DStV: Knappe Fristen bei der Grundsteuer-Reform erhöhen Druck auf Kanzleien weiter!

Das Grundsteuer-Reformgesetz war noch vor Corona-Zeiten in Sack und Tüten. Doch nur wenige Wochen später war die Welt eine andere. Seither hecheln kleine und mittlere Kanzleien den Fristen des Gesetzgebers nur so hinterher. Die Bearbeitung der Corona-Hilfen hat Vorrang. Nun drückt der Schuh bald an einer weiteren Stelle: Die Fristen für die Grundsteuer-Erklärungen sind knapp bemessen.

Auf das Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019 folgen nun die BMF-Anweisungen zur Anwendung des neuen Bewertungsrechts. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat sich die Entwürfe angeschaut. In seiner Stellungnahme S 06/21 zur Umsetzung der Grundsteuerreform richtet er sein Hauptaugenmerk auf die knappen Fristsetzungen.

Dem Vernehmen nach plant die Finanzverwaltung, dass die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte zum ersten Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 ab Mitte 2022 abgegeben werden müssen. Das Gesetz eröffnet der Finanzverwaltung die Möglichkeit, eine Abgabefrist von mindestens einem Monat festzusetzen. Damit fällt die Bearbeitung der Grundsteuer-Erklärungen unmittelbar mit den Arbeiten zu den Corona-Schlussrechnungen im Jahr 2022 zusammen. Zwei Mammutprojekte, die in den Kanzleien nicht nur gleichzeitig, sondern zudem parallel zum laufenden Tagesgeschäft realisiert werden müssen.

Auch bei der Abgabe der Anzeige bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dürfte es eng werden. Die Anzeige ist auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres abzugeben. Steuerpflichtige und deren steuerliche Berater haben zur Abgabe einen Monat Zeit. Damit fällt die Anzeige in eine überaus arbeitsintensive Zeit. Regelmäßig haben die Kanzleien zum Jahreswechsel bereits mit Steuererklärungen, Jahresabschlüssen und den Abschlüssen der Lohnbuchhaltung alle Hände voll zu tun.

Der DStV fordert daher dringend längere Fristen, insbesondere für die

Umsatzsteuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass der für Länder und Kommunen erfolgende Betrieb von Flüchtlingsunterkünften durch eine GmbH von der Umsatzsteuer befreit ist; dasselbe gilt für den Betrieb einer kommunalen Obdachlosenunterkunft.

Im Streitfall bewirtschaftete die Klägerin, eine GmbH, eine Vielzahl von Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose. Dabei handelte es sich sowohl um Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge in kommunaler Trägerschaft als auch um Erstaufnahmeeinrichtungen verschiedener Bundesländer sowie um eine städtische Obdachlosenunterkunft. In der Regel verantwortete die Klägerin insbesondere die Ausstattung der jeweiligen Unterkunft, deren Reinigung und personelle Besetzung sowie die soziale Betreuung der untergebrachten Personen. Das Finanzamt behandelte die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte als umsatzsteuerpflichtig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Der dagegen eingelegten Revision gab der BFH statt. Die Klägerin könne sich auf eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem berufen. Nach dieser Bestimmung sind u.a. eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen von der Steuer befreit, wenn sie von Einrichtungen bewirkt werden, die der betreffende Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt hat.

Dies war vorliegend der Fall. Die Klägerin ist als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt, insbesondere weil die Übernahme des Betriebs von Flüchtlingsunterkünften durch private Dritte in verschiedenen Bundesländern durch spezifische Vorschriften geregelt ist. Dabei ist unerheblich, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen und Obdachlosen, sondern gegenüber den Trägern der Unterkünfte (Länder und Kommunen) erbracht hat. Weiter handelt es sich bei dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge und Obdachlosen auch unerlässlich sind, da die in den Unterkünften aufgenommenen Menschen wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Sie gehören damit zu dem anerkanntermaßen begünstigten Personenkreis. Demgegenüber ist insbesondere die asylrechtliche Funktion der Flüchtlingsunterkünfte und der mit einer Obdachlosenunterkunft verfolgte Zweck der Gefahrenabwehr für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich.

Da die Klägerin neben dem Betrieb der Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte weitere Umsätze tätigte und hierzu hinreichende Feststellungen des FG fehlten, konnte der BFH über die Klage nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache an das FG zurück.

