Zur Berücksichtigung von AfA bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer im Ausland belegenen Immobilie

Zu den ausschüttungsgleichen Erträgen eines inländischen Spezial-Sondervermögens gehören u.a. Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 EStG, auch wenn diese aus einem ausländischen Staat stammen.

Liegt ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 InvStG vor und gehört der Gewinn aus der Veräußerung der im Ausland belegenen Immobilie nicht zu den gemäß DBA freizustellenden Einkünften, erfolgt die Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 EStG.

Wurden bei der Ermittlung der zunächst erzielten, gemäß DBA freigestellten Einkünfte aus der Vermietung der ausländischen Immobilie deutsche AfA abgezogen, führt dies im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Immobilie nicht notwendig zu einer Minderung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG. Eine solche Minderung unterbleibt, wenn zwar die Ermittlung der nach DBA freigestellten Vermietungseinkünfte unter Abzug der deutschen AfA erfolgt ist, die Einkünfte aber weder für die Ermittlung der Einkünfte der Anleger des Fonds als Steuersatzbemessungsgrundlage relevant waren, noch in die körperschaftsteuerliche Ermittlung des Einkommens der Fondsanleger Eingang gefunden haben.

(BFH, Urteil vom 14.7.2020 – VIII R 37/16)

Keine Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit

Die Abgabe der Einkommensteuererklärung durch Datenfernübertragung ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen. Das hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden.

Der Kläger war seit 2006 selbständiger Physiotherapeut. Mitarbeiter und Praxis-/ Büroräume hatte er nicht, ebenso wenig einen Internetzugang.

Bis einschließlich 2016 veranlagte das Finanzamt (FA) den Kläger auf der Grundlage der handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke zur Einkommensteuer. Für das Streitjahr 2017 forderte es den Kläger mehrfach erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und setzte daraufhin ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest. Den Antrag des Klägers, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, lehnte das FA ab.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten, und hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf. Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück.

Gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG muss die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Da der Kläger im Streitjahr nur 14.534 € aus seiner selbständigen Arbeit erzielt hatte, ging der BFH von einer einem Kleinstbetrieb vergleichbaren Situation aus. Die elektronische Erklärungsabgabe konnte daher nicht rechtmäßig angeordnet werden und so auch das Zwangsgeld zu ihrer Durchsetzung keinen Bestand haben.

(BFH, Pressemitteilung vom 12.11.2020 zu Urteil vom 16.6.2020 – VIII R 29/19)

Preisnachlässe, die Außendienstmitarbeitern einer Krankenkasse beim Autokauf gewährt werden, sind nicht lohnsteuerpflichtig

Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass Rabatte, die Außendienstmitarbeiter einer Krankenkasse beim Autokauf von Autoherstellern erhalten, nicht als Arbeitslohn versteuert werden müssen.

Die Klägerin ist eine Krankenversicherung, bei der zahlreiche Außendienstmitarbeiter angestellt sind. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass die Krankenkasse bei verschiedenen Autoherstellern als Großkunde Rabatte erhielt, die durch Zusatzvereinbarungen auf Pkw-Käufe von oder für ihre Außendienstmitarbeiter ausgeweitet wurden. Die Rabatte wurden von einigen Herstellern nur unter bestimmten Bedingungen eingeräumt (z. B. Einhaltung einer bestimmten Haltedauer, Untergrenze der dienstlichen Nutzung usw.), bei deren Nichteinhaltung die Rabatte zurückzuzahlen waren.

Die Versicherung wollte für den Rabattvorteil keine Lohnsteuer anmelden und abführen, weil sie die Auffassung vertrat, dass die Vergünstigung nicht aus dem Arbeitsverhältnis stamme. Die Kfz-Händler hätten sich vielmehr aus eigenen wirtschaftlichen Gründen einen zusätzlichen attraktiven Kundenkreis gesichert. Das beklagte Finanzamt hingegen qualifizierte die Rabatte als Zuwendung eines Dritten, die durch das Dienstverhältnis veranlasst und daher Arbeitslohn sei.

