Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen zweifelhaft

Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen zweifelhaft

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B („Pkw-Führerschein“) und C1. Er hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) daher die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie Leistungen erbringen.

Im Streitfall war die Klägerin unterrichtend zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 3 500 kg und zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer) und C1 (ähnlich wie Fahrerlaubnis B, aber bezogen auf Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse von nicht mehr als 7 500 kg) tätig. Die Klägerin hatte für ihre Leistungen keine Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt.

Nach nationalem Recht sind Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser Fahrerlaubnisse steuerpflichtig. Fahrschulen sind insoweit keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH soll geklärt werden, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Im Bereich der Umsatzsteuer hat der nationale Gesetzgeber die Bindungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten. Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Entscheidend ist für den Streitfall daher, dass nach der Richtlinie Unterricht, den sog. anerkannte Einrichtungen oder Privatlehrer erteilen, von der Steuer zu befreien ist (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL). Weitgehend identische Vorgängerbestimmungen gelten bereits seit 1979 mit verbindlicher Wirkung.

Im Streitfall bejaht der BFH den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung nach § 4 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die Auslegung der Richtlinie sei aber zweifelhaft, so dass eine Entscheidung des EuGH einzuholen sei.

Der Vorlagebeschluss des BFH ist in einem sog. Revisionsverfahren ergangen, in dem es um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden geht. Nicht zu entscheiden war über eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine AdV ist bereits bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden möglich. Kommt es in einem Revisionsverfahren zu einer Vorlage an den EuGH, ist dies im Allgemeinen zu bejahen.

Die nunmehr vom EuGH zu treffende Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10 000 Fahrschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Sollte der EuGH eine Steuerfreiheit bejahen, wird sich die Anschlussfrage stellen, ob Fahrschulen den sich hieraus ergebenden Vorteil zivilrechtlich an ihre Kunden durch eine geänderte Preisbildung weitergeben.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 49 vom 26.7.2017 zu Beschluss vom 16.3.2017 – V R 38/16)

Kindergeld bis zum Abschluss des angestrebten Berufsziels

Kindergeld bis zum Abschluss des angestrebten Berufsziels

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht schon dann endet, wenn das Kind (vor Erreichen des 25. Lebensjahres) einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss erreicht hat, sondern erst dann, wenn das von Beginn an angestrebte Berufsziel einer mehraktigen Ausbildung erreicht ist.

Die Klägerin ist Mutter einer am 22. Dezember 1991 geborenen Tochter, die am 7. Juli 2015 die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf „Immobilienkauffrau“ bestand und ab Oktober 2015 an dem Lehrgang „geprüfter Immobilienfachwirt/geprüfte Immobilienfachwirtin“ der Industrie- und Handelskammer Koblenz (IHK) teilnahm. Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung zur „geprüften Immobilienfachwirtin“ ist das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf „Immobilienkauffrau“ sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis nach abgeschlossener Lehre. Deshalb war die Tochter der Klägerin ab Juli 2015 parallel zu ihrer Ausbildung bei der IHK in einem entsprechenden Ausbildungsbetrieb in Koblenz angestellt.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 lehnte die für die Kindergeldfestsetzung zuständige Familienkasse den Antrag der Klägerin auf Kindergeld für die Zeit ab August 2015 ab mit der Begründung, dass die Tochter bereits im Juli 2015 ihre erste Berufsausbildung abgeschlossen und sodann eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Deshalb könne die Ausbildung bei der IHK nicht berücksichtigt werden.

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, ihre Tochter habe das von Beginn an angestrebte Berufsziel „Immobilienfachwirtin“ noch nicht erreicht, das (u. a.) eine mindestens einjährige Berufspraxis in Vollzeit voraussetze.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz Klage, der stattgegeben wurde. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Erstausbildung der Tochter der Klägerin erst mit dem Abschluss der Prüfung zur „geprüften Immobilienfachwirtin“ ende, sodass bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (= Dezember 2016) Kindergeld zu gewähren sei.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die maßgebliche Rechtsgrundlage (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a Einkommensteuergesetz – EStG), wonach für ein über 18 Jahre altes Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Eine solche erstmalige Berufsausbildung sei – so das Gericht – nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang beendet. Denn es gebe Ausbildungsgänge, bei denen der erste Berufsabschluss lediglich integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs sei. Solche mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen seien allerdings nur dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt seien, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden solle und das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden könne. Liege noch keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung vor, komme es auf eine Erwerbstätigkeit des Kindes nicht an.