BFH, Pressemitteilung vom 26.08.2021 zu Urteil vom 24.03.2021, V R 1/19

Keine Wiedereinsetzung bei krankheitsbedingter Überlastung ohne Bemühen um einen Vertreter

Eine Erkrankung ist nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie plötzlich aufgetreten ist, mit ihr nicht gerechnet werden musste und sie so schwerwiegend war, dass weder die Wahrung der laufenden Fristen noch die Bestellung eines Dritten, der sich um die Fristwahrung kümmern konnte, möglich war.

Das geht aus einem aktuell veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) hervor, der dazu weiter erklärt:

Ein berufsmäßiger Prozessbevollmächtigter, der infolge der Nachwirkungen einer schweren Erkrankung nur eingeschränkt arbeitsfähig und daher nicht in der Lage ist, sämtliche kurzfristig anfallenden fristgebundenen Angelegenheiten gleichzeitig zu erledigen, muss sich auch außerhalb seiner Kanzlei um einen Vertreter bemühen, der die fristgebundenen Angelegenheiten übernehmen kann.

BFH, Beschluss vom 21.07.2021, X B 126/20

Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Mahlzeitengestellung gilt auch für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Verpflegungspauschalen im Fall einer Mahlzeitengestellung auch dann zu kürzen sind, wenn der Steuerpflichtige nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Der Kläger war als Offizier auf See an Bord von Schiffen tätig. Dort erhielt er seine Mahlzeiten unentgeltlich. In den Heuerabrechnungen wurden sie als steuerfreier Sachbezug behandelt. An einzelnen „Hafentagen“ blieb die Bordküche jedoch kalt, so dass sich der Kläger selbst versorgen musste. Den trotz der unentgeltlichen Gestellung der Mahlzeiten geltend gemachten Abzug der Verpflegungspauschale für alle Tage an Bord des Schiffes lehnte das Finanzamt ab. Das Finanzgericht ließ den Abzug der Verpflegungspauschale für die Tage der Selbstversorgung zu, für die übrigen Tage lehnte es den Werbungskostenabzug ab.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Das Gesetz enthalte eine umfassende Verweisung auf die entsprechenden Regeln für Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte. Es ordne insoweit eine Gleichstellung beider Gruppen an.

Arbeitnehmer, die außerhalb ihrer Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig sind (auswärtige berufliche Tätigkeit), können zur Abgeltung tatsächlich entstandener, beruflich veranlasster Mehraufwendungen nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschalen abziehen. Diese sind allerdings zu kürzen, wenn vom Arbeitgeber Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Werden sämtliche Mahlzeiten gestellt, entfällt der Abzug der Verpflegungspauschalen vollständig. Auf der anderen Seite muss der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil –hier in Form der Mahlzeitengestellung– nicht lohnversteuern. Für Arbeitnehmer, die –wie der Kläger– nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügen, ordnet das Gesetz eine entsprechende Handhabung an. Während der Kläger meinte, der gesetzliche Verweis umfasse die Kürzung der Verpflegungspauschalen bei unentgeltlicher Mahlzeitengestellung nicht, sah der BFH die Verweisung als umfassend an. Daher gelte die Kürzung der Verpflegungspauschalen im Fall der Mahlzeitengestellung auch für solche Arbeitnehmer, die –wie der Kläger– nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügten. Nur diese nach Wortlaut, Systematik und erkennbarem Willen des Gesetzgebers gebotene Gesetzesauslegung stelle sicher, dass Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte gegenüber solchen mit erster Tätigkeitsstätte nicht systemwidrig begünstigt würden. Entsprechend bestätigte der BFH die Steuerfreiheit der Mahlzeitengestellung.

Mit Urteil vom 07.07.2020 – VI R 16/18 hatte der BFH in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass dem Steuerpflichtigen dem Grunde nach zustehende Verpflegungspauschalen auch bei Nichteinnahme der zur Verfügung gestellten Mahlzeiten zu kürzen sind.

