klägerin bedeuten. Die Einziehung könne dazu führen, dass die Klägerin die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen bis Ende 2019 nicht mehr erfüllen könne. Der Anspruch erscheine durch eine Stundung auch nicht dauerhaft gefährdet, da der Klägerin ab 1. Januar 2020 nach Tilgung anderweitiger Verbindlichkeiten Mittel zur Rückzahlung von Kindergeld zur Verfügung stehen würden.

Keine hinreichende Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck der Stundung

Berücksichtige die Beklagte diese Umstände im Einzelfall nicht, setze sie sich nicht hinreichend mit dem Sinn und Zweck der Norm § 222 AO auseinander. Eine Stundung diene dazu, den Einzug der Forderung zeitweilig, aber nicht dauerhaft hinauszuschieben. Im Streitfall liege kein Fall dauerhafter Zahlungsungsfähigkeit vor.

Prüfung der Stundungswürdigkeit und Stundungsbedürftigkeit auch bei einer möglichen Verletzung der Mitwirkungspflicht

Persönliche Stundungsgründe könnten vorliegen, da eine Stundung die wirtschaftliche Existenz der Klägerin ermöglichen könne. Die Beklagte stelle ausschließlich darauf ab, dass die Klägerin das Ausbildungsende des Kinds nicht rechtzeitig mitgeteilt habe und es dadurch zu einer Rückforderung gekommen sei, die sich anhand des geführten Schriftwechsels nachvollziehen lasse. Dies reiche jedoch nicht aus, um die Stundungswürdigkeit zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten. Im Streitfall komme hinzu, dass nach Aktenlage nicht ausgeschlossen sei, dass bei Mitteilung des Ausbildungsbeginns das Ausbildungsende erkennbar gewesen sei und infolgedessen die für die Festsetzung des Kindergelds zuständige Familienkasse schon früher nach dem Ausbildungsende hätte nachfragen können bzw. in Kenntnis des voraussichtlichen Endes Kindergeld möglicherweise zu Unrecht weiterbezahlt habe.

Das Urteil ist rechtskräftig.

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 23.01.2020 zu Urteil vom 18.09.2019 – 12 K 234/19)

Dauerüberzahlerbescheinigung darf auch auf mittelbaren Gläubiger ausgestellt sein

Grundsätzlich muss der Schuldner von Kapitalerträgen Kapitalertragsteuer einbehalten. Sind die Kapitalerträge beim Gläubiger Betriebseinnahmen und wäre die Kapitalertragsteuer aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher als seine gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer, ist der Steuerabzug nicht vorzunehmen. In diesem Fall kann der Gläubiger bei seinem Finanzamt eine Bescheinigung (sog. Dauerüberzahlerbescheinigung) beantragen und seinem Schuldner vorlegen (§ 44a Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 EStG).

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die Dauerüberzahlerbescheinigung auf die Namen der mittelbar über eine Personengesellschaft am Gläubiger der Kapitalerträge Beteiligten ausgestellt sein darf.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine GmbH & Co. KG ist. Hieran sind wiederum zwei Familienstiftungen beteiligt. Das für die beiden Stiftungen zuständige Finanzamt erteilte diesen auf Antrag Dauerüberzahlerbescheinigungen. Diese legten sie der Klägerin vor, die deshalb auf ihre Gewinnausschüttungen keine Kapitalertragsteuer einbehielt und abführte.
Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin einen Nachforderungsbescheid über die nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer. Die vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen erkannte es dabei nicht an, weil die beiden Stiftungen nicht Gläubiger der Kapitalerträge seien. Dies sei nach dem gebotenen zivilrechtlichen Verständnis vielmehr allein die GmbH & Co. KG.
Das Finanzgericht Münster hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den Kapitalertragsteuerabzug aufgrund der vorgelegten Dauerüberzahlerbescheinigungen unterlassen dürfen. Der Begriff des Gläubigers der Kapitalerträge im Sinne von § 44a Abs. 5 EStG sei nicht zivilrechtlich, sondern spezifisch steuerrechtlich auszulegen. Es komme nicht darauf an, wem zivilrechtlich der Kapitalertrag zustehe, sondern wer im steuerrechtlichen Sinne Einkünfte erzielt und zu wessen Lasten die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen sei. Bei Personengesellschaften seien dies die an ihr beteiligten Mitunternehmer.
Hierfür spreche auch, dass sich die Norm auf die gesamte festzusetzende Einkommen- oder Körperschaftsteuer bezieht. Diese Voraussetzung wäre auf Personengesellschaften nicht anwendbar, da diese nicht einkommensteuerpflichtig seien.
Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wonach ein dauernder Zinsnachteil von Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Geschäfte auf Dauer weniger Steuer zu zahlen hätten, als ihnen in Gestalt des Zinsabschlags auf die Wertpapiererträge als Vorauszahlungen abgezogen wird, vermieden werden solle.
Soweit das Gesetz in § 44a Abs. 4a und 8a EStG Sonderregelungen für Personengesellschaften enthalte, stehe dies dem Ergebnis nicht entgegen. Diese Vorschriften fingierten den Eintritt einer Personengesellschaft in die Position des Gläubigers, was überflüssig wäre, wenn Personengesellschaften ohnehin als Gläubiger von Kapitalerträgen im Sinne von § 44a EStG verstanden würden.
(FG Münster, Mitteilung vom 15.01.2020 zu Urteil vom 27.11.2019 – 13 K 2902/19)