Im vorliegenden Fall sei die Erstausbildung der Tochter somit nicht schon mit dem erfolgreichen Abschluss im Ausbildungsberuf „Immobilienkauffrau“ beendet worden, sondern erst mit dem weiter qualifizierenden Abschluss „geprüfte Immobilienfachwirtin“. Denn dieses Berufsziel habe sie von Beginn an angestrebt, erst über den weiterführenden Abschluss Immobilienkauffrau“ erreichen können und unmittelbar nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnittes im Juli 2015 ohne Unterbrechung ab August 2015 fortgesetzt. Da ihre Erstausbildung nicht im Juli 2015 geendet habe, sei ihre Erwerbstätigkeit ab August 2015 unschädlich.

Kontext der Entscheidung

Heute gibt es zahlreiche Ausbildungswege („mehraktige Ausbildungsmaßnahmen“), die stets die Frage aufwerfen, ob mit dem Erreichen des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses das Ausbildungsziel bereits erreicht ist. Denn sollte dies der Fall sein, kann es für den Weiterbezug von Kindergeld bei einer nachfolgenden Fortsetzung der Ausbildung entscheidend sein, ob und wenn ja in welchem Umfang das Kind (neben der Fortsetzung der Ausbildung) zugleich noch erwerbstätig ist. Nach Abschluss einer Erstausbildung sind nämlich nur bestimmte Formen der Erwerbstätigkeit unschädlich (maximal 20 Stunden wöchentlich oder Ausbildungsdienstverhältnis oder nur geringfügige Beschäftigung).

Zu der Thematik liegen bereits einige Entscheidungen des BFH vor, z. B. zum sog. dualen Studium, zum Masterstudium nach vorangegangenem Bachelorstudiengang, zum Besuch der Fachoberschule für Technik nach Ausbildung zum Elektroniker, zum Betriebswirt (VWA) als fachliche Ergänzung oder Vertiefung einer kaufmännischen Ausbildung im Gesundheitswesen. Der zuletzt genannte Fall (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615) ähnelt dem vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Streit, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: In dem der BFH-Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt konnte das Kind nach der kaufmännischen Ausbildung nicht – wie im vorliegenden Fall – sogleich mit dem zweiten Ausbildungsabschnitt beginnen, sondern erst nach einer mindestens einjährigen Berufstätigkeit. Diese Berufstätigkeit – so der BFH – führe zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfallen lasse. Es liege daher nur ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) vor.

(FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 26.07.2017 zu Urteil vom 28.06.2017 – 5 K 2388/15; nrkr)

Ausbildung und Verkauf von Blindenführhunden begründet gewerbliche Tätigkeit

Ausbildung und Verkauf von Blindenführhunden begründet gewerbliche Tätigkeit

Die Ausbildung und der Verkauf von Blindenführhunden führt einkommensteuerrechtlich zu gewerblichen Einkünften. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, handelt es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit. Es fehlt an der hierfür erforderlichen „unterrichtenden“ oder „erzieherischen Tätigkeit“ i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die ein Tätigwerden gegenüber Menschen erfordert.

Im Streitfall betrieb die Klägerin eine Hundeschule und bildete jährlich drei bis fünf Hunde zu Blindenführhunden aus. Sie suchte gemeinsam mit dem sehbehinderten Menschen einen Hund aus und erwarb den Welpen auf eigene Rechnung. Nach der Ausbildung wurde der Hund von der Klägerin an den Sehbehinderten übergeben. Sie begleitete die Übergabephase, die mit einer Gespannprüfung abschloss. Diese wurde von einem von der Krankenkasse bestellten Gespannprüfer abgenommen. Nach der Prüfung veräußerte die Klägerin den Blindenführhund an die Krankenkasse des Sehbehinderten, die den Hund als medizinisches Hilfsmittel im Sinne des Sozialhilfegesetzes anerkannte. Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften der Klägerin aus dem Verkauf und der Ausbildung der Blindenführhunde um gewerbliche Einkünfte handelte und setzte den Gewerbesteuermessbetrag fest. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des Finanzgerichts. Die Klägerin war nicht gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Der Begriff „unterrichtende“ oder „erzieherische Tätigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift erfordert ein Tätigwerden gegenüber dem Menschen. Steuerrechtlich wird der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies gilt auch dann, wenn die Ausbildung der Tiere in einer „Hundeschule“ erfolgt. Bei der Betreuung des sehbehinderten Menschen während der Übergabe des Hundes handelt es sich um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit, so dass der gesamte Betrieb der Klägerin als gewerblich anzusehen ist.