Die Klage der Krankenversicherung hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt die Rabatte der Autohersteller zu Unrecht der Lohnsteuer unterworfen habe, weil sie keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellten. In der Rabattgewährung der verschiedenen Autohersteller an die Außendienstmitarbeiter der Klägerin liege kein steuerpflichtiger Arbeitslohn durch einen Dritten vor, weil die Preisnachlässe unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles nicht durch das mit der Klägerin bestehende Dienstverhältnis veranlasst gewesen seien. Dass die Außendienstmitarbeiter verpflichtet gewesen seien, die Fahrzeuge in einem bestimmten Umfang dienstlich zu nutzen, spreche zwar für ein gewisses Interesse der Klägerin an der Rabattgewährung. Dieses Interesse der Klägerin werde aber bei wertender Betrachtung der Gesamtumstände vom eigenwirtschaftlichen Interesse der Automobilhersteller überlagert. Denn im normalen Geschäftsverkehr würden auch anderen Großkunden und – insbesondere bei Sonderaktionen – auch vielen Endverbrauchern Sonderkonditionen eingeräumt, was erkennen lasse, dass die Preisnachlässe der Automobilhersteller in erster Linie ihrem eigenwirtschaftlichen Interesse dienten. Auch im vorliegenden Fall sei es den Automobilherstellern bei der Einräumung der Rabatte für Außendienstmitarbeiter der Klägerin ersichtlich vor allem darum gegangen, ihren Umsatz zu steigern und den für sie attraktiven Kundenstamm von Außendienstmitarbeitern, die zu den sog. Vielfahrern gehörten, an sich zu binden.

Die Außendienstmitarbeiter hätten auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf den im Rahmenvertrag zugestandenen Rabatt beim Neuwagenkauf gehabt.

(FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 11.11.2020 zu Urteil vom 09.09.2020 – 2 K 1690/18; nrkr)

Keine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG für Honorarzahlungen an Pflegeeltern bei Zwischenschaltung eines freien Trägers der Jugendhilfe

Der 12. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hat die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern (§ 3 Nr. 11 EStG) abgelehnt, wenn Pflegeeltern ihr Honorar von einem kommerziellen privaten Träger der freien Jugendhilfe aufgrund einer separaten Honorarvereinbarung erhalten.

Die Klägerin betreute im Jahr 2016 in ihrem Haushalt ein minderjähriges Kind in Vollzeitpflege. Mit der Pflege des Kindes war nicht die Klägerin selbst, sondern ein freier Träger der Jugendhilfe (eine GmbH) von der zuständigen Kommune beauftragt worden. Diese GmbH übernimmt die Betreuung von Pflegekindern und erhält hierfür von der Kommune eine Vergütung. Die Pflegekinder werden in professionellen Betreuungsfamilien betreut. die jeweiligen Pflegepersonen werden für die GmbH freiberuflich auf Honorarbasis tätig. Die Höhe ihrer Vergütung wird separat zwischen der GmbH und der Pflegeperson ausgehandelt und muss vom Jugendamt nicht genehmigt werden.

Die Klägerin hatte mit der GmbH eine entsprechende Vereinbarung über die Betreuung des Kindes geschlossen. Vom Jugendamt waren der Klägerin keine Pflegeleistungen bewilligt worden. Sie war der Meinung, dass die Honorarzahlungen dennoch steuerfrei seien, weil ihr Honorar letztlich vom Jugendamt und damit aus öffentlichen Mitteln finanziert werde.

Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 22.10.2018 (Bundessteuerblatt Teil I 2018, 1109) ab.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin könne die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen. Sie habe ihr Honorar nicht aus öffentlichen Mitteln erhalten, sondern sei vereinbarungsgemäß von der GmbH bezahlt worden. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Verwaltungsauffassung berufen, wonach die Steuerbefreiung auch bei einer Zwischenschaltung eines Trägers der freien Jugendhilfe gelten könne. Denn die GmbH habe keine öffentlichen Pflegeleistungen an sie weitergeleitet.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil vom 28.03.2019 war erfolgreich; das Revisionsverfahren ist unter dem Az. VIII R 37/19 beim BFH anhängig.

(FG Düsseldorf, Mitteilung vom 10.11.2020 zu Urteil vom 28.03.2019 – 12 K 3393/18; BFH-Az.: VIII R 37/19)

Geleistete Anzahlungen gehören nicht zum Verwaltungsvermögen

Geleistete Anzahlungen wirken sich nicht schädlich auf die Berechnung der Verwaltungsvermögensquote aus. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster gegen die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 (BStBl I 2013 S. 1272, Tz 2.1) entschieden.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gesellschafter seinem Sohn im Jahr 2013 einen Teilgesellschaftsanteil schenkte. Zum Gesellschaftsvermögen gehörten u. a. Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften. Eine dieser Gesellschaften hatte zum Bewertungsstichtag Anzahlungen in Höhe von ca. 3,8 Mio. Euro geleistet, die zum größten Teil auf einen Verwaltungsneubau entfielen. Das Finanzamt bezog diese Anzahlungen in die Ermittlung des Verwaltungsvermögens ein und berechnete die Quote danach mit 17,76 %. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass nur auf Geld gerichtete Forderungen einzubeziehen seien, nicht jedoch geleistete Anzahlungen. Die Quote betrage daher lediglich ca. 4,5 %.

Die Klage hatte Erfolg. Die geleisteten Anzahlungen seien – so der 3. Senat des Finanzgerichts Münster – nicht als schädliches Verwaltungsvermögen zu behandeln. Sie stellten keine „anderen Forderungen“ im Sinne von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG in der für 2013 gültigen Fassung dar. Hierunter fielen nur auf Geld gerichtete Forderungen, wofür der Vergleich mit den übrigen in der Norm genannten Vermögensposten (Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen), die ebenfalls auf Geld gerichtet seien, spreche. Dieses Ergebnis werde auch durch die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Gesetzes gestützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten insbesondere sog. Cash-Gesellschaften verhindert werden, bei denen nicht begünstigte Finanzmittel auf die betriebliche Ebene einer Gesellschaft verschoben würden. Geleistete Anzahlungen verkörperten dagegen Sachleistungsansprüche und seien damit keine auf Geld gerichteten Forderungen. Dass der andere Vertragspartner die Anzahlungen im Fall der Nichterfüllung seiner vertraglichen Pflichten ggf. zurückzahlen muss, sei aufgrund des für die Schenkungsteuer maßgeblichen Stichtagsprinzips nicht zu berücksichtigen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Münster, Pressemitteilung vom 16.11.2020 zu Urteil vom 22.10.2020 – 3 K 2699/17)

Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Umgangsrechtsstreit können nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden

Zivilprozesskosten sind auch dann vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, wenn sie für einen Umgangsrechtsstreit zwecks Rückführung eines entführten Kindes aus dem Ausland zurück nach Deutschland entstanden sind. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Die Tochter des Klägers wurde kurz nach der Geburt von der Mutter in deren Heimatland in Südamerika verbracht. Der Kläger versuchte – vergeblich -, die Tochter mittels des Verfahrens zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung nach Deutschland zurückzuholen. Die dafür bisher entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten von über 20.000 Euro machte er als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf die entgegenstehende Rechtslage ab.

Anders als zuvor das FG bestätigte der BFH die Rechtsauffassung des Finanzamts. Für Prozess-kosten gelte ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein grundsätzliches Abzugsverbot (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Nur wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, sei ein Abzug der Prozesskosen (ausnahmsweise) zulässig. Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes sei aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Durch die Kindesentführung sei ungeachtet der besonderen emotionalen und auch finanziellen Belastung für den Kläger allein dessen immaterielle Existenzgrundlage betroffen. Es sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (auch) in einem immateriellen Sinne zu deuten. Der BFH bestätigte damit seine bisherige strenge Auffassung, der das FG mit einem sog. Rüttelurteil entgegengetreten war.