BFH, Pressemitteilung vom 02.09.2021 zu Urteil vom 12.07.2021, VI R 27/19

Dividenden: Steuerfreie Ausschüttungen einer Luxemburger Investment-Gesellschaft

Kapitalgesellschaften, die zu mindestens 25 % an einer Luxemburger Investment-Gesellschaft in der Rechtsform der Société d’investissement à capital variable (SICAV) beteiligt sind, müssen die von dieser im Jahr 2010 erhaltenen Ausschüttungen (Dividenden) in Deutschland nicht versteuern. Dies gilt selbst dann, wenn der Luxemburger Fiskus von dem ihm zustehenden Quellenbesteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht und die Ausschüttungen unversteuert gelassen hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Im Streitfall hatte die Klägerin, eine deutsche GmbH, nahezu alle Anteile einer Luxemburger SICAV gehalten. Bei der SICAV handelt es sich um eine besondere Form der Aktiengesellschaft, die mit der deutschen Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital vergleichbar ist. In dem im Streitjahr 2010 zwischen Deutschland und Luxemburg geltenden Abkommen zur Vermeidung der doppelten Besteuerung (DBA) aus dem Jahr 1958 war geregelt, dass Dividenden, die eine Kapitalgesellschaft über die Grenze an eine andere Kapitalgesellschaft leistet, im Empfängerstaat steuerfrei sind, wenn die Beteiligung mindestens 25 % beträgt (sog. abkommensrechtliches Schachtelprivileg). Dem Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, stand das Recht zur Besteuerung der Dividende „an der Quelle“ zu. Von diesem Quellenbesteuerungsrecht hat Luxemburg im Fall der SICAV allerdings keinen Gebrauch gemacht.

Während die Klägerin die von der SICAV im Jahr 2010 bezogenen Ausschüttungen als steuerfrei ansah, hielt das Finanzamt das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nicht für einschlägig. Zu Unrecht, wie der BFH jetzt entschieden hat. Dass Luxemburg von dem ihm in Bezug auf die Ausschüttungen der SICAV zustehenden Besteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe, ändere nichts an dem im DBA vereinbarten Verzicht Deutschlands auf sein Besteuerungsrecht.

Die Entscheidung des BFH ist zur Rechtslage des Jahres 2010 ergangen. Inzwischen haben Deutschland und Luxemburg ein neues DBA abgeschlossen, das seit dem Jahr 2014 in Kraft ist. Dieses neue Abkommen enthält eine sog. Rückfallklausel, nach der nur diejenigen aus Luxemburg stammenden Einkünfte in Deutschland steuerfrei sind, die in Luxemburg tatsächlich besteuert werden.

BFH, Pressemitteilung vom 02.09.2021 zu Urteil vom 15.03.2021, I R 61/17

Steuerermäßigungen: Begünstigung von Maßnahmen der öffentlichen Hand

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH zur Begünstigung von haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand, die nach öffentlich-rechtlichen Kriterien abgerechnet werden (z. B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2018, VI R 18/16, BStBl II S. 641), wird im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder das BMF-Schreiben vom 9. November 2016 (BStBl I S. 1213) zur Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a EStG) wie folgt geändert:

  • Rdnr. 2 wird um folgenden Absatz ergänzt: „Für Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand, die nicht nur einzelnen Haushalten, sondern allen an den Maßnahmen der öffentlichen Hand beteiligten Haushalten zugutekommen, ist eine Begünstigung nach § 35a EStG ausgeschlossen (z. B. Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes oder Erschließung einer Straße). Insoweit fehlt es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang der Handwerkerleistungen mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers (BFH-Urteil vom 21. Februar 2018, BStBl II S. 641).“

  • In Rdnr. 22 wird Satz 3 gestrichen.

  • In der Anlage 1 „Beispielhafte Aufzählung begünstigter und nicht begünstigter haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen“ werden jeweils das Beispiel „Straßenreinigung“ und das Beispiel „Winterdienst“ wie folgt neu gefasst:

Maßnahme begünstigt nicht begünstigt Haushaltsnahe Dienstleistung Handwerkerleistung
Straßenreinigung
– Fahrbahn X
– Gehweg X X
Winterdienst
– Fahrbahn X
– Gehweg X X

Die Regelungen dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Dokument auf der Internetseite des BMF (PDF)

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 8 – S-2296-b / 21 / 10002 :001 vom 01.09.2021

Umsatzsteuer: Lokale Meldung für Retouren trotz OSS-Verfahren?