Auch aus dem verfassungsrechtlich in Art. 20a des Grundgesetzes verankerten Tierschutz kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Ausbildung der Blindenführhunde dem Unterricht und der Erziehung von Menschen gleichzustellen ist. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden nach dem Umsatzsteuergesetz nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 47 vom 19.7.2017 zu Urteil vom 9.5.2017 – VIII R 11/15)

ErbStG: Freibetrag für Kinder bei der Pflege ihrer Eltern

ErbStG: Freibetrag für Kinder bei der Pflege ihrer Eltern

Hat ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil zu Lebzeiten gepflegt, ist es berechtigt, nach dem Ableben des Elternteils bei der Erbschaftsteuer den sog. Pflegefreibetrag in Anspruch zu nehmen. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden hat, steht dem die allgemeine Unterhaltspflicht zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, nicht entgegen.

Im Streitfall war die Klägerin Miterbin ihrer Mutter. Diese war ca. zehn Jahre vor ihrem Tod pflegebedürftig geworden (Pflegestufe III, monatliches Pflegegeld von bis zu 700 €). Die Klägerin hatte ihre Mutter auf eigene Kosten gepflegt. Das Finanzamt (FA) gewährte den Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in Höhe von 20.000 € nicht. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Der Begriff „Pflege“ ist grundsätzlich weit auszulegen und erfasst die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S. des § 14 Abs. 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI a.F.) und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. zugeordnet war.

Eine gesetzliche Unterhaltspflicht steht der Gewährung des Pflegefreibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht entgegen. Dies folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG schließt gesetzlich Unterhaltsverpflichtete nicht von der Anwendung der Vorschrift aus. Weder aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff., § 1589 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) noch aus der Verpflichtung zu Beistand und Rücksicht zwischen Kindern und Eltern nach § 1618a BGB folgt eine generelle gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Pflege. Damit entspricht die Gewährung des Pflegefreibetrags auch für gesetzlich Unterhaltsverpflichtete dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren. Zudem wird der generellen Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, die steuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen zu verbessern. Da Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht werden, liefe die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu leer.

Die Höhe des Freibetrags bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Vergütungssätze von entsprechenden Berufsträgern können als Vergleichsgröße herangezogen werden. Bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen -wie im Streitfall- kann der Freibetrag auch ohne Einzelnachweis zu gewähren sein.

Der Entscheidung des BFH kommt im Erbfall wie auch bei Schenkungen große Praxisrelevanz zu. Die Finanzverwaltung hat bislang den Freibetrag nicht gewährt, wenn der Erbe dem Erblasser gegenüber gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet war (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 R E 13.5 Abs. 1 Satz 2). Auf dieser Grundlage hatte das FA die Gewährung des Freibetrags auch im Streitfall verwehrt. Dem ist der BFH entgegengetreten. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Erbe den Pflegefreibetrag nach dem Urteil des BFH auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn der Erblasser zwar pflegebedürftig, aber z.B. aufgrund eigenen Vermögens im Einzelfall nicht unterhaltsberechtigt war.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 43 vom 05.07.2017 zu Urteil vom 10.5.2017 – II R 37/15)

Betrugsschaden als Werbungskosten

Betrugsschaden als Werbungskosten

Wer einem betrügerischen Grundstücksmakler Bargeld in der Annahme übergibt, der Makler werde damit den Kaufpreis für ein bebautes Grundstück bezahlen, kann den Verlust bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung als Betrugsschaden abziehen. Dies setzt nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) allerdings voraus, dass er bei Hingabe des Geldes zum Erwerb und zur Vermietung des Grundstücks entschlossen war. Betrugsschaden als Werbungskosten

Steuerrechtlich sind die anteilig auf ein zur Fremdvermietung bestimmtes Gebäude entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar. Sie können im Regelfall aber nicht sofort, sondern nur zeitanteilig in Form der Absetzungen für Abnutzung geltend gemacht werden. Anders ist dies, wenn die Gegenleistung nicht erbracht wird, wenn es also entweder nicht zur Herstellung des Gebäudes oder nicht zur Anschaffung kommt. In diesem Fall sind die vergeblich aufgewandten Beträge sofort in voller Höhe als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Das gilt nicht nur, wenn für die Hingabe des Geldes (wie üblich) eine vertragliche Verpflichtung bestand, sondern auch, wenn es hieran fehlt. Betrugsschaden als Werbungskosten