(BFH, Pressemitteilung vom 05.11.2020 zu Urteil vom 13.08.2020 – VI R 15/18)

Wertzuwächse aus der Beteiligung unterliegen nicht bereits bei Wegzug der inländischen Einkommensteuer

Zieht ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Schweizer Kapitalgesellschaft von Deutschland in die Schweiz, unterliegen seine Wertzuwächse aus der Beteiligung nicht bereits bei Wegzug der inländischen Einkommensteuer.

So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) mit Gerichtsbescheid nach einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 14. Juni 2017 (Az. 2 K 2413/15) und dem Urteil des EuGHs vom 26. Februar 2019 (Az. C-581/17). Das FG setzte die Einkommensteuer mit 0 Euro fest und ließ die Revision zu. Diese ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 35/20 anhängig.

Der verheiratete Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit ist zu 50 % an einer Kapitalgesellschaft in der Schweiz beteiligt und deren Geschäftsführer. Im Streitjahr 2011 mietete er eine Wohnung in der Schweiz an. Seine Ehefrau wohnte weiterhin in Deutschland. Der Kläger beantragte die Einzelveranlagung und erklärte in seiner Einkommensteuererklärung, als Grenzgänger nicht im Inland der Besteuerung zu unterliegen. Das beklagte Finanzamt (FA) gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger habe infolge seines Wegzugs in die Schweiz einen Veräußerungsgewinn zu versteuern (sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) i. V. m. § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG), jeweils in der im Streitzeitraum gültigen Fassung). Das FA setzte Einkommensteuer fest. Hiergegen wendet sich der Kläger. Die Besteuerung und sofortige Erhebung der Steuer verstoße gegen das sog. Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz (FZA). Während des Rechtsbehelfsverfahrens änderte das Finanzamt die Steuerhöhe zugunsten des Klägers. Dieser bezahlte die Einkommensteuer „vorläufig“.

Das FG entschied, das Finanzamt habe zu Unrecht die Wegzugsbesteuerung ohne Aufschub der Zahlung der geschuldeten Steuer vorgenommen. Eine Wegzugsbesteuerung ohne Zahlungsaufschub der geschuldeten Einkommensteuer verletze das Recht des Klägers auf Gleichbehandlung sowie sein Niederlassungsrecht nach dem FZA. Der Tenor des für den Senat „unmittelbar verbindlichen Urteils“ des EuGHs sei im „Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen“. Das FZA sei Bestandteil der Gemeinschaftsordnung und anwendbar. Im Falle einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Rechtsvorschrift bewirke es deren Nichtanwendbarkeit.

Der Anwendungsbereich des FZA sei eröffnet. Der Kläger sei Selbständiger im Sinne des FZA und könne sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sei im Streitfall verletzt. Der Kläger habe sein Recht auf Niederlassung in der Schweiz ausgeübt und erleide infolge des Wegzugs einen steuerlichen Nachteil. Er müsse Einkommensteuer auf den Wertzuwachs seiner Beteiligung bereits bei Wegzug zahlen. Dies führe zu einem Liquiditätsnachteil. Ein solcher sei geeignet, einen Steuerpflichtigen davon abzuhalten, von seinem Niederlassungsrecht gemäß FZA tatsächlich Gebrauch zu machen.

Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Im Streitfall sei zwar die Bestimmung der Steuer im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes in die Schweiz eine geeignete Maßnahme, „um die Erreichung des Ziels in Bezug auf die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen der Schweiz und Deutschland sicherzustellen.“ Dieses Ziel sei jedoch keine Rechtfertigung dafür, „dass ein Aufschub der Zahlung der geschuldeten Steuer unmöglich“ sei. Eine Stundung stelle keinen Verzicht auf die Befugnis der Besteuerung der Wertzuwächse dar. Ein fehlender Zahlungsaufschub gehe auch über das hinaus, was zur Erreichung einer wirksamen steuerlichen Kontrolle nötig sei. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz sehe einen Austausch von Steuerinformationen zwischen den Vertragsstaaten vor. Deutschland könne die notwendigen Informationen über die Veräußerung der Gesellschaftsanteile erhalten. Außerdem bestehe die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung, da es mit der Schweiz keine Mechanismen der gegenseitigen Unterstützung bei der Beitreibung von Steuerforderungen gebe.

Im Streitfall sei „nicht erst das Leistungsgebot im Einkommensteuerbescheid für 2011 rechtswidrig“, sondern bereits die Steuerfestsetzung. Der EuGH beurteile das „Steuersystem“. Ein solches sei ein Gebilde, das aus mehreren Komponenten bestehe. § 6 AStG enthalte Komponenten der Festsetzung und der Erhebung. Danach bestehe die Möglichkeit, von der sofortigen Erhebung der Steuer im Falle erheblicher Härten und bei einem Wegzug in das EU-/EWR-Ausland abzusehen, jedoch nicht bei einem Wegzug in die Schweiz. Insoweit gelte § 36 Absatz 4 Satz 1 EStG, wonach die fällige Einkommensteuer sofort zu zahlen sei. Eine zinslose Stundung von Amts wegen sehe weder das AStG noch das EStG oder ein anderes Gesetz vor. Infolgedessen werde das nationale Recht den Bestimmungen des FZA nicht gerecht.

(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 03.11.2020 zu Gerichtsbescheid vom 31.08.2020 – 2 K 835/19; BFH-Az. I R 35/20)

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Techno- und House-Konzerte

Eintrittserlöse für Techno- und House-Konzerte sind als Erlöse aus „Konzerten vergleichbare(n) Darbietungen ausübender Künstler“ steuersatzermäßigt, wenn die Musikaufführungen aus der Sicht eines „Durchschnittsbesuchers“ den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen. So entschied der Bundesfinanzhof (BFH).

Bei den jeweils in mehreren Räumen eines stillgelegten Gebäudeareals veranstalteten Konzerten boten sowohl regional tätige als auch international renommierte DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (u.a. Techno, House) dar. Im Rahmen der Veranstaltungen wurden auch (gesondert berechnete) Getränke verkauft; der daraus erzielte Erlös überstieg die Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich. Das Finanzgericht (FG) lehnte die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Umsätze aus den Eintrittskarten ab, da nicht die Musikaufführungen im Vordergrund der Veranstaltung stünden, sondern der Party- oder Tanzcharakter überwiege.

Die Revision vor dem BFH hatte Erfolg, da die Würdigung der Indizien für die Abgrenzung von einer Konzert zu einer (nicht begünstigten) Tanzveranstaltung nicht rechtsfehlerfrei erfolgt war. Denn insbesondere die Regelmäßigkeit einer Veranstaltung ist kein geeignetes Kriterium für diese Abgrenzungsentscheidung; auch das Wertverhältnis der Umsätze von Eintrittskarten und Getränken kann keine ausschlaggebende Rolle spielen. Schließlich hatte das FG auch nicht dargelegt, weshalb es seiner Auffassung nach ungewiss bleibe, ob die Auftritte der jeweiligen DJs das ausschlaggebende Motiv für den „Durchschnittsbesucher“ bilden, obwohl es diese Auftritte durchaus für geeignet hielt, Besucher anzuziehen, die 2,5 bis 3 Stunden dauernden Auftritte zwischen 1 und 4 Uhr stattfanden und mit dem Ende des Auftritts auch das Veranstaltungsende nahe war. Im zweiten Rechtsgang wird das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu darüber zu befinden haben, ob die Auftritte der DJs den eigentlichen Zweck der Veranstaltung bilden und ihr somit das Gepräge geben.