Teilnehmende am One-Stop-Shop-Verfahren sind verunsichert, wie sie umsatzsteuerlich mit Retouren und ähnlichen Sachverhalten von im ersten Halbjahr 2021 ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen umgehen müssen. Der DStV regt in einer Stellungnahme gegenüber dem BMF eine Billigkeitsregelung an und schreibt:

Ein scheinbar einfacher Sachverhalt droht umsatzsteuerlich zu einem Dilemma zu führen: Ein am One-Stop-Shop-Verfahren (kurz: OSS) teilnehmender Unternehmer erhält im Juli 2021 Retoursendungen, die er im Juni (vor Inkrafttreten des OSS) ins EU-Ausland geliefert hatte.

Es ist klar, dass der Unternehmer die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage berichtigen muss – und zwar in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. In dem vorgenannten Fall: Juli 2021.

Die Frage ist jedoch, im Rahmen welcher Meldung zu korrigieren ist. Es käme die Meldung mittels OSS oder die lokale Meldung im EU-Ausland in Frage.

Der Gesetzestext bringt leider keine Klarheit. Ein Blick in die Gesetzesbegründung verdeutlicht jedoch: Mit dem OSS-Verfahren sollte explizit vermieden werden, dass Unternehmer für Umsatzsteuerzwecke in jedem Mitgliedstaat identifiziert werden müssen. Vielmehr soll die Meldung über eine zentrale Stelle in einem einzigen Mitgliedstaat erfolgen können (vgl. BT-Drs. 19/22850, Seite 128). Das würde im genannten Beispiel für eine Berichtigung im Rahmen des OSS sprechen.

In einer Service-Information der DATEV liest man hingegen mit Verweis auf eine Aussage des Bundeszentralamtes für Steuern, dass solche Retourfälle nicht über das OSS-Verfahren berichtigt werden könnten.

Aus Sicht des DStV widerspricht dies jedoch dem Gesetzeszweck und führt in der Praxis zu massivem bürokratischem Zusatzaufwand. Der DStV regt – die Gesetzesintention im Blick – in seiner Stellungnahme S 05/21 eine verwaltungsseitige Billigkeitsregelung an.

Es sollte aus Billigkeitsgründen nicht beanstandet werden, wenn Korrekturen hinsichtlich Lieferungen und sonstiger Leistungen auch dann über das OSS-Verfahren gemeldet werden, wenn sie bereits vor Inkrafttreten des OSS-Verfahrens erbracht wurden und in Veranlagungszeiträumen nach Inkrafttreten korrigiert werden müssen.

DStV, Mitteilung vom 01.09.2021

Anonymes Hinweisgeberportal freigeschaltet

Die baden-württembergische Steuerverwaltung führt das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter ein. Das neue Hinweisgeberportal bietet Bürgerinnen und Bürgern einen sicheren und anonymen Kommunikationsweg, um Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze anzuzeigen.

Finanzminister Dr. Danyal Bayaz: „So können wir Steuerbetrug besser verfolgen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Außerdem treiben wir die Digitalisierung voran und ermöglichen eine einfache Kommunikation zwischen Steuerverwaltung und Bürgerinnen und Bürgern.“

Anonyme Anzeigen nimmt die Steuerverwaltung in Baden-Württemberg bisher direkt entgegen. Die Anzeigen können telefonisch, schriftlich, persönlich oder per E-Mail erfolgen. Häufig fehlen dabei wesentliche Informationen und aufgrund der Anonymität sind keine Rückfragen möglich. Durch das neue webbasierte Hinweisgebersystem können Bürgerinnen und Bürger künftig auch digital, sicher und trotzdem anonym und diskret mit der Steuerverwaltung kommunizieren. Der Zugriff auf personenbezogene Daten der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers ist ausgeschlossen. Dies schafft zusätzliches Vertrauen. Über einen digitalen Postkasten besteht zudem die Möglichkeit eines anonymen Dialogs für Rück- und Nachfragen. Durch vorgegebene Pflichtfelder werden mehr qualifizierte Angaben und dadurch eine Steigerung der Qualität anonymer Anzeigen erwartet. Dadurch könnte auch die Zahl steuerstrafrechtlicher Ermittlungsverfahren steigen. Der digitalisierte und strukturierte Vorgang ermöglicht außerdem, dass mehr Anzeigen erfasst werden können.

zum Hinweisgeberportal

Weitere Informationen

Die „Einrichtung eines anonymen Hinweisgebersystems für die Steuerverwaltung“ ist eine Maßnahme des Projekts „Finanzamt der Zukunft“ (FiZ). Das Projekt greift einen innovativen Ansatz zur digitalen Verwaltungsentwicklung auf. Darin werden verschiedenste digitale und innovative Maßnahmen pilotiert und auf ihre Praxistauglichkeit hin erprobt. Darüber hinaus soll die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Steuerberaterinnen und Steuerberatern verbessert und transparenter werden.