Im Streitfall beabsichtigte der Kläger den Erwerb eines Villengrundstücks. Die Villa wollte er teilweise vermieten. Eigentümer war eine Stiftung nach Liechtensteinischem Recht. Der Kläger vertraute dem Makler X den Kaufpreis in bar an, nachdem dieser ihm versichert hatte, das Geschäft bei Barzahlung in der Schweiz zum Abschluss zu bringen. Tatsächlich verwendete der Makler das Geld jedoch für sich. Betrugsschaden als Werbungskosten

Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) erkannten die geltend gemachten Werbungskosten des Klägers nicht an. Die von ihm an den Makler ohne rechtliche Grundlage geleisteten Zahlungen führten nicht zu Werbungskosten. Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und dem Kläger im Grundsatz Recht gegeben. Die einzige Voraussetzung für die Anerkennung vorab entstandener (vergeblicher) Aufwendungen ist die Erwerbs- und Vermietungsabsicht. Daran bestanden keine Zweifel, denn der Kläger hatte das Grundstück später erworben und tatsächlich vermietet.

Der BFH hat die Sache gleichwohl an das FG zurückverwiesen. Das FG muss noch prüfen, in welchem Zeitpunkt der Kläger davon ausgehen musste und durfte, dass er sein Geld von X nicht mehr zurückbekommen würde. Hierauf kommt es für die Abziehbarkeit als Werbungskosten entscheidend an.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 42 vom 28.6.2017 zu Urteil vom 9.5.2017 – IX R 24/16)

Buchwertfortführung bei Ausscheiden aus Personengesellschaft gegen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern

Buchwertfortführung bei Ausscheiden aus Personengesellschaft gegen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern

Gesellschafter können künftig weitergehend als bisher aus ihren Personengesellschaften gewinnneutral und damit ohne Aufdeckung stiller Reserven ausscheiden.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 30. März 2017 IV R 11/15 entschieden hat, liegt eine sog. gewinnneutrale Realteilung in allen Fällen der Sachwertabfindung eines ausscheidenden Gesellschafters vor, wenn er die erhaltenen Wirtschaftsgüter weiter als Betriebsvermögen verwendet. So wird eine Buchwertfortführung auch dann ermöglicht, wenn der ausscheidende Gesellschafter lediglich Einzelwirtschaftsgüter ohne sog. Teilbetriebseigenschaft erhält. Damit wendet sich der BFH ausdrücklich gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2016 IV C 6 S 2242/07/10002:004, BStBl I 2017, 36), die eine Gewinnneutralität nur dann gewähren will, wenn der ausscheidende Gesellschafter einen Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil erhält.

Der Auflösung der Gesellschaft mit anschließender Verteilung der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens unter den Gesellschaftern wird damit das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer fortbestehenden Gesellschaft gleichgestellt. Den ersten Fall bezeichnet der BFH als „echte Realteilung“, beim Ausscheiden aus der fortbestehenden Gesellschaft gegen Abfindung mit Gesellschaftsvermögen handelt es sich um eine „unechte Realteilung“.

Der Fall des Finanzgerichts

Im Fall des Urteils vom 30. März 2017 hatte ein Gesellschafter seinen Anteil an einer KG zunächst in eine neu gegründete Ein-Mann-GmbH & Co. KG eingebracht, die dann sogleich unter demselben Datum aus der KG ausschied. Zur Abfindung erhielt die ausscheidende neue Gesellschaft alle Wirtschaftsgüter eines nicht als Teilbetrieb organisierten Geschäftsbereichs der KG, den sie anschließend fortführte. Der BFH hielt diesen Vorgang für eine gewinnneutrale unechte Realteilung und bestätigte damit im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichts (FG). Die Finanzverwaltung, die im entschiedenen Fall unter Einbeziehung einer kurz zuvor vorgenommenen Übertragung vom Gesellschafter auf die Gesellschaft ein gewinnrealisierendes Tauschgeschäft angenommen hatte, ist bislang mit der Anwendung von Realteilungsgrundsätzen auf Fälle des Ausscheidens gegen Abfindung mit einzelnen Wirtschaftsgütern nicht einverstanden. Negative Auswirkungen kann die Handhabung der Finanzverwaltung insbesondere dann haben, wenn der ausscheidende Gesellschafter mit den erhaltenen Wirtschaftsgütern verbundene Schulden oder sonstige Verpflichtungen übernimmt.