(BFH, Pressemitteilung vom 29.10.2020 zu Urteil vom 10.6.2020 – V R 16/17)

Arbeitslohn: Zahlung von Verwarnungsgeldern

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Zahlung eines Verwarnungsgeldes durch den Arbeitgeber nicht zu Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führt, der die Ordnungswidrigkeit (Parkverstoß) begangen hat.

Die Klägerin betrieb einen Paketzustelldienst im gesamten Bundesgebiet. Soweit sie in Innenstädten bei den zuständigen Behörden keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrs-Ordnung erhalten konnte, die ein kurzfristiges Halten zum Be- und Entladen in ansonsten nicht freigegebenen Bereichen (z.B. Halteverbots- oder Fußgängerzonen) unter bestimmten Auflagen ermöglicht hätte, nahm sie es hin, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig anhielten. Wenn für diese Ordnungswidrigkeit Verwarnungsgelder erhoben wurden, zahlte die Klägerin diese als Halterin der Fahrzeuge.

Das Finanzamt (FA) war unter Verweis auf ein früheres BFH-Urteil der Ansicht, es handele sich hierbei um Arbeitslohn. Das Finanzgericht (FG) gab demgegenüber der Klägerin Recht. Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Er bestätigte das FG zunächst darin, dass im Streitfall die Zahlung der Verwarnungsgelder auf eine eigene Schuld der Klägerin erfolgt ist und daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen kann, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG aber noch zu prüfen, ob den Fahrern, die einen Parkverstoß begangen hatten, nicht dadurch ein geldwerter Vorteil und damit Arbeitslohn zugeflossen ist, weil die Klägerin ihnen gegenüber einen Regressanspruch hatte, auf den sie verzichtet hat. Dass es sich bei den zugrundeliegenden Parkverstößen um Ordnungswidrigkeiten im absoluten Bagatellbereich handelt, spielt nach dem BFH für die Beurteilung, ob Arbeitslohn vorliegt, keine Rolle.

(BFH, Pressemitteilung vom 29.10.2020 zu Urteil vom 13.8.2020 – VI R 1/17)

Urenkel sind keine Enkel – auch nicht in der Schenkungsteuer

Urenkeln steht für eine Schenkung jedenfalls dann lediglich der Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro zu, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Eilverfahren entschieden.

Eine Urgroßmutter schenkte ihren beiden Urenkeln eine Immobilie. Ihre Tochter (die Großmutter der Urenkel) erhielt hieran einen Nießbrauch. Die Urenkel machten die Freibeträge von 200.000 Euro für „Kinder der Kinder“ geltend, während das Finanzamt und auch das Finanzgericht ihnen lediglich Freibeträge von 100.000 Euro zubilligten, die das Gesetz für „Abkömmlinge der Kinder“ vorsieht.

Der BFH ist der restriktiven Sichtweise gefolgt. Das Gesetz differenziert zwischen Kindern und Abkömmlingen. Also sind Kinder lediglich Kinder und nicht sonstige Abkömmlinge und daher sind Kinder der Kinder lediglich Enkelkinder. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz differenziert die steuerliche Belastung zum einen über Steuerklassen, zum anderen über Freibeträge. Abkömmlinge in gerader Linie gehören zwar unterschiedslos zu der günstigsten Steuerklasse I, genießen aber gestaffelte Freibeträge. Kinder (und Stiefkinder) erhalten einen Freibetrag von 400.000 Euro. Dasselbe gilt für Kinder bereits verstorbener Kinder. Sonst bekommen Kinder der Kinder einen Freibetrag von 200.000 Euro, die übrigen Personen der Steuerklasse I einen Freibetrag von 100.000 Euro. Zu diesen übrigen Personen gehören folglich die entfernteren Abkömmlinge.

(BFH, Pressemitteilung vom 22.102020 zu Beschluss vom 27.7.2020 – II B 39/20)