Vorläufiger Rechtsschutz gegen Verlustabzugsbeschränkung gem. § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG

Der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 8c Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (jetzt § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) verfassungswidrig ist.

Nach § 8c Satz 2 KStG a. F. entfällt der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft vollständig, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden. Im Anschluss daran hat der 2. Senat des FG Hamburg wegen jener Verfassungsfrage nunmehr durch Beschluss vom 11. April 2018 (Az. 2 V 20/18) auch vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Es widerspricht damit der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15. Januar 2018, BStBl I 2018, 2, dort unter V. i. V. m. Abschnitt B der Anlage), wonach für eine Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, die auf Basis des § 8c Satz 2 (§ 8c Abs. 1 Satz 2) KStG ergangen sind, kein Grund besteht.

Auch wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist und deshalb das BVerfG anruft, ist zwar nicht automatisch auch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen. Denn bis zur endgültigen Entscheidung ist offen, ob das BVerfG die Norm, derentwegen es angerufen wird, tatsächlich für nichtig erklärt, und wenn ja, mit welchen Folgen, lediglich mit Wirkung für die Zukunft oder aber rückwirkend. Weil ein formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz zunächst grundsätzlich weiterhin anzuwenden ist, muss die Interessenlage des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das öffentliche, vornehmlich haushalterische Interesse abgewogen werden.

Das FG Hamburg hat dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hier den Vorrang eingeräumt. Im Rahmen der für die Aussetzungsentscheidung maßgeblichen „summarischen Prüfung“ sei eher zu erwarten, dass § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt werde. Es liege insoweit nicht anders als bezogen auf die Vorschrift des § 8c Satz 1 (bzw. Abs. 1 Satz 1) KStG, die bei Anteilsübertragungen von mehr als 25 % einen quotalen Verlustuntergang anordnet. Das BVerfG hat durch Beschluss vom 29. März 2017 (Az. 2 BvL 6/11) entschieden, dass diese Rechtsfolge mit dem Grundgesetz unvereinbar ist und dass die festgestellte Unvereinbarkeit vorbehaltlich einer gesetzlichen Nachbesserung bis spätestens zum 31. Dezember 2018 rückwirkend eintritt. Das Fiskalinteresse, das der Gesetzgeber seinerzeit bei Einführung von § 8c KStG mit einer jährlichen Haushaltswirkung von 1,45 Mrd. Euro angegeben hatte, ändert in Anbetracht dessen an der Rückwirkung aus Sicht des FG Hamburg nichts.

Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen.

(FG Hamburg, Pressemitteilung vom 24.04.2018 zu Beschluss vom 11.04.2018 – 2 V 20/18)