Das Urteil vom 16. März 2017 IV R 31/14 betraf einen Fall, in dem eine von Vater und Sohn betriebene GmbH & Co. KG aufgelöst worden war. Von den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens erhielt der Vater nur einen geringen Teil, während der Sohn mit dem wesentlichen Teil des ehemaligen Gesellschaftsvermögens weiter alleine betrieblich tätig blieb. Das Finanzamt hatte eine gewinnneutrale Realteilung abgelehnt, weil die betriebliche Tätigkeit fortgesetzt worden sei. Der BFH stützte sich demgegenüber ebenso wie zuvor das FG darauf, dass die Tätigkeit der Gesellschaft infolge ihrer Auflösung und Vollbeendigung eingestellt worden sei. Es habe deshalb eine echte gewinnneutrale Realteilung stattgefunden.

(BFH, Pressemitteilung Nr. 40 vom 21.6.2017 zu Urteil vom 30.3.2017 – IV R 11/15 und Urteil vom 16.3.2017 – IV R 31/14)

Steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage mit Abfindungsklausel

Steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage mit Abfindungsklausel

Mit zwei Urteilen hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht entschieden, dass das Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG für die steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage im Hinblick auf die darin enthaltene Abfindungsklausel nicht die Angabe des konkreten Rechnungszinses und der anzuwendenden Sterbetafel verlangt.

Den Streitfällen lagen jeweils nicht beitragsfinanzierte Pensionszusagen mit Abfindungsklauseln zugrunde. Im Verfahren 1 K 68/14 sah die Abfindungsklausel eine Barwertabfindung vor, deren Kapitalbetrag anhand eines Rechnungszinses von 6 % und der anerkannten Grundsätze der Versicherungsmathematik ermittelt werden sollte. Im Verfahren 1 K 141/15 verwies die Abfindungsregelung für die Berechnung der Kapitalabfindung auf die im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechtsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Anerkennung der für die Pensionszusagen gebildeten Pensionsrückstellungen ab, da die Pensionszusagen nicht die nach den hierzu ergangenen BMF-Schreiben erforderlichen Angaben zum Rechnungszins und zur Sterbetafel enthielten.

Das Finanzgericht gab beiden Klagen statt, da die in den Pensionszusagen enthaltenen Abfindungsklauseln nicht gegen das Schriftform- und Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG verstießen. Nach Auffassung des Finanzgerichts ist § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG einschränkend dahin auszulegen, dass die in einer Pensionszusage enthaltene Abfindungsklausel nicht die Festlegung des für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendenden Rechnungszinses und der Sterbetafel verlangt. Ein solches Erfordernis ergebe sich weder aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch aus dem systematischen Zusammenhang zu § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG, der als spezielle Regelung für Abfindungsklauseln das Gebot der Wertgleichheit normiere. Die Abfindungsklausel wirke sich zudem nicht auf die Höhe der Pensionsrückstellung aus, so dass eindeutige Angaben zur Berechnung der Abfindungshöhe nach der mit dem Schriftform- und dem Eindeutigkeitsgebot bezweckten Beweissicherung über den Umfang der Pensionszusage nicht erforderlich seien.

Im Verfahren 1 K 68/14 ging das Finanzgericht im Rahmen einer hilfsweisen Begründung für den Fall einer abweichenden Auslegung des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG davon aus, dass die Abfindungsklausel dahin auszulegen ist, dass für die Berechnung der Abfindungshöhe die Sterbetafeln von Heubeck zugrunde zu legen sind. Die Auslegung der Pensionszusage ist nach Auffassung des Finanzgerichts auch nach Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG weiterhin möglich.

Gegen die Urteile sind Revisionen beim BFH unter den Az. I R 26/17 (zu 1 K 68/14) und I R 28/17 (zu 1 K 141/15) anhängig.

(FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 03.07.2017 zu Urteilen vom 21.02.2017 – 1 K 68/14 und 1 K 141/15)

Keine Änderung der Verlustfeststellung bei bestandskräftigem Einkommensteuerbescheid

Keine Änderung der Verlustfeststellung bei bestandskräftigem Einkommensteuerbescheid

Der 11. Senat des FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die einschränkenden Voraussetzungen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (EStG 2010) verfassungsgemäß sind. Diese Regelungen sind erstmals für Verluste anwendbar, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010).