OFD Karlsruhe, Mitteilung vom 30.8.2021

Erbschaft- und Schenkungsteuer 2020 um 19,4 % gestiegen

Im Jahr 2020 haben die Finanzverwaltungen in Deutschland Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 84,4 Milliarden Euro veranlagt. Das steuerlich berücksichtigte geerbte und geschenkte Vermögen stieg damit um 5,9 % gegenüber dem Vorjahr.

Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, erhöhte sich die festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteuer um 19,4 % auf 8,5 Milliarden Euro. Dabei entfielen auf die Erbschaftsteuer 6,8 Milliarden Euro (+14,0 %) und auf die Schenkungsteuer 1,8 Milliarden Euro (+45,8 %).

Die im Vorjahresvergleich höheren Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzungen beruhen zum einen auf einem Anstieg des veranlagten Grundvermögens (unbebaute und bebaute Grundstücke) um 22,5 % auf 32,6 Milliarden Euro. Zum anderen wurden im Jahr 2020 Anteile an Kapitalgesellschaften in Höhe von 5,2 Milliarden Euro (+12,4 %) und land- und forstwirtschaftliches Vermögen von 1,5 Milliarden Euro (+35,8 %) festgesetzt. Das restliche übrige Vermögen erhöhte sich auf 35,7 Milliarden Euro (+17,5 %). Der Rückgang des übertragenen Betriebsvermögens auf 15,6 Milliarden Euro (-20,2 %) führte dazu, dass die festgesetzte Steuer nicht noch höher ausfiel. Aus der Gesamtsumme des übertragenen Vermögens von 90,7 Milliarden Euro ergibt sich nach Abzug von Nachlassverbindlichkeiten das steuerlich berücksichtigte Vermögen von 84,4 Milliarden Euro.

Vermögensübertragungen durch Erbschaften gestiegen, Schenkungen leicht rückläufig

Das steuerlich berücksichtigte geerbte Vermögen ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 13,8 % auf 50,2 Milliarden Euro gestiegen. Hier wurden insbesondere 21,4 Milliarden Euro (+25,9 %) Grundvermögen und 30,5 Milliarden Euro (+15,9 %) übriges Vermögen (zum Beispiel Bankguthaben, Wertpapiere, Anteile und Genussscheine) übertragen. Auch das veranlagte geerbte Betriebsvermögen wuchs nach einem Rückgang im Jahr 2018 im zweiten Jahr in Folge. Im Jahr 2020 stieg es im Vorjahresvergleich um 32,8 % auf 3,9 Milliarden Euro.

Durch Schenkungen wurden im Jahr 2020 Vermögensübertragungen in Höhe von 34,2 Milliarden Euro veranlagt. Das waren 4,0 % weniger als im Vorjahr. Seit der Erbschaftssteuerreform im Jahr 2016, bei der die Verschonungsregelungen für die Übertragung von Betriebsvermögen beschränkt wurden, sind Schenkungen von Betriebsvermögen rückläufig. Im Jahr 2020 wurden 11,7 Milliarden Euro Betriebsvermögen und damit 29,7 % weniger als im Vorjahr festgesetzt. Das veranlagte geschenkte Grundvermögen stieg auf 11,2 Milliarden Euro (+16,5 %). Das übrige Vermögen betrug 10,4 Milliarden Euro (+19,8 %).

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 25.04.2021

Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig

Mit am 18.08.2021 veröffentlichten Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

Die Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar. Diese Ungleichbehandlung erweist sich gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume noch als verfassungsgemäß, für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungswidrig. Ein geringere Ungleichheit bewirkendes und mindestens gleich geeignetes Mittel zur Förderung des Gesetzeszwecks bestünde insoweit in einer Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz. Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen. Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.