Der Kläger hatte im Jahr 2004 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer begonnen und im August 2005 erfolgreich abgeschlossen. Seine hierfür im Jahr 2004 aufgewendeten Kosten hatte das beklagte FA aufgrund des in dieser Sache ergangenen Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2011 VI R 5/10 (BFHE 234, 262, BStBl II 2012, 553) als Werbungskosten anerkannt und zum 31. Dezember 2004 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer in Höhe von 64.949 EUR gesondert festgestellt. Für das Jahr 2005 hatte der Kläger eine Einkommensteuererklärung eingereicht, in der er neben geringfügigen positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bei den Sonderausgaben unter der Bezeichnung „Aus-/Weiterbildung im nichtausgeübten Beruf“ auch weitere Kosten der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 16.408 EUR erklärt hatte. Das FA hatte daraufhin die Einkommensteuer des Klägers für 2005 auf 0 EUR festgesetzt, da sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergeben hatte. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 6. Juli 2006 blieb unangefochten.

Erstmals am 19. August 2011 ging beim FA ein Antrag des Klägers auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2005 ein, in welchem die ursprünglich als Sonderausgaben erklärten Ausbildungskosten in Höhe von 16.371 EUR nunmehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert wurden. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2005 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wollte der Kläger erreichen, dass der aus 2004 herrührende Verlustvortrag um die Berufsausbildungskosten des Jahres 2005 erhöht wird.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Da der Kläger erstmals mit Schreiben vom 19. August 2011 und somit nach dem maßgeblichen 13. Dezember 2010 eine Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2005 beantragt habe, seien § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 anwendbar (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010). § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 bewirke eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid. Daher entfalle die Verlustfeststellung, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar sei. Sei der Steuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtige er keinen Verlust, komme eine Verlustfeststellung nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar sei. Das gelte sowohl für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag als auch für die Änderung der Verlustfeststellung. Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers sei der Einkommensteuerbescheid 2005 bereits bestandskräftig gewesen. Eine Änderungsmöglichkeit nach der Abgabenordnung bestehe nicht. Eine von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 abweichende Festsetzung nach Satz 5 der Vorschrift scheide ebenfalls aus. Eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2005 unterbleibe nicht ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer, sondern weil der Bescheid mangels eines Einspruchs bestandskräftig geworden sei.

Der in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010 enthaltene Anwendungsbefehl entfalte zwar Rückwirkung, verstoße aber nicht gegen die Verfassung. Es liege nur eine gerechtfertigte tatbestandliche Rückanknüpfung vor. Der Gesetzgeber habe mit § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 ausschließen wollen, dass Rechtsfragen trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung im Verlustfeststellungsverfahren aufgeworfen werden können. Dies würde zu nicht beabsichtigten Vorteilen gegenüber anderen Steuerpflichtigen führen, die die nämliche Rechtsfrage im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung aufgeworfen und nach für sie negativer Entscheidung im Vertrauen auf die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Rechtsprechung den (ggf. negativen) Feststellungsbescheid hätten unanfechtbar werden lassen. Die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 solle den Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht dadurch abnehmen, dass ihnen gestattet werde, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der Rechtsprechung eine Rechtslage eintrete, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lasse. Das zeige auch der vorliegende Fall. Der Kläger hätte lediglich die streitbefangenen Aufwendungen bereits im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2005 als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit erklären und auf der Grundlage dieser Qualifizierung einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 2005 stellen müssen.

Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (IX R 15/17).

(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 30.6.2017 zu Urteil vom 17.1.2017 – 11 K 1669/13)

Steuerbegünstigte Abfindung auch bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsvertrages möglich

Steuerbegünstigte Abfindung auch bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsvertrages möglich

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass eine anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung auch dann ermäßigt zu besteuern ist, wenn der Zahlung ein einvernehmlicher Auflösungsvertrag zu Grunde liegt.

Der Kläger war als Verwaltungsangestellter bei einer Stadt beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis beendeten er und seine Arbeitgeberin durch einen Auflösungsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen vorzeitig. In diesem Vertrag war auch die Zahlung einer Abfindung an den Kläger geregelt.

Das Finanzamt versagte die vom Kläger begehrte ermäßigte Besteuerung der Abfindung, weil nicht erkennbar sei, dass er bei Abschluss des Abfindungsvertrages unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gestanden habe. Der Kläger gab demgegenüber an, dass eine Konfliktlage bestanden habe, weil er sich seit mehreren Jahren um eine Höhergruppierung bemüht und diesbezüglich mit Klage gedroht habe. Er habe ein Interesse daran gehabt, nicht noch ein weiteres Jahr bis zum regulären Renteneintritt unter dieser Drucksituation arbeiten zu müssen. Die Arbeitgeberin habe im Rahmen eines für sie geltenden Haushaltssicherungskonzepts zahlreiche Maßnahmen zur Sanierung des Haushalts beschlossen, wozu auch Vereinbarungen über den vorzeitigen Ruhestandsantritt von Stelleninhabern rentennaher Jahrgänge gehört hätten.

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Die Abfindung erfülle sämtliche Voraussetzungen einer steuerbegünstigten Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 a) EStG. Der Kläger habe durch den Abschluss des Auflösungsvertrages einen Schaden in Form des Wegfalls seines zukünftigen Arbeitslohns erlitten. Die Abfindung sei unmittelbar zum Ausgleich dieses Schadens bestimmt gewesen. Der Steuerermäßigung stehe nicht entgegen, dass der Kläger auf seine Arbeitgeberin zugegangen war und den Abschluss des Auflösungsvertrags eingefordert hatte. Für die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geforderte Konfliktlage zur Vermeidung von Streitigkeiten reiche es bereits aus, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine gegensätzliche Interessenlage bestand, die die Parteien im Konsens lösen. In einer solchen Lage hätten sich der Kläger und seine Arbeitgeberin aufgrund der Streitigkeiten über die Höhergruppierung befunden. Auf das Gewicht und den Zeitpunkt der jeweiligen Verursachungsbeiträge komme es dabei nicht entscheidend an, solange beide Vertragsparteien zu der Entstehung des Konflikts beigetragen hätten. Anders hätte der Fall gelegen, wenn der Kläger ohne Auflage des Programms zur Personalreduzierung die vorzeitige Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung begehrt und vorangetrieben hätte.

Die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist am Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 16/17 anhängig.

(FG Münster, Mitteilung vom 16.06.2017 zu Urteil vom 17.03.2017 – 1 K 3037/14; BFH-Az.: IX R 16/17)

Von privat Versicherten selbst getragene Krankenbehandlungskosten steuerlich nicht absetzbar

Von privat Versicherten selbst getragene Krankenbehandlungskosten steuerlich nicht absetzbar

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass krankheitsbedingte Aufwendungen, die ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger selbst trägt, um sich eine Beitragsrückerstattung seines Krankenversicherers zu erhalten, weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden können.

In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Kläger in seiner Steuererklärung die von ihm entrichteten Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung geltend gemacht. Nachdem das Finanzamt Kenntnis von einer im Streitjahr für das Vorjahr gewährten Beitragserstattung seiner Krankenversicherung erhalten hatte, änderte es die Steuerfestsetzung und berücksichtigte nur noch die im Streitjahr gezahlten Beiträge abzüglich der Erstattung. Der Kläger machte dagegen geltend, dass er in Streitjahr für seine ärztliche Behandlung einen Betrag aufgewandt habe, der die Erstattung deutlich übersteige. Dies sei die Voraussetzung dafür gewesen, um die von seinem Versicherer gewährte Beitragsrückerstattung zu erhalten. Diese Aufwendungen seien deshalb als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Das Gericht ist dem nicht gefolgt und hat entschieden, dass Sonderausgaben insoweit nicht vorlägen, weil die private Zahlung der Arztrechnungen nicht, wie dies in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes – EStG – gefordert ist, als Beitrag zu einer Krankenversicherung anzusehen sei. Es lägen auch keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33 EStG vor. Zwar zählten hierzu nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers auch die Krankheitskosten. Diese seien steuerlich aber nur dann berücksichtigungsfähig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen nicht entziehen könne, sie ihm also zwangsläufig erwüchsen. Hieran fehle es, wenn der Steuerpflichtige – wie hier – freiwillig auf einen bestehenden Erstattungsanspruch gegen seinen Krankenversicherer verzichte.

Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 15.06.2017 zu Urteil vom 19.04.2017 – 11 K 11327/16)